Das Abendrot Der Abend blüht, Der Westen glüht! Wo bist du, holdes Licht entglommen, Aus welchem Stern herab gekommen? Wie seht so hehr Das düstre Meer, Die Welle tanzt des Glanzes trunken, Und sprüht lust taumelnd Feuerfunken. Ludwig Gotthard Theobul Kosegarten (1758-1818)
Der Morgen Fliegt der erste Morgenstrahl Durch das stille Nebeltal, Rauscht erwachend Wald und Hügel: Wer da fliegen kann, nimmt Flügel! Und sein Hütlein in die Luft Wirft der Mensch vor Lust und ruft: Hat Gesang doch auch noch Schwingen, Nun, so will ich fröhlich singen! Hinaus, o Mensch, weit in die Welt, Bangt dir das Herz in krankem Mut; Nichts ist so trüb in Nacht gestellt, Der Morgen leicht machts wieder gut. Joseph von Eichendorff
Wohin mit der Freud? Ach du klarblauer Himmel, Und wie schön bist du heut'! Möcht' ans Herz gleich dich drücken Voll Jubel und Freud'. Aber 's geht doch nicht an, Denn du bist mir zu weit, Und mit all' meiner Freud' Was fang' ich doch an? Ach du lichtgrüne Welt, Und wie strahlst du voll Lust! Und ich möcht' gleich mich werfen Dir voll Lieb' an die Brust; Aber 's geht doch nicht an, Und das ist ja mein Leid, Und mit all' meiner Freud', Was fang' ich doch an? Und da sah ich mein Lieb Am Kastanienbaum stehn, War so klar wie der Himmel, Wie die Erde so schön, Und wir küßten uns beid', Und wir sangen voll Lust, Und da hab' ich gewußt, Wohin mit der Freud'! Robert Reinick (1805-1852)
Wanderlied Die Lerche singt ihr Morgenlied froh auf dem weiten Feld, bei ihrem hellen Sange zieht der Wandrer durch die Welt. Die Blümlein alle grüßen ihn, die Sonne lacht ihm schön; er soll vergnügt von hinnen ziehn und grüssen Thal und Höhn. Und fröhlich wandert er dahin durch Wald und Feld und Flur und lobt und preist mit frohem Sinn den Schöpfer der Natur. August Ludwig Lua (1819-1876)
Blauer Sommer Ein blauer Sommer glanz- und glutenschwer Geht über Wiesen, Felder, Gärten her. Die Sonnenkrone glüht auf seinen Locken, Sein warmer Atem läutet Blütenglocken. Ein goldnes Band umzieht die blaue Stirne, Schwer aus den Zweigen fällt die reife Frucht Und Sens' und Sichel blitzt auf Flur und Feld, Und rot von Rosen ist die ganze Welt. Karl Busse (1872-1918)
Letzter Sommer Kalt bläst der Wind dem Baum ins Gesicht, flüsternd seine raue Stimme spricht: Der Sommer ist schon lang vorüber, die Tage werden immer trüber. Du wirst den letzten Glanz verlieren, dich wird nicht Blatt und Blüte zieren. Nie mehr wirst du im Glück erstrahlen, sieh deine Äste an, die kahlen. Der Baum sprach: Ja, es geht zur Neige, es schmerzen mich die dürren Zweige. Doch fühl ich tief, ganz tief im Geäst, dass mich die Liebe noch nicht gehen lässt. Der Wind sprach spöttisch, du bist zu alt, morgen schon bist du tot und ganz kalt. Lass deine bunten Blätter fallen, für alles, Baum, muss man bezahlen. Der Baum wiegte sich traurig im Wind: Wie schnell die Jahre vergangen sind! Wo sind sie geblieben, all jene Stunden, da ich dem Leben war verbunden. Wo sind sie hin, die Hoffnung und Glück, es stimmt, sie kommen nie mehr zurück! Es war nie leicht, dies bunte Leben, jetzt will ich mich dem Tod ergeben. Drum blas mir nur kräftig ins Gesicht, meine dunklen Tränen sieht man nicht. Brich mit dem Sturm die letzten Zweige, damit ich verstumme und schweige. Der Wind hat`s in kalter Nacht vollbracht, und als er blies hat leis` er gelacht. Wen kümmert schon dieser alte Baum, den jungen gibt er jetzt neuen Raum... Marianne Ney © 2.11.03
