Regenlied Walle, Regen, walle nieder, Wecke mir die Träume wieder, Die ich in der Kindheit träumte, Wenn das Naß im Sande schäumte! Wenn die matte Sommerschwüle Lässig stritt mit frischer Kühle, Und die blanken Blätter tauten, Und die Saaten dunkler blauten. Welche Wonne, in dem Fließen Dann zu stehn mit nackten Füßen, An dem Grase hin zu streifen Und den Schaum mit Händen greifen. Oder mit den heißen Wangen Kalte Tropfen aufzufangen, Und den neuerwachten Düften Seine Kinderbrust zu lüften! Wie die Kelche, die da troffen, Stand die Seele atmend offen, Wie die Blumen, düftertrunken, In dem Himmelstau versunken. Schauernd kühlte jeder Tropfen Tief bis an des Herzens Klopfen, Und der Schöpfung heilig Weben Drang bis ins verborgne Leben. Walle, Regen, walle nieder, Wecke meine alten Lieder, Die wir in der Türe sangen, Wenn die Tropfen draußen klangen! Möchte ihnen wieder lauschen, Ihrem süßen, feuchten Rauschen, Meine Seele sanft betauen Mit dem frommen Kindergrauen. Klaus Groth
Drei Tage Regen fort und fort, Kein Sonnenschein zur Stunde; Drei Tage lang kein gutes Wort Aus meiner Liebsten Munde! Sie trutzt mit mir und ich mit ihr, So hat sie‘s haben wollen; Mir aber nagts am Herzen hier, Das Schmollen und das Grollen. Willkommen denn, des Jägers Lust, Gewittersturm und Regen! Fest zugeknöpft die heiße Brust, Und jauchzend euch entgegen! Nun sitzt sie wohl daheim und lacht Und scherzt mit den Geschwistern; Ich hört in des Waldes Nacht Die alten Blätter flüstern. Nun sitzt sie wohl und weinet laut Im Kämmerlein, in Sorgen; Mir ist es wie dem Wilde traut, In Finsternis geborgen. Kein Hirsch und Rehlein überall! Ein Schuß zum Zeitvertreibe! Gesunder Knall und Widerhall Erfrischt das Mark im Leibe. - Doch wie der Donner nun verhallt In Tälern, durch die Runde, Ein plötzlich Weh mich überwallt, Mir sinkt das Herz zu Grunde. Sie trutzt mit mir und ich mit ihr, So hat sie‘s haben wollen, Mir aber frißts am Herzen hier, Das Schmollen und das Grollen. Und auf! und nach der Liebsten Haus! Und sie gefaßt ums Mieder! »Drück mir die nassen Locken aus, Und küß und hab mich wieder!« Eduard Mörike
Auch kleine Dinge können uns entzücken, Auch kleine Dinge können teuer sein. Bedenkt, wie gern wir uns mit Perlen schmücken; Sie werden schwer bezahlt und sind nur klein. Bedenkt, wie klein ist die Olivenfrucht, Und wird um ihre Güte doch gesucht. Denkt an die Rose nur, wie klein sie ist, Und duftet doch so lieblich, wie ihr wißt. Paul Heyse (1830-1914)
Sängers Morgenlied Süßes Licht! Aus goldnen Pforten Brichst du siegend durch die Nacht. Schöner Tag! Du bist erwacht. Mit geheimnisvollen Worten, In melodischen Akkorden Grüß' ich deine Rosenpracht! Ach! der Liebe sanftes Wehen Schwellt mir das bewegte Herz, Sanft, wie ein geliebter Schmerz. Dürft' ich nur auf goldnen Höhen Mich im Morgenduft ergehen! Sehnsucht zieht mich himmelwärts. Und der Seele kühnes Streben Trägt im stolzen Riesenlauf Durch die Wolken mich hinauf. Doch mit sanftem Geisterbeben Dringt das Lied ins inn're Leben, Löst den Sturm melodisch auf. Vor der Augen wird es helle; Freundlich auf der zarten Spur Weht der Einklang der Natur, Und begeistert rauscht die Quelle, Munter tanzt die flücht'ge Welle Durch des Morgens stille Flur. Und von süßer Lust durchdrungen Webt sich zarte Harmonie Durch des Lebens Poesie. Was die Seele tief durchklungen, Was berauscht der Mund gesungen, Glüht in hoher Melodie. Des Gesanges muntern Söhnen Weicht im Leben jeder Schmerz, Und nur Liebe schwellt ihr Herz, In des Liedes Heil'gen Tönen Und im Morgenglanz des Schönen Fliegt die Seele himmelwärts. Theodor Körner (1791-1813)
