Still ruhet die Heide in weihvoller Nacht, sie träumet ganz stille in mondlichter Pracht. Es zieht durch die Bäume ganz leise der Wind, es atmet die Heide wie ein schlummerndes Kind. Durch Wiesen und Felder, durch Büsche und Wald das Himmelslicht spiegelt in Geistergestalt. Still schweiget da alles in heiliger Stund, ein Bächlein nur flüstert im tiefdunklen Grund. Da kommen zwei Menschen, ein Weib und ein Mann durch Wald und durch Büsche zum Bächlein an. Da bleiben sie stehen im Zauber der Nacht: "Was habt Ihr gesuchet, was habt Ihr gemacht?" Sie wissen's nicht selber, sie fühlen es nur: sie sind nur die Kinder der großen Natur. Aug. Hjelt
Das macht, es hat die Nachtigall Die ganze Nacht gesungen; Da sind von ihrem süßen Schall, Da sind in Hall und Widerhall Die Rosen aufgesprungen. Sie war doch sonst ein wildes Blut, Nun geht sie tief in Sinnen, Trägt in der Hand den Sommerhut Und duldet still der Sonne Glut Und weiß nicht, was beginnen. Theodor Storm
Wach auf meins Herzens Schöne Herzallerliebste mein Ich hör ein süß Getöne von kleinen Waldvöglein die hör ich so lieblich singen ich mein, ich säh des Tages Schein vom Orient her dringen. Ich hör die Hahnen krähen und spür den Tag dabei die kühlen Windlein wehen die Sternlein leuchten frei singt uns Frau Nachtigalle singt uns ein süße Melodei sie neut den Tag mit Schalle. Der Himmel tut sich färben aus weißer Farb in Blau Die Wolken tun sich färben aus schwarzer Farb in grau die Morgenröt tut herschleichen wach auf, mein Lieb, und mach mich frei die Nacht will uns entweichen! Volkslied
Der alte Garten Kaiserkron und Päonien rot, die müssen verzaubert sein, denn Vater und Mutter sind lange tot, was blühn sie hier so allein?` Der Springbrunnen plaudert noch immerfort von der alten schönen Zeit, eine Frau sitzt eingeschlafen dort, ihre Locken bedecken ihr Kleid. Sie hat eine Laute in der Hand, als ob sie im Schlafe spricht, mir ist, als hätt ich sie sonst gekannt still geh vorbei und weck sie nicht! Und wenn es dunkelt das Tal entlang, streift sie die Saiten sacht, da gibts einen wunderbaren Klang durch den Garten die ganze Nacht. Joseph von Eichendorff
Täglich zu singen Ich danke Gott und freue mich Wie's Kind zur Weihnachtsgabe, Daß ich hier bin! Und daß ich dich Schön menschlich Antlitz habe. Daß ich die Sonne, Berg und Meer, Und Laub und Gras kann sehen Und abends unterm Sternenheer Und lieben Monde gehen. Gott gebe mir nur jeden Tag. So viel ich darf zum Leben, Er gibt's dem Sperling auf dem Dach; Wie sollt' er's mir nicht geben! Matthias Claudius (1740-1815)
Auf der Berge freien Höhen, In der Mittagssonne Schein, An des warmen Strahles Kräften Zeugt Natur den goldnen Wein. Und noch Niemand hat's erkundet, Wie die große Mutter schafft; Unergründlich ist das Wirken, Unerforschlich ist die Kraft. Funkelnd wie ein Sohn der Sonne, Wie des Lichtes Feuerquell, Springt er perlend aus der Tonne, Purpurn und krystallenhell. Und erfreuet alle Sinnen, Und in jede bange Brust Gießt er ein balsamisch Hoffen Und des Lebens neue Lust. Aber matt auf unsre Zonen Fällt der Sonne schräges Licht; Nur die Blätter kann sie färben, Aber Früchte reift sie nicht. Doch der Norden will auch leben, Und was lebt, will sich erfreun; Darum schaffen wir erfindend Ohne Weinstock uns den Wein. Bleich nur ist's, was wir bereiten Auf dem häuslichen Altar; Was Natur lebendig bildet, Glänzend ist's und ewig klar. Aber freudig aus der Schale Schöpfen wir die trübe Fluth; Auch die Kunst ist Himmelsgabe, Borgt sie gleich von ird'scher Gluth. Ihrem Wirken freigegeben Ist der Kräfte großes Reich; Neues bildend aus dem Alten, Stellt sie sich dem Schöpfer gleich. Selbst das Band der Elemente Trennt ihr herrschendes Gebot, Und sie ahmt mit Herdesflammen Nach den hohen Sonnengott. Fernhin zu den sel'gen Inseln Richtet sie der Schiffe Lauf, Und des Südens goldne Früchte Schüttet sie im Norden auf. Drum ein Sinnbild und ein Zeichen Sei uns dieser Feuersaft, Was der Mensch sich kann erlangen Mit dem Willen und der Kraft. Friedrich von Schiller