Herbstgedichte

Dieses Thema im Forum "Kaffeeklatsch" wurde erstellt von Gerlinde, 12. September 2003.

  1. Neli

    Neli Optimistin

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    Herbstnebel

    Herbstnebel wallen bläulich überm See;
    Vom Reif bezogen stehen alle Gräser;
    Man meint, ein Künstler habe Staub von Jade
    Über die feinen Blüten ausgestreut.
    Der süsse Duft der Blumen ist verflogen;
    Ein kalter Wind beugt ihre Stengel nieder.
    Bald werden die verwelkten, gold'nen Blätter
    Der Lotosblüten auf dem Wasser zieh'n.

    Aus dem Lied von der Erde (mach Chang-Tsi)
     

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  2. Neli

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    Oktoberlied

    Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
    Schenk ein den Wein, den holden!
    Wir wollen uns den grauen Tag
    Vergolden, ja vergolden

    Und geht es draußen noch so toll,
    Unchristlich oder christlich,
    Ist doch die Welt, die schöne Welt,
    So gänzlich unverwüstlich!

    Und wimmert auch einmal das Herz -
    Stoß an und laß es klingen .
    Wir wissen's doch, ein rechtes Herz
    Ist gar nicht umzubringen.

    Der Nebel steigt, es fällt das Laub;
    Schenk ein den Wein, den holden!
    Wir wollen uns den grauen Tag
    Vergolden, ja vergolden!

    Wohl ist es Herbst; doch warte nur,
    Doch warte nur ein Weilchen!
    Der Frühling kommt, der Himmel lacht,
    Es steht die Welt in Veilchen.

    Die blauen Tage brechen an,
    Und ehe sie verfließen,
    Wir wollen sie, mein wackrer Freund,
    Genießen, ja genießen!

    Theodor Storm
     

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  3. Neli

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    Allerheiligen

    Wieder so ein Trauertag,
    da geht zum Friedhof, wer es mag,
    um der lieben Verstorbenen zu gedenken
    und ihnen ein Blümchen fürs Grab zu schenken.

    Ganz leise weht der Wind,
    an der Hand der Freundin hüpft ihr Enkelkind.
    Aber plötzlich kommt ein Regen auf,
    die Trauer nimmt jetzt ihren Lauf.

    Am Grab stehen wir dann ganz betreten,
    endlich können wir für die Verstorbene beten.
    Wir können die Trauer auch wieder überwinden,
    wenn wir eine wärmende Kerze anzünden.

    Wie schön, dass wir so liebevoll der Toten gedenken
    und dass wir sie können mit Blumen beschenken.

    Neli
     

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  4. Neli

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    Wolken

    Wolken, leise Schiffe, fahren
    über mir und rühren mich
    mit den zarten, wunderbaren
    Farbenschleiern wunderlich.

    Aus der blauen Luft entquollen,
    eine farbig, schöne Welt,
    die mich mit geheimnisvollen
    Reizen oft gefangen hält.

    Leichte, lichte, klare Schäume,
    alles Irdischen befreit,
    ob ihr schöne Heimwehträume
    der befleckten Erde seid?

    - H. Hesse (August 1904)
     

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  5. Sunflower

    Sunflower Neues Mitglied

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    Hallo ihr Lieben!!!

    Vor ein paar Tagen habe ich von meiner Tante ein Buch geschenkt bekommen, in dem Gedichte sind, die eine Hunsrückerin geschrieben hat. Natürlich ist alles im tiefsten Platt verfasst!!! Ich habe nun, als ich dieses Thema entdeckt habe, noch eimal nachgesehen, ob ich auch ein passendes Gedicht zum Herbst finde. Siehe da - ich wurde fündig. So, nun aber lange genug herumgeredet... Ich will es euch ja schließlich nicht noch länger vorenthalten...

    Herebschd

    E Herebschd wie im Bilderbuch,
    wer wollt meer dat bestreite.
    Die Trauwe harre Sunn genuch,
    konnt gurer Wein drauß reife.

    Die Kumbeere sinn ausgemach,
    die Äbbel sinn gebroch;
    die Gwetscheschmeer is iingekocht,
    wat wolle meer dann noch!

    Geranie hott de Froschd gehuult,
    Aschtere sinn verblieht.
    Naachts freert's unn morjens is'd gereift,
    Ostluft singt ehr kalt Lied.

    Holz far de Winter is gespalt,
    jetzt kann ma wiere scheere
    unn hott ma warem in de Stu,
    kann än kää Wääre steere!

    (Elfriede Karsch)

    Ich hoffe, dass ihr dieses Gedicht überhaupt verstehen könnt, denn ich muss zugeben, dass ich bei vielen "Wörtern", die in dem besagten Buch verwendet werden, selbst ziemlich lange überlegen muss, was sie bedeuten... Manchmal gelingt es mir trotz allem nicht, alles zu verstehen...