Butterblumgelbe Wiesen, sauerampferrot getönt, - o du überreiches Sprießen, wie das Aug dich nie gewöhnt! Wohlgesangdurchschwellte Bäume, wunderblütenschneebereift - ja, fürwahr, ihr zeigt uns Träume, wie die Brust sie kaum begreift. Christian Morgenstern (1871-1914)
Abschied vom Walde O Täler weit, O Höhen, o schöner grüner Wald, du meiner Lust und Wehen andächt'ger Aufenthalt! Da draussen, stets betrogen, saust die geschäft'ge Welt; schlag' noch einmal die Bogen um mich, du grünes Zelt! Im Walde steht geschrieben ein stilles ernstes Wort vom rechten Tun und Lieben, und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen die Worte, schlicht und wahr, und durch mein ganzes Wesen ward's unaussprechlich klar. Da steht im Wald geschrieben ein stilles, ernstes Wort von rechtem Thun und Lieben, und was des Menschen Hort. Ich habe treu gelesen die Worte schlicht und wahr, und durch mein ganzes Wesen ward's unaussprechlich klar. Bald werd' ich dich verlassen, fremd in die Fremde geh'n, auf buntbewegten Gassen des lebens Schauspiel seh'n. Und mitten in dem Leben wird deines Ernst's Gewalt mich Einsamen erheben, so wird mein Herz nicht alt. Joseph von Eichendorff
Frühling schimmert in den Lüften, Gleisset in der Sonne Glanz, Spielt in süßen, lauen Düften, Spielt im wirren Mückentanz. Frühling blüht auf allen Stegen, Jauchzet in der Lerche Lied - Und auf hohen Himmelswegen Er in hellen Wolken zieht. Doch im jungen Menschenherzen Blüht's noch lichter als im Tal, Blüh'n der Liebe süße Schmerzen, Aufgeküßt vom Frühlingsstrahl. Karl Freiherr von Lemayer
Hörst du nicht die Bäume rauschen Draußen durch die stille Rund? Lockts dich nicht, hinabzulauschen Von dem Söller in den Grund, Wo die vielen Bäche gehen Wunderbar im Mondenschein Und die stillen Schlösser sehen In den Fluß vom hohen Stein? Kennst du noch die irren Lieder Aus der alten, schönen Zeit? Sie erwachen alle wieder Nachts in Waldeseinsamkeit, Wenn die Bäume träumend lauschen Und der Flieder duftet schwül Und im Fluß die Nixen rauschen – Komm herab, hier ists so kühl. Joseph von Eichendorff
Still sitz' ich an des Hügels Hang, Der Himmel ist so klar, Das Lüftchen spielt im grünen Tal. Wo ich beim ersten Frühlingsstrahl Einst, ach so glücklich war. Wo ich an ihrer Seite ging So traulich und so nah, Und tief im dunklen Felsenquell Den schönen Himmel blau und hell Und sie im Himmel sah. Sieh, wie der bunte Frühling schon Aus Knosp' und Blüte blickt! Nicht alle Blüten sind mir gleich, Am liebsten pflückt ich von dem Zweig, Von welchem sie gepflückt! Denn alles ist wie damals noch, Die Blumen, das Gefild; Die Sonne scheint nicht minder hell, Nicht minder freundlich schwimmt im Quell Das blaue Himmelsbild. Es wandeln nur sich Will und Wahn, Es wechseln Lust und Streit, Vorüber flieht der Liebe Glück, Und nur die Liebe bleibt zurück, Die Lieb und ach, das Leid. O wär ich doch ein Vöglein nur Dort an dem Wiesenhang Dann blieb ich auf den Zweigen hier, Und säng ein süßes Lied von ihr, Den ganzen Sommer lang. Ernst Konrad Friedrich Schulze (1789-1817)
Durch den Wald, den dunkeln, geht Holde Frühlingsmorgenstunde, Durch den Wald vom Himmel weht Eine leise Liebeskunde. Selig lauscht der grüne Baum, Und er taucht mit allen Zweigen In den schönen Frühlingstraum, In den vollen Lebensreigen. Blüht ein Blümchen irgendwo, Wird's vom hellen Tau getränket, Das versteckte zittert froh, Daß der Himmel sein gedenket. In geheimer Laubesnacht Wird des Vogels Herz getroffen Von der Liebe Zaubermacht, Und er singt ein süßes Hoffen. All' das frohe Lenzgeschick Nicht ein Wort des Himmels kündet, Nur sein stummer, warmer Blick Hat die Seligkeit entzündet. Also in den Winterharm, Der die Seele hielt bezwungen, Ist dein Blick mir, still und warm, Frühlingsmächtig eingedrungen. Nikolaus Lenau (1802-1850)