Die Sonne nun ruhet, ihr Licht ist dahin! Schlaf hüllt den Tag ein, die Wiesen dampfen, es geht wie ein Schaudern durch Gurrevangs Wälder. Erinn'rungen zittern auf jedem Blatt, das still sich senkt unter des Taues Bad. Geheimnisvoll in weiße Schleier eingehüllt sind Wiesen und Wälder und Träume. Der Nebel löst sich im Glanz von oben und schwellend wie Wellen wallt er hinweg, da entsteht ein Gedicht in des Waldes dämmerndem Meer! Jelka Rosen (Delius)
Vor der Ernte Nun störet die Ähren im Felde ein leiser Hauch, Wenn eine sich beugt so bebet die andre auch. Es ist als ahnten sie alle der Sichel Schnitt; Die Blumen und fremden Halme erzittern mit. Martin Greif (1839-1911) [pseudonym]
Das Feld ist kahl, auf ferner Höhe glänzet Der blaue Himmel nur, und wie die Pfade gehen Erscheinet die Natur, als Einerlei, das Wehen Ist frisch, und die Natur von Helle nur umkränzet. Der Erde Rund ist sichtbar von dem Himmel Den ganzen Tag, in heller Nacht umgeben Wenn hoch erscheint von Sternen das Gewimmel. Und geistiger das weit gedehnte Leben. Friedrich Hölderlin (1770-1843)
Sommer Wenn im Sommer der rote Mohn wieder glüht im gelben Korn, wenn des Finken süßer Ton wieder lockt im Hagedorn, wenn es wieder weit und breit feierklar und fruchtstill ist, dann erfüllt sich uns die Zeit, die mit vollen Massen misst. Dann verebbt, was uns bedroht, dann verweht, was uns bedrückt, über dem Schlangenkopf der Not ist das Sonnenschwert gezückt. Glaube nur, es wird geschehn! Wende nicht den Blick zurück! Wenn die Sommerwinde wehn, werden wir in Rosen gehn, und die Sonne lacht uns Glück! Bierbaum, Otto (1865-1910)
Viele Blumen tun sich der Sonne auf, doch nur eine folgt ihr immerfort. Herz, sieh die Sonnenblume; nicht bloß offen sein dem Geist, gehorche ihm auch. Paul, Jean (1763-1825)
Vöglein vom Zweig Gaukelt hernieder; Lustig sogleich Schwingt es sich wieder. Jetzt dir so nah, Jetzt sich versteckend; Abermals da, Scherzend und neckend. Tastest du zu, Bist du betrogen, Spottend im Nu Ist es entflogen. Still! Bis zur Hand Wird's dir noch hüpfen, Bist du gewandt, Kann's nicht entschlüpfen. Ist's denn so schwer Das zu erwarten? Schau' um dich her: Blühender Garten! Ei, du verzagst? Laß' es gewähren, Bis du's erjagst, Kannst du's entbehren. Wird's doch auch dann Wenig nur bringen, Aber es kann Süßestes singen. Friedrich Hebbel (1813-1863)
Sonntags am Rhein Des Sonntags in der Morgenstund, Wie wandert's sich so schön Am Rhein, wenn rings in weiter Rund Die Morgenglocken gehn! Ein Schifflein zieht auf blauer Flut, Da singt's und jubelt's drein; Du Schifflein, gelt, das fährt sich gut In all die Lust hinein? Vom Dorfe hallet Orgelton, Es tönt ein frommes Lied, Andächtig dort die Prozession Aus der Kapelle zieht. Und ernst in all die Herrlichkeit Die Burg herniederschaut Und spricht von alter, guter Zeit, Die auf den Fels gebaut. Das alles beut der prächtge Rhein An seinem Rebenstrand, Und spiegelt recht im hellsten Schein Das ganze Vaterland, Das fromme, treue Vaterland In seiner vollen Pracht, Mit Lust und Liedern allerhand Vom lieben Gott bedacht. Robert Reinick (1805-1852)
Der See ruht tief im blauen Traum von Wasserblumen zugedeckt. Ihr Vöglein hoch im Fichtenbaum, Dass ihr mir nicht den Schläfer weckt! Doch leise weht das Schilf und wiegt Das Haupt mit leichtem Sinn, Ein blauer Falter aber fliegt Darüber einsam hin. Julius Mosen (1803-1867)
Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer Vom Meere strahlt; Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer In Quellen malt. Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege Der Staub sich hebt; In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege Der Wandrer bebt. Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen Die Welle steigt. Im stillen Hain da geh ich oft zu lauschen, Wenn alles schweigt. Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne. Du bist mir nah! Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne. O wärst du da! Johann Wolfgang von Goethe