    LG
    Ramona
     
    #45 2. November 2003
    Zuletzt bearbeitet: 19. Dezember 2007
  6. Wolf_55

    Wolf_55 Guest

    Übersetzung

    Hallo Sunflower!

    Könnte ja sein, daß es doch einige gibt,

    die unseren Dialekt nicht verstehen. Hier die Übersetzung. :D

    Herbst!

    Ein Herbst wie im Bilderbuch,
    wer will mir das bestreiten
    Die Trauben hatten Sonne genug,
    ‚konnt guter Wein ‚draus reifen.

    Kartoffel, sie sind ausgemacht,
    die Äpfel sind gebroch‘,
    die Marmelad‘ ist eingekocht,
    was wollen wir dann noch.

    Geranien hat der Frost geholt,
    die Astern sind verblüht.
    Nachts gibt’s Frost, am Morgen Reif,
    die Ostluft singt ihr Lied.

    Holz für den Winter ist gespalten,
    jetzt kann man wieder schüren,
    und hat man’s warm, in der Stub‘,
    kann uns kein Wetter stören.


    Gruß Wolf
     
    #46 2. November 2003
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 2. November 2003
  7. Neli

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    Im Herbst

    Der Wald wird falb, die Blätter fallen,
    Wie öd und still der Raum!
    Die Bächlein nur gehn durch die Buchenhallen
    Lind rauschend wie im Traum,
    Und Abendglocken schallen
    Fern von des Waldes Saum.

    Was wollt ihr mich so wild verlocken
    In dieser Einsamkeit?
    Wie in der Heimat klingen diese Glocken
    Aus stiller Kinderzeit -
    Ich wende mich erschrocken,
    Ach, was mich liebt, ist weit!

    So brecht hervor nur, alte Lieder,
    Und brecht das Herz mir ab!
    Noch einmal grüß ich aus der Ferne wieder,
    Was ich nur Liebes hab,
    Mich aber zieht es nieder
    Vor Wehmut wie ins Grab.
    (Joseph von Eichendorff)
     

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  8. Neli

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    Herbstrose

    Nun laß den Sommer gehen,
    Laß Sturm und Winde wehen.
    Bleibt diese Rose mein,
    Wie könnt ich traurig sein?

    Joseph Freiherr von Eichendorff
     

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  9. Neli

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    Sonniger Herbsttag

    Abschiedshauch durchweht die Lüfte,
    Letzte Farben, letzte Düfte,
    Und ein letzter holder Klang. -
    Wo sind jene schönen Tage,
    Da aus jedem Blütenhage
    Tönte Nachtigallensang?

    Zwar noch blüht die letzte Rose,
    Doch die bleiche Herbstzeitlose
    Schimmert schon im Wiesengrün;
    Sie verschlief das beste Wetter
    Und nun kommt sie ohne Blätter
    Sich beizeit noch auszublühn.

    Träumerisch in sich versunken
    Und wie von Erinnrung trunken
    Liegt die Welt so blau und weit,
    Sehnsuchtsvoll, mit sanfter Klage,
    Still gedenkend goldner Tage
    Und der schönen Rosenzeit!

    Heinrich Seidel
     

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  10. Neli

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    O wie schön

    O wie schön ist deine Welt,
    Vater, wenn sie golden strahlet!
    Wenn dein Glanz herniederfällt
    Und den Staub mit Schimmer malet,
    Wenn das Rot, das in der Wolke blinkt,
    In mein stilles Fenster sinkt!

    Karl Gottlieb Lappe
     

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  11. Neli

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    O wunderbares tiefes Schweigen

    Oh wunderbares, tiefes Schweigen,
    wie einsam ist`s doch auf der Welt!
    Die Wälder nur sich leise neigen,
    als ging der Herr durchs stille Feld.

    Ich fühl mich recht wie neu erschaffen.
    Wo ist die Sorge, wo die Not?
    Was mich noch gestern wollt erschlaffen-
    ich schäm mich des im Morgenrot.

    Die Welt mit ihrem Gram und Glücke
    will ich,ein Pilger, frohbereit
    betreten nur wie eine Brücke
    zu Dir, Herr, übern Strom der Zeit.

    Joseph von Eichendorff
     

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  12. Neli

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    Herbst

    Seht nur, wie die Blätter fliegen,
    wie sie sich in den Bäumen wiegen,
    dieses Schauspiel bekommt ihr jetzt zu sehn,
    ihr müsst nur in die Natur hinausgehn.

    Und was macht uns denn der Wind,
    wenn wir warm angezogen sind?
    Ihr werdet es sehn,
    jetzt ist der Herbst besonders schön.

