...und schon naht der Herbst

Dieses Thema im Forum "Kaffeeklatsch" wurde erstellt von Melisandra, 12. September 2004.

  1. Neli

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    Herbst

    Zu Golde ward die Welt;
    Zu lange traf
    Der Sonne süßer Strahl
    Das Blatt, den Zweig.
    Nun neig
    Dich, Welt hinab
    In Winterschlaf.

    Bald sinkt's von droben dir
    In flockigen Geweben
    Verschleiernd zu -
    Und bringt dir Ruh,
    O Welt,
    O dir, zu Gold geliebtes Leben,
    Ruh.

    Christian Morgenstern (1871-1914)
     

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  2. Neli

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    Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
    als welkten in den Himmel ferne Gärten;
    sie fallen mit verneinender Gebärde.
    Und in den Nächten fällt die schwere Erde
    aus allen Sternen in die Einsamkeit.
    Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
    Und sieh die andre an: es ist in allen.
    Und doch ist einer, welcher dieses Fallen
    unendlich sanft in seinen Händen hält.


    Rainer Maria Rilke (1875-1926)
     

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  3. Neli

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    Der scheidende Sommer

    Das gelbe Laub erzittert,
    Es fallen die Blätter herab;
    Ach, alles, was hold und lieblich,
    Verwelkt und sinkt ins Grab.

    Die Gipfel des Waldes umflimmert
    Ein schmerzlicher Sonnenschein;
    Das mögen die letzten Küsse
    Des scheidenden Sommers sein.

    Mir ist, als müsst ich weinen
    Aus tiefstem Herzensgrund;
    Dies Bild erinnert mich wieder
    An unsre Abschiedsstund'.

    Ich musste von dir scheiden,
    Und wusste, du stürbest bald;
    Ich war der scheidende Sommer,
    Du warst der kranke Wald.


    Heinrich Heine
     

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  4. Neli

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    Im Nebel



    Seltsam, im Nebel zu wandern!
    Einsam ist jeder Busch und Stein.
    Kein Baum sieht den andern.
    Jeder ist allein.

    Voll von Freunden war mir die Welt,
    Als noch mein Leben licht war,
    Nun, da der Nebel fällt,
    Ist keiner mehr sichtbar.

    Wahrlich, keiner ist weise,
    Der nicht das Dunkel kennt,
    Das unentrinnbar und leise
    Von allen ihn trennt.

    Seltsam, im Nebel zu wandern!
    Leben ist einsam sein.
    Kein Mensch kennt den anderen,
    Jeder ist allein.


    Hermann Hesse, November 1905
     

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  5. Neli

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    Allerseelen

    Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
    Die letzten roten Astern trag herbei,
    Und laß uns wieder von der Liebe reden,
    Wie einst im Mai.

    Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke
    Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei,
    Gib mir nur einen deiner süßen Blicke,
    Wie einst im Mai.

    Es blüht und funkelt heut auf jedem Grabe,
    Ein Tag im Jahr ist ja den Toten frei,
    Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe,
    Wie einst im Mai.


    Hermann von Gilm zu Rosenegg (1812-1864)
     

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  6. Neli

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    Komm in den totgesagten Park und schau:
    Der schimmer ferner lächelnder gestade,
    Der reinen wolken unverhofftes blau,
    Erhellt die weiher und die bunten pfade.

    Dort nimm das tiefe gelb, das weiche grau
    Von birken und von buchs, der wind ist lau,
    Die späten rosen welkten noch nicht ganz,
    Erlese, küsse sie und flicht den kranz.

    Vergiss auch diese letzten astern nicht,
    Den purpur um die ranken wilder reben,
    Und auch was übrig bleib von grünem leben
    Verwinde leicht im herbstlichen gesicht.



    Stefan George


     

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  7. Neli

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    Herbst

    Zu Golde ward die Welt;
    Zu lange traf
    Der Sonne süßer Strahl
    Das Blatt, den Zweig.
    Nun neig
    Dich, Welt hinab
    In Winterschlaf.

    Bald sinkt's von droben dir
    In flockigen Geweben
    Verschleiernd zu -
    Und bringt dir Ruh,
    O Welt,
    O dir, zu Gold geliebtes Leben,
    Ruh.


    Christian Morgenstern (1871-1914)
     

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  8. Neli

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    Herbstlied

    Durch die Tannen und die Linden
    Spinnt schon Purpur her und hin;
    Will mich Wehmut überwinden,
    Daß ich bald im Herbste bin.

    Nimmer! denn vom Walde klingen
    Märlein mir und Sprüchelein,
    Die mir süße Tröstung bringen
    Ob erstorbnem Sonnenschein.

    Ja, erstorben ist die Sonne
    Und ihr Strahl ist ohne Macht!
    Dennoch spricht von ferner Wonne
    Greiser Wipfel Farbenpracht.


    Wilfried von der Neun (1826-1916) [pseudonym]
     

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  9. Melisandra

    Melisandra immer auf der Suche...

