Der Scholar Bei dem angenehmsten Wetter singen alle Vogelein, klatscht der Regen auf die Blätter, sing ich so für mich allein. Denn mein Aug' kann nichts entdecken, wenn der Blitz auch grausam glüht, was im Wandern könnt' erschrecken ein zufriedenes Gemüt. Frei vom Mammon will ich schreiten auf dem Feld der Wissenschaft, sinne ernst und nehm' zu Zeiten einen Mund voll Rebensaft. Bin ich müde vom Studieren, wann der Mond tritt sanft herfür, pfleg' ich dann zu musizieren vor der Allerschönsten Tür. Joseph von Eichendorff
Der junge Ehemann Hier unter dieser Linde Saß ich viel tausendmal Und schaut' nach meinem Kinde Hinunter in das Tal, Bis daß die Sterne standen Hell über ihrem Haus Und weit in den stillen Landen Alle Lichter löschten aus. Jetzt neben meinem Liebchen Sitz' ich im Schatten kühl, Sie wiegt ein muntres Bübchen, Die Täler schimmern schwül, Und unten im leisen Winde Regt sich das Kornfeld kaum Und über uns säuselt die Linde - Es ist mir noch wie ein Traum. Joseph von Eichendorff
Wie Melodien zieht es Mir leise durch den Sinn, Wie Frühlingsblumen blüht es, Und schwebt wie Duft dahin. Doch kommt das Wort und faßt es Und führt es vor das Aug', Wie Nebelgrau erblaßt es Und schwindet wie ein Hauch. Und dennoch ruht im Reime Verborgen wohl ein Duft, Den mild aus stillem Keime Ein feuchtes Auge ruft. Klaus Groth (1819-1899)
Weiche Gräser im Revier, schöne, stille Plätzchen! O, wie linde ruht es hier sich mit einem Schätzchen! Georg Friedrich Daumer (1800-1875)
Nur einmal bringt des Jahres Lauf uns Lenz und Lerchenlieder. Nur einmal blüht die Rose auf, und dann verwelkt sie wieder; nur einmal gönnt uns das Geschick so jung zu sein auf Erden: Hast du versäumt den Augenblick, jung wirst du nie mehr werden. Drum lass von der gemachten Pein um nie gefühlte Wunden! Der Augenblick ist immer dein, doch rasch entfliehn die Stunden. Und wer als Greis im grauen Haar vom Schmerz noch nicht genesen, der ist als Jüngling auch fürwahr nie jung und frisch gewesen. Nur einmal blüht die Jugendzeit und ist so bald entschwunden; und wer nur lebt vergangnem Leid, wird nimmermehr gesunden. Verjüngt sich denn nicht auch Natur stets neu im Frühlingsweben? Sei jung und blühend einmal nur, doch das durchs ganze Leben! Richard v. Wilpert (1862 - 1918)
Nun, da so warm der Sonnenschein, Und da so mild die Lüfte wehn, Nun mußt du aus dem Kämmerlein Auch fein zum grünen Walde gehn. Und hörst in wunderhellem Schlag Frohlocken du ein Vögelein, So lauscht' ihm recht, daß er dir sag', Warum es mag so fröhlich sein. Und siehst du wo im Dornenreis Ein einsam Blümlein aufgetaut, Und dessen Glanz der Herr nur weiß, So mach dir recht mit ihm vertraut! Was dir sagt das Vögelein, Und was das Blümlein mit dir spricht: Geh hin und leg's in deinen Schrein! Und, liebes Kind, verlier' es nicht! Oscar von Redwitz-Schmölz (1823-1891)
Der holde, liebe Frühlingsregen weiß, Wann die Natur ihn sich ersehnt. Er naht, Und neues Leben blüht in seiner Spur. Er hat die Nacht gewählt zu seiner Ankunft, Er kam auf einem weichen, warmen Winde Und netzte alles sanft mit seinem Tau. Die Wolken lagen gestern abend dunkel Über dem Weg, der mich nach Hause führte, Einzelne Lichter blinken auf dem Strom. Nun in der Frühe leuchten alle Felder, Der Himmel lacht, und süßer Duft der Blumen Quillt wohlig aus den kaiserlichen Gärten. Hans Bethge (1865-1946)
Nach Süden treibt der Wolken Zug, nach Süden lenkt der Vögel Flug, O könnt' ich diesem Tal entfliehn, mit euch in die leuchtende Ferne ziehn, frei, wie ihr Wolken und Vögelein: wie glücklich wollt' ich sein! O hätt' ich Flügel an der Brust, ich schwäng' mich auf in sel'ger Lust, ich flöge singend ohne Ruh dem Süden, dem lachenden Süden zu, mit euch, ihr Wolken und Vögelein: wie glücklich wollt' ich sein! Ich bin gebannt auf diese Flur; o Sehnsucht, du hast Flügel nur, führst nur im Traum mich weit, so weit, nach ferner blühender Herrlichkeit. Lebt wohl, ihr Wolken und Vögelein, o könnt' ich mit euch sein! (aus dem 19. Jahrhundert, Verfasser nicht bekannt)