    So herrliche Farben in allen Bäumen,
    davon kann man noch nicht einmal träumen,
    bald ziehen die Bäume sich in sich zurück,
    aber der Frühling bringt wieder neue Blätter und neues Glück!

    Neli
     

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    Novembertag

    Für Augenblicke schweigt die Ferne mir,
    und alle Berge leuchten
    bläulich herüber aus der feuchten
    Novemberluft in junger, weißer Zier.
    Die blanken Gipfel stehen,
    wie ich in guter Zeit
    sie oft voll Lust gesehen
    und weit hinunter frisch verschneit.
    Kein Mensch ringsum, die Herden sind im Tal,
    verlassene Weiden schweigen winterkahl.

    Auf kühler Rast meß ich die Ferne
    mit ruhigem Blick, und sehe Abendblau,
    und ahne hinterm Grat die ersten Sterne,
    und wittre atmend nahen Reif und Tau.
    Da mit dem Abendschauer
    kommt mir Erinnerung zurück
    und Zorn und Leid und tiefe Trauer
    ade, mein Wanderglück!

    Hermann Hesse
     

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  14. Neli

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    Welkes Blatt

    Jede Blüte will zur Frucht,
    Jeder Morgen Abend werden,
    Ewiges ist nicht auf Erden
    Als der Wandel, als die Flucht.

    Auch der schönste Sommer will
    Einmal Herbst und Welke spüren.
    Halte, Blatt, geduldig still,
    Wenn der Wind dich will entführen.

    Spiel dein Spiel und wehr dich nicht,
    Lass es still geschehen.
    Lass vom Winde, der dich bricht,
    Dich nach Hause wehen.

    (Hermann Hesse)
     

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  15. Neli

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    Herbst

    Astern blühen schon im Garten,
    Schwächer trifft der Sonnenpfeil.
    Blumen, die den Tod erwarten
    Durch des Frostes Henkerbeil.

    Brauner dunkelt längst die Heide,
    Blätter zittern durch die Luft.
    Und es liegen Wald und Weide
    Unbewegt in blauem Duft.

    Pfirsich an der Gartenmauer,
    Kranich auf der Winterflucht.
    Herbstes Freuden, Herbstes Trauer,
    Welke Rosen, reife Frucht.

    Detlev Freiherr von Liliencron (1844-1909)
     

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    Spätherbst

    Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün,
    Reseden und Astern im Verblühn,
    Die Trauben geschnitten,
    der Hafer gemäht,
    Der Herbst ist da,
    das Jahr wird spät.

    Und doch (ob Herbst auch)
    die Sonne glüht.
    Weg drum mit der Schwermut
    aus deinem Gemüt!
    Banne die Sorge,
    genieße, was frommt,
    Eh Stille, Schnee und Winter kommt.

    Theodor Fontane
     

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  17. Neli

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    Herbst

    Traum liegt über den Gärten
    Stille webt goldene Töne
    Ein Hauch von Duft
    trägt letzte Schmetterlinge

    Sonne liebkost Blüten
    Farben werden zu Lichtern.
    Vögel ziehen in blaue Fernen.

    Abschied flüstern die Bäume.
    Die Blätter erbleichen
    Das Herz schlägt beklommen.

    Maria Holschuh

    Der Schmetterling wurde von Monsti aufgenommen
     

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    Laterne, Laterne

    Laterne, Laterne!
    Sonne, Mond und Sterne,
    Die doch sonst am Himmel stehn,
    Lassen heut sich nimmer sehn;
    Zwischen Wasserreih und Schloß
    Ist die Finsternis so groß,
    Gegen Löwen rennt man an,
    Die man nicht erkennen kann!

    Kleine freundliche Latern',
    Sei du Sonne nun und Stern:
    Sei noch oft der Lichtgenoß
    Zwischen Wasserreih und Schloß
    Oder - dies ist einerlei -
    Zwischen Schloß und Wasserreih!

    Theodor Storm
     

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    Wünschelrute

    Schläft ein Lied in allen Dingen,
    Die da träumen fort und fort,
    Und die Welt hebt an zu singen,
    Triffst du nur das Zauberwort.

    Joseph von Eichendorff
     

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  20. Neli

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    Herbst

    Herbst
    Ich hielt ihn für ein welkes Blatt
    im Aufwind
    Dann auf der Hand:
    ein gelber Schmetterling

    Es wird nicht länger dauern
    als ein Blatt
    das fallen muß
    in diesem großen Herbst

    (und ich nicht länger
    als ein gelber Falter
    in deiner Liebe großer Flut
    und Ebbe)

    und flattert doch
    und streichelt meine Hand
    auf der er sich bewegt
    und weiß es nicht.

    Erich Fried
     

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