Also ihr lebt noch, alle, alle, ihr, am Bach ihr Weiden und am Hang ihr Birken, und fangt von neuem an, euch auszuwirken, und wart so lang nur Schlummernde, gleich - mir. Siehe, du Blume hier, du Vogel dort, sieh, wie auch ich von neuem mich erhebe... Voll innern Jubels treib ich Wort auf Wort... Siehe, auch ich, ich schien nur tot. Ich lebe! Christian Morgenstern
An einem lichten Morgen, da klingt es hell im Tal: wach' auf, du liebe Blume, ich bin der Sonnenstrahl! Erschließe mit Vertrauen dein Blütenkämmerlein und laß die heiße Liebe in's Heiligtum hinein. Ich will ja nichts verlangen als liegen dir im Schoß und deine Blüte küssen, eh' sie verwelkt im Moos. Ich will ja nichts begehren als ruh'n an deiner Brust und dich dafür verklären mit sonnenheller Lust. Hermann Rollett (1819-1904)
Wie herrlich leuchtet Mir die Natur! Wie glänzt die Sonne! Wie lacht die Flur! Es dringen Blüten Aus jedem Zweig Und tausend Stimmen Aus dem Gesträuch Und Freud' und Wonne Aus jeder Brust. O Erd', o Sonne! O Glück, o Lust! O Lieb', o Liebe! So golden schön, Wie Morgenwolken Auf jenen Höhn! Du segnest herrlich Das frische Feld, Im Blütendampfe Die volle Welt. O Mädchen, Mädchen, Wie lieb' ich dich! Wie blickt dein Auge! Wie liebst du mich! So liebt die Lerche Gesang und Luft, Und Morgenblumen Den Himmelsduft, Wie ich dich liebe Mit warmem Blut, Die du mir Jugend Und Freud' und Mut Zu neuen Liedern Und Tänzen gibst. Sei ewig glücklich, Wie du mich liebst! Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Ins Grüne, ins Grüne, Da lockt uns der Frühling, der liebliche Knabe, Und führt uns am blumenumwundenen Stabe Hinaus, wo die Lerchen und Amseln so wach, In Wälder, auf Felder, auf Hügel zum Bach, Ins Grüne, ins Grüne. Im Grünen, im Grünen, Da lebt es sich wonnig, da wandeln wir gerne Und heften die Augen dahin schon von ferne, Und wie wir so wandeln mit heiterer Brust, Umwallet uns immer die kindliche Lust, Im Grünen, im Grünen. Im Grünen, im Grünen, Da ruht man so wohl, empfindet so Schönes, Und denket behaglich an dieses und jenes, Und zaubert von hinnen, ach, was uns bedrückt, Und alles herbei, was den Busen entzückt, Im Grünen, im Grünen. Johann Anton Friedrich Reil (1773-1843)
Wie wundersam ist doch ein Hügel, der sich ans Herz der Sonne legt, indes des Winds gehaltner Flügel des Gipfels Gräser leicht bewegt. Mit buntem Faltertanz durchwebt sich, von wilden Bienen singt die Luft, und aus der warmen Erde hebt sich ein süßer, hingegebner Duft. Christian Morgenstern (1871-1914)
Vom Grund bis zu den Gipfeln, Soweit man sehen kann, Jetzt blühts in allen Wipfeln, Nun geht das Wandern an: Die Quellen von den Klüften, Die Ström auf grünem Plan, Die Lerchen hoch in Lüften, Der Dichter frisch voran. Und die im Tal verderben In trüber Sorgen Haft, Er möcht sie alle werben Zu dieser Wanderschaft. Und von den Bergen nieder Erschallt sein Lied ins Tal, Und die zerstreuten Brüder Faßt Heimweh allzumal. Da wird die Welt so munter Und nimmt die Reiseschuh, Sein Liebchen mitten drunter Die nickt ihm heimlich zu. Und über Felsenwände Und auf dem grünen Plan Das wirrt und jauchzt ohn Ende - Nun geht das Wandern an! Joseph von Eichendorff
Daß gestern eine Wespe Dich in den Finger stach, Sei darob nicht verdrießlich Und trag es ihr nicht nach. Die Wespen waren immer Ein friedliches Geschlecht, Sie naschen nur gern Süßes Und darin tun sie recht. Unbekannter Dichter