Im Moose Hoch über mir endlos ein strahlendes Blau, rings um mich ein lachender, nickender Tau, und in mir viel tausend Träume. Die Glieder getaucht in das schwellende Moos, so träumt ich mich Sorgen und Ärgernis bloß im Rieseln der Birkenbäume. Nun ist mir die Welt einerlei! Mag kommen was kommt, mag sein was da sei, ich liege im schimmerden Moose! Hier unter Kräutern und Blüten und Baum lach ich der Welt und träum meinen Traum von einer fern glühenden Rose. Johannes Öhquist (1861-1949)
Heinrich der Vogler Herr Heinrich saß am Vogelherd, Recht froh und wohlgemut; Aus tausend Perlen blinkt und blitzt Der Morgenröte Glut. In Wies und Feld, in Wald und Au, Horch, welch ein süßer Schall! Der Lerche Sang, der Wachtel Schlag, Die süße Nachtigall! Herr Heinrich schaut so fröhlich drein: Wie schön ist heut die Welt! Was gilt's, heut gibt's 'nen guten Fang! Er schaut zum Himmelszelt. Er lauscht und streicht sich von der Stirn Das blondgelockte Haar... Ei doch! was sprengt denn dort heran Für eine Reiterschar? Der Staub wallt auf, der Hufschlag dröhnt, Es naht der Waffen Klang; Daß Gott! die Herrn verderben mir Den ganzen Vogelfang! Ei nun! was gibt's? Es hält der Troß Vorm Herzog plötzlich an, Herr Heinrich tritt hervor und spricht: Wen sucht ihr Herrn? Sagt an! Da schwenken sie die Fähnlein bunt Und jauchzen: Unsern Herrn! Hoch lebe Kaiser Heinrich, hoch! Des Sachsenlandes Stern! Sich neigend knien sie vor ihm hin Und huldigen ihm still, Und rufen, als er staunend fragt: 's ist deutschen Reiches Will! Da blickt Herr Heinrich tief bewegt Hinauf zum Himmelszelt: Du gabst mir einen guten Fang! Herr Gott, wie dir's gefällt! Johann Nepomuk Vogl (1802-1866)
O wie so weit Bächlein am Wiesenrand, rinnst du noch immer? Blumen im Heimatland, gebt ihr noch Schimmer? Halme der Heimatluft, mögt ihr noch rauschen ? Lerche der Heimatluft, könnt' ich dir lauschen! Duftige Jugendzeit, o wie so weit, o wie so weit. Fließt noch durch Blumen bunt silberne Kühle ? Rauscht noch im Lindengrund klappernde Mühle? Fenster aus Laubgewind' leuchtet noch munter, aber das schönste Kind schaut nicht herunter. Liebe der Jugendzeit, o wie so weit, o wie so weit ! Glück vorbei, Duft verweht, Liebe vergangen! Durch meine Seele geht leises Verlangen. Dürft ich doch einmal, nur einmal, dich schauen; Heimatwald, Heimatflur, liebste der Frauen ! Aber wie Ewigkeit bist du mir weit; o wie so weit. Julius Rodenberg (1831-1914)
Tröpflein muß zur Erde fallen, Muß das zarte Blümchen netzen, Muß Quellen weiter wallen, Muß das Fischlein auch ergötzen, Muß im Bach die Mühle schlagen, Muß im Strom die Schiffe tragen, Und wo wären denn die Meere, Wenn nicht erst das Tröpflein wäre? aus dem Buch "Der Sprachschüler" von 1874 - gefunden beim renovieren eines 130 Jahre alten Hauses - es war zwischen Balken versteckt
Der Sonntag ist gekommen, Ein Sträußchen auf dem Hut; Sein Aug ist mild und heiter, Er meint's mit allen gut. Er steiget auf die Berge, Er wandelt durch das Tal, Er ladet zum Gebete Die Menschen allzumal. Und wie in schönen Kleidern Nun pranget jung und alt, Hat er für sie geschmücket Die Flur und auch den Wald. Und wie er allen Freude Und Frieden bringt und Ruh, So ruf auch du nun jedem "Gott grüß dich" freundlich zu. August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798-1874)
Jeden Morgen geht die Sonne auf In der Wälder wundersamer Runde. Und die hohe, heilge Schöpferstunde, Jeden Morgen nimmt sie ihren Lauf. Jeden Morgen aus dem Wiesengrund Heben weiße Schleier sich ins Licht, Uns der Sonne Morgengang zu künden, Ehe sie das Wolkentor durchbricht. Jeden Morgen durch des Waldes Hall'n Hebt der Hirsch sein mächtiges Geweih. Der Pirol und dann die Vöglein alle Stimmen an die große Melodei. (Hermann Claudius)
