Der Frühling Es lockt und säuselt um den Baum: Wach auf aus deinem Schlaf und Traum, Der Winter ist zerronnen. Da schlägt er frisch den Blick empor, Die Augen sehen hell hervor Ans goldne Licht der Sonnen. Es zieht ein Wehen sanft und lau, Geschaukelt in dem Wolkenbau Wie Himmelsduft hernieder. Da werden alle Blumen wach, Da tönt der Vögel schmelzend Ach, Da kehrt der Frühling wieder. Es weht der Wind den Blütenstaub Von Kelch zu Kelch, von Laub zu Laub, Durch Tage und durch Nächte. Flieg auch, mein Herz, und flattre fort, Such hier ein Herz und such es dort, Du triffst vielleicht das Rechte. Jean Baptiste Rousseau (1671-1741)
Osterspaziergang (z.Zt. Goethes) Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden, belebenden Blick, Im Tale grünet Hoffnungsglück; Der alte Winter, in seiner Schwäche, Zog sich in rauhe Berge zurück. Von dort her sendet er, fliehend, nur Ohnmächtige Schauer körnigen Eises In Streifen über die grünende Flur. Aber die Sonne duldet kein Weißes, Überall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben; Doch an Blumen fehlts im Revier, Sie nimmt geputzte Menschen dafür. Kehre dich um, von diesen Höhen Nach der Stadt zurück zu sehen! Aus dem hohlen finstern Tor Dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, Denn sie sind selber auferstanden: Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straßen quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht. Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge Durch die Gärten und Felder zerschlägt, Wie der Fluß in Breit und Länge So manchen lustigen Nachen bewegt, Und, bis zum Sinken überladen, Entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfs Getümmel, Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein: Hier bin ich Mensch, hier darf ichs sein! (Johann Wolfgang von Goethe, Faust I)
Blumenlied Es ist ein halbes Himmelreich, Wenn, Paradiesesblumen gleich, Aus Klee die Blumen dringen; Und wenn die Vögel silberhell Im Garten hier, und dort am Quell, Auf Blütenbäumen singen. Ludwig Heinrich Christoph Hölty (1748-1776)
Lerchengesang Ätherische ferne Stimmen, Der Lerchen himmlische Grüße, Wie regt ihr mir so süße Die Brust, ihr lieblichen Stimmen! Ich schließe leis mein Auge, Da ziehn Erinnerungen In sanften Dämmerungen Durchweht vom Frühlingshauche. Karl August Candidus (1817-1872)
Ich ging mit Lust durch einen grünen Wald, Ich hört' die Vöglein singen; Sie sangen so jung, sie sangen so alt, Die kleinen Waldvögelein im grünen Wald! Wie gern hört' ich sie singen! (Aus des Knaben Wunderhorn von Gustav Mahler)
Zwei Tannenwurzeln groß und alt unterhalten sich im Walde. Was droben in den Wipfeln rauscht, das wird hier unten ausgetauscht. Ein altes Eichhorn sitzt dabei und strickt wohl Strümpfe für die zwei. Die eine sagt: knig. Die andre sagt: knag. Das ist genug für einen Tag. von Christian Morgenstern
Erinnerung Lindes Rauschen in den Wipfeln, Vöglein, die ihr fernab fliegt, Bronnen von den stillen Gipfeln, Sagt, wo meine Heimat liegt? Heut im Traum sah ich sie wieder, Und von allen Bergen ging Solches Grüssen zu mir nieder, Dass ich an zu weinen fing. Ach, hier auf den fremden Gipfeln: Menschen, Quellen, Fels und Baum, Wirres Rauschen in den Wipfeln, - Alles ist mir wie ein Traum. Joseph von Eichendorff
Täglich zu singen Ich danke Gott und freue mich Wie's Kind zur Weihnachtsgabe, Daß ich hier bin! Und daß ich dich Schön menschlich Antlitz habe. Daß ich die Sonne, Berg und Meer, Und Laub und Gras kann sehen Und abends unterm Sternenheer Und lieben Monde gehen. Gott gebe mir nur jeden Tag. So viel ich darf zum Leben, Er gibt's dem Sperling auf dem Dach; Wie sollt' er's mir nicht geben! Matthias Claudius (1740-1815)
O Frühlingsabenddämmerung! O laues, lindes Weh'n, Ihr Blütenbäume, sprecht, was tut ihr so zusammensteh'n? Vertraut Ihr das Geheimnis Euch Von uns'rer Liebe süß? Was flüstert Ihr einander zu Von uns'rer Liebe süß? Karl August Candidus (1817-1872)
Frühlingsglaube Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und wehen Tag und Nacht, Sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang! Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles wenden. Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden; Es blüht das fernste, tiefste Tal: Nun, armes Herz, vergiß der Qual! Nun muß sich alles, alles wenden. Ludwig Uhland (1787-1862)
Das Blümchen Ein Blümchen schläft im Garten tief in der Erde Schoß. Der Regen klopft und weckt es: Wach auf und werde groß! Das Blümchen reckt und schreckt sich, wächst hoch und schlank hinauf! Die Sonne kommt und wärmt es, bald blüht sein Hütchen auf. Da freut sich unser Blümchen, Es wiegt sich froh im Wind und schwenkt sein gelbes Hütchen und grüßt ein jedes Kind. Anne Geelhaar