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    Herbstspaziergang

    im Wald kann auch sehr toll sein
     

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  10. Melisandra

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    Verklärter Herbst

    Georg Trakl

    Gewaltig endet so das Jahr
    Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
    Rund schweigen Wälder wunderbar
    Und sind des Einsamen Gefährten.

    Da sagt der Landmann: Es ist gut.
    Ihr Abendglocken lang und leise
    Gebt noch zum Ende frohen Mut.
    Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

    Es ist der Liebe milde Zeit.
    Im Kahn den blauen Fluß hinunter
    Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
    Das geht in Ruh und Schweigen unter.


    Georg Trakl wurde am 3.2.1887
    in Salzburg geboren und starb am 3.11.1914 in Krakau
    [​IMG]
     
  11. Neli

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    Jetzt reifen schon die roten Berberitzen,
    alternde Astern atmen schwach im Beet.
    Wer jetzt nicht reich ist, da der Sommer geht,
    wird immer warten und sich nie besitzen.
    Wer jetzt nicht seine Augen schließen kann,
    gewiß, daß eine Fülle von Gesichten in ihm
    nur wartet bis die Nacht begann,
    um sich in seinem Dunkel aufzurichten:-
    der ist vergangen wie ein alter Mann.
    Dem kommt nichts mehr, dem stößt kein Tag mehr zu,
    und alles lügt ihn an, was ihm geschieht;
    auch du, mein Gott.
    Und wie ein Stein bist du,
    welcher ihn täglich in die Tiefe zieht.


    Rainer Maria Rilke
     

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  12. Neli

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    Herbstentschluß

    Trübe Wolken, Herbstesluft,
    Einsam wandl' ich meine Straßen,
    Welkes Laub, kein Vogel ruft -
    Ach, wie stille! wie verlassen!

    Todeskühl der Winter naht;
    Wo sind, Wälder, eure Wonnen?
    Fluren, eurer vollen Saat
    Goldne Wellen sind verronnen!

    Es ist worden kühl und spät,
    Nebel auf der Wiese weidet,
    Durch die öden Haine weht
    Heimweh; - alles flieht und scheidet.

    Herz, vernimmst du diesen Klang
    Von den felsentstürzten Bächen?
    Zeit gewesen wär' es lang,
    Daß wir ernsthaft uns besprächen!

    Herz, du hast dir selber oft
    Weh getan und hast es andern,
    Weil du hast geliebt, gehofft;
    Nun ist's aus, wir müssen wandern!

    Nikolaus Lenau (1802-1850)
     

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  13. Neli

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    Müder Glanz der Sonne!
    Blasses Himmelblau!
    Von verklungner Wonne
    Träumet still die Au.

    An der letzten Rose
    Löset lebenssatt
    Sich der letzte lose,
    Bleiche Blumenblatt!

    Goldenes Entfärben
    Schleicht sich durch den Hain!
    Auch Vergehn'n und Sterben
    Däucht mir süß zu sein.


    Friedrich Karl von Gerok (1815-1890)
     

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  14. Neli

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    Wie ferne Tritte hörst du 's schallen,
    Doch weit umher ist nichts zu sehn,
    Als wie die Blätter träumend fallen
    Und rauschend mit dem Wind verwehn.

    Es dringt hervor wie leise Klagen,
    Die immer neuem Schmerz entstehn,
    Wie Wehruf aus entschwundnen Tagen,
    Wie stetes Kommen und Vergehn.

    Du hörst, wie durch der Bäume Gipfel
    Die Stunden unaufhaltsam gehn,
    Der Nebel regnet in die Wipfel,
    Du weinst und kannst es nicht verstehn.


    Martin Greif (1839-1911) [pseudonym]
     

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  15. Neli

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    Der graue Nebel tropft so still
    Herab auf Feld und Wald und Heide,
    Als ob der Himmel weinen will
    In übergroßem Leide.

    Die Blumen wollen nicht mehr blühn,
    Die Vöglein schweigen in den Hainen,
    Es starb sogar das letzte Grün,
    Da mag er auch wohl weinen.


    Hermann Allmers (1821-1902)
     

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    Neli Optimistin

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    Nach Süden

    Von allen Zweigen schwingen
    sich wandernde Vögel empor,
    weit durch die Lüfte klingen
    hört man den Reisechor,
    nach Süden, nach Süden
    in den ewigen Blumenflor.

    Ihr Vöglein singt munter hernieder,
    wir singen lustig hinaus,
    wenn dann der Lenz kommt,
    kehren wir wieder,
    wieder in Nest und Haus,
    von Süden! Jetzt aber hinaus!


    Verfasser unbekannt
     

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  17. Neli

    Neli Optimistin

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    Es fällt das Laub wie Regentropfen
    so zahllos auf die Stoppelflur;
    matt pulst der Bach wie letztes Klopfen
    im Todeskampfe der Natur.
    Still wird's! Und als den tiefen Frieden
    ein leises Wehen jetzt durchzog,
    da mocht' es sein, daß abgeschieden
    die Erdenseele aufwärts flog.


    Theodor Fontana
     

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