Freundliche Vision Eine Wiese voller Margeriten; tief ein weißes Haus in grünen Büschen; Götterbilder leuchten aus dem Laube. Und ich geh' mit Einer, die mich lieb hat, ruhigen Gemütes in die Kühle dieses weißen Hauses, in den Frieden, Frieden, der voll Sehnsucht wartet, daß wir kommen. Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Durch Feld und Buchenhallen, bald singend, bald fröhlich still, recht lustig sei vor allen, wer's Reisen wählen will. Wenn's kaum im Osten glühte, die Welt noch still und weit: da weht recht durchs Gemüte die schöne Blütenzeit ! Der Lerch' als Morgenbote sich in die Lüfte schwingt, eine frische Reisenote durch Wald und Herz erklingt. O Lust, vom Berg zu schauen weit über Wald und Strom, hoch über sich den blauen tiefklaren Himmelsdom ! Vom Berge Vöglein fliegen und Wolken so geschwind, Gedanken überfliegen die Vögel und den Wind. Die Wolken ziehn hernieder, das Vöglein senkt sich gleich, Gedanken gehn und Lieder fort bis ins Himmelreich. Durch Feld und Buchenhallen, bald singend, bald fröhlich still, recht lustig sei vor allen, wer's Reisen wählen will. Joseph von Eichendorff
Sängers Morgenlied Süßes Licht! Aus goldnen Pforten Brichst du siegend durch die Nacht. Schöner Tag! Du bist erwacht. Mit geheimnisvollen Worten, In melodischen Akkorden Grüß' ich deine Rosenpracht! Ach! der Liebe sanftes Wehen Schwellt mir das bewegte Herz, Sanft, wie ein geliebter Schmerz. Dürft' ich nur auf goldnen Höhen Mich im Morgenduft ergehen! Sehnsucht zieht mich himmelwärts. Und der Seele kühnes Streben Trägt im stolzen Riesenlauf Durch die Wolken mich hinauf. Doch mit sanftem Geisterbeben Dringt das Lied ins inn're Leben, Löst den Sturm melodisch auf. Vor der Augen wird es helle; Freundlich auf der zarten Spur Weht der Einklang der Natur, Und begeistert rauscht die Quelle, Munter tanzt die flücht'ge Welle Durch des Morgens stille Flur. Und von süßer Lust durchdrungen Webt sich zarte Harmonie Durch des Lebens Poesie. Was die Seele tief durchklungen, Was berauscht der Mund gesungen, Glüht in hoher Melodie. Des Gesanges muntern Söhnen Weicht im Leben jeder Schmerz, Und nur Liebe schwellt ihr Herz, In des Liedes Heil'gen Tönen Und im Morgenglanz des Schönen Fliegt die Seele himmelwärts. Theodor Körner (1791-1813)
Nelken wind' ich und Jasmin, und es denkt mein Herz an ihn. Nelken all', ihr flammenroten, die der Morgen mir beschert, zu ihm send' ich euch als Boten jener Glut, die mich verzehrt. Und ihr weißen Blüten wert, sanft mit Düften grüßet ihn, sagt ihm, daß ich bleich vor Sehnen, daß ich auf ihn harr' in Tränen. Nelken wind' ich und Jasmin, und es denkt mein Herz an ihn. Tausend Blumen, tauumflossen, find' ich neu im Tal erwacht; alle sind erst heut' entsprossen, aber hin ist ihre Pracht, wenn der nächste Morgen lacht. Sprich du duftiger Jasmin, sprecht ihr flammenroten Nelken, kann so schnell auch Liebe welken? Ach es denkt mein Herz an ihn! Emanuel von Geibel (1815-1884)
Ferne von der Großen Stadt, Nimm mich auf in deine Stille, Tal, das mit des Frühlings Fülle Die Natur geschmücket hat! Wo kein Lärmen, kein Getümmel Meinen Schlummer kürzer macht, Und ein ewig heitrer Himmel Über sel'gen Fluren lacht! Freuden, die die Ruhe beut, Will ich ungestört hier schmecken, Hier, wo Bläume mich bedecken, Und die Linde Duft verstreut, Diese Quelle sei mein Spiegel, Mein Parkett der junge Klee, Und der frischberas'te Hügel Sei mein grüunes Kanapee. Deiner mütterlichen Spur, Dem Gesetz, das ungerochen Noch kein Sterblicher gebrochen' Will ich folgen, o Natur! Aus dem dunkeln Schoß der Erden, Will ich Freuden mir erzieh'n, Und aus Baum und Blume werden Seligkeiten mir erblüh'n. Karoline Pichler (1769-1843)
Gleich und gleich Ein Blumenglöckchen vom Boden hervor War früh gesprosset in lieblichem Flor; Da kam ein Bienchen und naschte fein: Die müssen wohl beide für einander sein. Johann Wolfgang von Goethe