Sommer- und Naturgedichte

Dieses Thema im Forum "Kaffeeklatsch" wurde erstellt von Neli, 10. Juni 2004.

  1. Neli

    Neli Optimistin

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    Still ruhet die Heide in weihvoller Nacht,
    sie träumet ganz stille in mondlichter Pracht.
    Es zieht durch die Bäume ganz leise der Wind,
    es atmet die Heide wie ein schlummerndes Kind.

    Durch Wiesen und Felder, durch Büsche und Wald
    das Himmelslicht spiegelt in Geistergestalt.
    Still schweiget da alles in heiliger Stund,
    ein Bächlein nur flüstert im tiefdunklen Grund.

    Da kommen zwei Menschen, ein Weib und ein Mann
    durch Wald und durch Büsche zum Bächlein an.
    Da bleiben sie stehen im Zauber der Nacht:
    "Was habt Ihr gesuchet, was habt Ihr gemacht?"

    Sie wissen's nicht selber, sie fühlen es nur:
    sie sind nur die Kinder der großen Natur.


    Aug. Hjelt
     

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  2. Neli

    Neli Optimistin

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    Das macht, es hat die Nachtigall
    Die ganze Nacht gesungen;
    Da sind von ihrem süßen Schall,
    Da sind in Hall und Widerhall
    Die Rosen aufgesprungen.

    Sie war doch sonst ein wildes Blut,
    Nun geht sie tief in Sinnen,
    Trägt in der Hand den Sommerhut
    Und duldet still der Sonne Glut
    Und weiß nicht, was beginnen.


    Theodor Storm
     

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  3. Neli

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    Wach auf meins Herzens Schöne
    Herzallerliebste mein
    Ich hör ein süß Getöne
    von kleinen Waldvöglein
    die hör ich so lieblich singen
    ich mein, ich säh des Tages Schein
    vom Orient her dringen.

    Ich hör die Hahnen krähen
    und spür den Tag dabei
    die kühlen Windlein wehen
    die Sternlein leuchten frei
    singt uns Frau Nachtigalle
    singt uns ein süße Melodei
    sie neut den Tag mit Schalle.

    Der Himmel tut sich färben
    aus weißer Farb in Blau
    Die Wolken tun sich färben
    aus schwarzer Farb in grau
    die Morgenröt tut herschleichen
    wach auf, mein Lieb, und mach mich frei
    die Nacht will uns entweichen!


    Volkslied
     

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  4. Neli

    Neli Optimistin

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    Der alte Garten

    Kaiserkron und Päonien rot,

    die müssen verzaubert sein,

    denn Vater und Mutter sind lange tot,

    was blühn sie hier so allein?`


    Der Springbrunnen plaudert noch immerfort

    von der alten schönen Zeit,

    eine Frau sitzt eingeschlafen dort,

    ihre Locken bedecken ihr Kleid.


    Sie hat eine Laute in der Hand,

    als ob sie im Schlafe spricht,

    mir ist, als hätt ich sie sonst gekannt

    still geh vorbei und weck sie nicht!


    Und wenn es dunkelt das Tal entlang,

    streift sie die Saiten sacht,

    da gibts einen wunderbaren Klang

    durch den Garten die ganze Nacht.


    Joseph von Eichendorff
     

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  5. Neli

    Neli Optimistin

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    Täglich zu singen

    Ich danke Gott und freue mich
    Wie's Kind zur Weihnachtsgabe,
    Daß ich hier bin! Und daß ich dich
    Schön menschlich Antlitz habe.

    Daß ich die Sonne, Berg und Meer,
    Und Laub und Gras kann sehen
    Und abends unterm Sternenheer
    Und lieben Monde gehen.

    Gott gebe mir nur jeden Tag.
    So viel ich darf zum Leben,
    Er gibt's dem Sperling auf dem Dach;
    Wie sollt' er's mir nicht geben!


    Matthias Claudius (1740-1815)
     

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  6. Neli

    Neli Optimistin

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    Auf der Berge freien Höhen,
    In der Mittagssonne Schein,
    An des warmen Strahles Kräften
    Zeugt Natur den goldnen Wein.

    Und noch Niemand hat's erkundet,
    Wie die große Mutter schafft;
    Unergründlich ist das Wirken,
    Unerforschlich ist die Kraft.

    Funkelnd wie ein Sohn der Sonne,
    Wie des Lichtes Feuerquell,
    Springt er perlend aus der Tonne,
    Purpurn und krystallenhell.

    Und erfreuet alle Sinnen,
    Und in jede bange Brust
    Gießt er ein balsamisch Hoffen
    Und des Lebens neue Lust.

    Aber matt auf unsre Zonen
    Fällt der Sonne schräges Licht;
    Nur die Blätter kann sie färben,
    Aber Früchte reift sie nicht.

    Doch der Norden will auch leben,
    Und was lebt, will sich erfreun;
    Darum schaffen wir erfindend
    Ohne Weinstock uns den Wein.

    Bleich nur ist's, was wir bereiten
    Auf dem häuslichen Altar;
    Was Natur lebendig bildet,
    Glänzend ist's und ewig klar.

    Aber freudig aus der Schale
    Schöpfen wir die trübe Fluth;
    Auch die Kunst ist Himmelsgabe,
    Borgt sie gleich von ird'scher Gluth.

    Ihrem Wirken freigegeben
    Ist der Kräfte großes Reich;
    Neues bildend aus dem Alten,
    Stellt sie sich dem Schöpfer gleich.

    Selbst das Band der Elemente
    Trennt ihr herrschendes Gebot,
    Und sie ahmt mit Herdesflammen
    Nach den hohen Sonnengott.

    Fernhin zu den sel'gen Inseln
    Richtet sie der Schiffe Lauf,
    Und des Südens goldne Früchte
    Schüttet sie im Norden auf.

    Drum ein Sinnbild und ein Zeichen
    Sei uns dieser Feuersaft,
    Was der Mensch sich kann erlangen
    Mit dem Willen und der Kraft.

    Friedrich von Schiller
     

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