Alte Liebe Es kehrt die dunkle Schwalbe Aus fernem Land zurück, Die frommen Störche kehren Und bringen neues Glück. An diesem Frühlingsmorgen, So trüb' verhängt und warm, Ist mir, als fänd' ich wieder Den alten Liebesharm. Es ist als ob mich leise Wer auf die Schulter schlug, Als ob ich säuseln hörte, Wie einer Taube Flug. Es klopft an meine Türe, Und ist doch niemand draus; Ich atme Jasmindüfte, Und habe keinen Strauß. Es ruft mir aus der Ferne, Ein Auge sieht mich an, Ein alter Traum erfaßt mich Und führt mich seine Bahn. Karl August Candidus (1817-1872)
An dem reinsten Frühlingsmorgen Ging die Schäferin und sang, Jung und schön und ohne Sorgen, Daß es durch die Felder klang: So lalalera lalala, Laleralalala la! Thyrsis bot ihr für ein Mäulchen Zwei, drei Schäfchen gleich am Ort. Schalkhaft blickte sie ein Weilchen; Doch sie sang und lachte fort: So lalalera lalala, Laleralalala la! Und ein andrer bot ihr Bänder, Und der dritte bot sein Herz; Doch sie trieb mit Herz und Bändern So wie mit den Lämmern Scherz: So lalalera lalala, Laleralalala la! Johann Wolfgang von Goethe
Alle gute Gabe Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen steht in des Himmels Hand; der tut mit leisem Wehen sich mild und heimlich auf und träuft, wenn heim wir gehen, Wuchs und Gedeihen drauf. Er sendet Tau und Regen und Sonn und Mondenschein und wickelt seinen Segen gar zart und künstlich ein und bringt ihn dann behende in unser Feld und Brot; es geht durch unsre Hände, kommt aber her von Gott. Was nah ist und was ferne, von Gott kommt alles her, der Strohhalm und die Sterne, das Sandkorn und das Meer. Von ihm sind büsch und Blätter und Korn und Obst, von ihm das schöne Frühlingswetter und Schnee und Ungestüm. Er läßt die Sonn aufgehen, er stellt des Mondes Lauf; er läßt die Winde wehen und tut die Wolken auf. Er schenkt uns so viel Freude, er macht uns frisch und rot; er gibt dem Viehe Weide und seinen Menschen Brot. Matthias Claudius
Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt; Dem will er seine Wunder weisen In Berg und Wald und Strom und Feld. Die Trägen, die zu Hause liegen, Erquicket nicht das Morgenrot, Sie wissen nur von Kinderwiegen, Von Sorgen, Last und Not um Brot. Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt ich nicht mit ihnen singen Aus voller Kehl und frischer Brust? Den lieben Gott lass ich nur walten; Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld Und Erd und Himmel will erhalten, Hat auch mein Sach aufs best bestellt! Joseph von Eichendorff
Der wandernde Student Bei dem angenehmsten Wetter Singen alle Vögelein, Klatscht der Regen auf die Blätter, Sing ich so für mich allein. Denn mein Aug kann nichts entdecken, Wenn der Blitz auch grausam glüht, Was im Wandern könnt erschrecken Ein zufriedenes Gemüt. Frei von Mammon will ich schreiten Auf dem Feld der Wissenschaft, Sinne ernst und nahm zu Zeiten Einen Mund voll Rebensaft. Bin ich müde vom Studieren, Wann der Mond tritt sanft herfür, Pfleg ich dann zu musizieren Vor der Allerschönsten Tür. Joseph von Eichendorff
Leise zieht durch mein Gemüt liebliches Geläute. Klinge, kleines Frühlingslied, kling hinaus ins Weite ! Kling hinaus bis an das Haus, wo die Blumen sprießen. Wenn du eine Rose schaust, sag, ich laß sie grüßen. Heinrich Heine
April Leichtsinnig, launig, neckisch, ausgelassen, Wandl ich in jeder Stunde Leib und Sinn: Kaum weiß ich selbst, wie ich beschaffen bin, Wie sollen mich die fremden Leute fassen? Hier werf ich einen Schneeball durch die Gassen, Dort schweb ich blau in jungen Düften hin, Bald streich ich sanft der Schönen weiches Kinn, Bald sagen sie, ich wäre grob im Spaßen. Gern wollt ich dir noch Vieles von mir sagen, Doch drückt mich des Sonettes enges Band, Das mir die Muse um den Mund geschlagen. Sie sprach: Ich kenne dich als ungezogen, Und jener Herr hat in dem welschen Land Der besten Sitt als Kavalier gepflogen. Wilhelm Müller
Ach du klarblauer Himmel, Und wie schön bist du heut'! Möcht' ans Herz gleich dich drücken Voll Jubel und Freud'. Aber 's geht doch nicht an, Denn du bist mir zu weit, Und mit all' meiner Freud' Was fang' ich doch an? Ach du lichtgrüne Welt, Und wie strahlst du voll Lust! Und ich möcht' gleich mich werfen Dir voll Lieb' an die Brust; Aber 's geht doch nicht an, Und das ist ja mein Leid, Und mit all' meiner Freud', Was fang' ich doch an? Und da sah ich mein Lieb Am Kastanienbaum stehn, War so klar wie der Himmel, Wie die Erde so schön, Und wir küßten uns beid', Und wir sangen voll Lust, Und da hab' ich gewußt, Wohin mit der Freud'! Robert Reinick (1805-1852)
Glück Wie jauchzt meine Seele Und singet in sich! Kaum, daß ichs verhehle, So glücklich bin ich. Rings Menschen sich drehen Und sprechen gescheut, Ich kann nichts verstehen, So fröhlich zerstreut. – Zu eng wird das Zimmer, Wie glänzet das Feld, Die Täler voll Schimmer, Weit herrlich die Welt! Gepreßt bricht die Freude Durch Riegel und Schloß, Fort über die Heide! Ach, hätt ich ein Roß! – Und frag ich und sinn ich, Wie so mir geschehn?:- Mein Liebchen herzinnig, Das soll ich heut sehn. Matthias Claudius