Sommerruh, wie schön bist du! Nachtigallenseelen tragen Ihre weichen süßen Klagen Sich aus dunkeln Lauben zu. Sommerruh, wie schön bist du! Sommerruh, wie schön bist du! Klare Glockenklänge klingen Aus der Lüfte lauen Schwingen Von der mondumblitzten Fluh. Sommerruh, wie schön bist du! Sommerruh, wie schön bist du! Welch ein Leben, himmlisch Weben! Engel durch die Lüfte schweben Ihrer blauen Heimat zu. Sommerruh, wie schön bist du! Christian Konrad Schad (1821-1871)
Die Biene Als Amor in den goldnen Zeiten [size=+1]Verliebt in Schäferlustbarkeiten[/size] [size=+1]Auf bunten Blumenfeldern lief,[/size] [size=+1]Da stach den kleinsten von den Göttern[/size] [size=+1]Ein Bienchen, das in Rosenblättern,[/size] [size=+1]wo es sonst Honig holte, schlief.[/size][size=+1][/size] [size=+1]Durch diesen Stich ward Amor klüger,[/size] [size=+1]der unerschöpfliche Betrüger[/size] [size=+1]Sann einer neuen Kriegslist nach:[/size] [size=+1]Er lauscht in Rosen und Violen;[/size] [size=+1]Und kam ein Mädchen sie zu holen,[/size] [size=+1]Flog er als Bien heraus, und stach.[/size] Lessing, Gotthold Ephraim (1729-1781)
Der Musensohn Durch Feld und Wald zu schweifen, Mein Liedchen wegzupfeifen, So geht's von Ort zu Ort! Und nach dem Takte reget Und nach dem Maß beweget Sich alles an mir fort. Ich kann sie kaum erwarten, Die erste Blum' im Garten, Die erste Blüt' am Baum. Sie grüßen meine Lieder, Und kommt der Winter wieder, Sing ich noch jenen Traum. Ich sing ihn in der Weite, Auf Eises Läng' und Breite, Da blüht der Winter schön! Auch diese Blüte schwindet, Und neue Freude findet Sich auf bebauten Höhn. Denn wie ich bei der Linde Das junge Völkchen finde, Sogleich erreg ich sie. Der stumpfe Bursche bläht sich, Das steife Mädchen dreht sich Nach meiner Melodie. Ihr gebt den Sohlen Flügel Und treibt durch Tal und Hügel Den Liebling weit von Haus. Ihr lieben, holden Musen, Wann ruh ich ihr am Busen Auch endlich wieder aus? Johann Wolfgang von Goethe
Der frohe Wandersmann Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt; Dem will er seine Wunder weisen In Berg und Wald und Strom und Feld. Die Trägen, die zu Hause liegen, Erquicket nicht das Morgenrot, Sie wissen nur von Kinderwiegen, Von Sorgen, Last und Not um Brot. Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt ich nicht mit ihnen singen Aus voller Kehl und frischer Brust? Den lieben Gott lass ich nur walten; Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld Und Erd und Himmel will erhalten, Hat auch mein Sach aufs best bestellt! Josef von Eichendorff
O Täler weit, o Höhen, O schöner, grüner Wald, Du meiner Lust und Wehen Andächtger Aufenthalt! Da draußen, stets betrogen, Saust die geschäftge Welt, Schlag noch einmal die Bogen Um mich, du grünes Zelt! Wenn es beginnt zu tagen, Die Erde dampft und blinkt, Die Vögel lustig schlagen, Daß dir dein Herz erklingt: Da mag vergehn, verwehen Das trübe Erdenleid, Da sollst du auferstehen In junger Herrlichkeit! Da steht im Wald geschrieben Ein stilles, ernstes Wort Von rechtem Tun und Lieben, Und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen Die Worte, schlicht und wahr, Und durch mein ganzes Wesen Wards unaussprechlich klar. Bald werd ich dich verlassen, Fremd in der Fremde gehn, Auf buntbewegten Gassen Des Lebens Schauspiel sehn; Und mitten in dem Leben Wird deines Ernsts Gewalt Mich Einsamen erheben, So wird mein Herz nicht alt. Joseph von Eichendorff