Hat jemand den Bericht gesehen?

Dieses Thema im Forum "Allgemeines und Begleiterkrankungen" wurde erstellt von sunnysan, 14. Juni 2007.

  1. Susanne L.

    Susanne L. Mitglied

    Registriert seit:
    13. August 2006
    Beiträge:
    457
    Ort:
    Sachsen
    Hallo,

    hier sind die "Beweggründe", zu denen es aus meiner Sicht nichts hinzuzufügen gibt:


    Frontal 21: Krawalljournalismus statt seriöser Berichterstattung


    Autor:
    Hellas
    Datum:
    12.06.2007, 21:34 Uhr
    Man soll den Glauben an das Gute im Menschen ja nicht verlieren, aber manchmal fällt es schwer: Ende vorletzter Woche hatte die Redaktion von Frontal 21 in Form des Redakteurs Esser bei mir angefragt, ob ich einen zwei Jahre alten Beitrag in einem Leserforum von facharzt.de vor der Kamera kommentieren wolle. Dieser Beitrag stammte aus einer intensiven Diskussion aus dem Herbst 2005, als die massiven Proteste der Ärzte gerade begannen. Ich nahm zu dem Beitrag am Telefon ausführlich Stellung – und bot an, in der Sendung live und ungeschnitten für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen.

    Live im Studio deshalb, weil ich ungern Halbsätze von mir mit anderen aus dem Zusammenhang gerissenen Formulierungen zu etwas zusammengemischt haben wollte, was vielleicht die Meinung eines Redakteurs wiedergibt, aber mit meiner Einstellung nichts zu tun hat. Ich hatte der Redaktion deshalb im Vorfeld angeboten, dafür sehr gern für ein Interview zur Verfügung zu stehen – aber ungeschnitten und live in der Sendung. Warum die Redaktion nun einen Mix aus zusammengesuchten Fragmenten gesendet hat, muss sie selbst beantworten. Für mich ist das übler und gewollter Krawalljournalismus, den man eher bei Groschenblättern vermuten würden, aber nicht bei einer aus öffentlichen Geldern finanzierten Sendeanstalt, nach dem Motto: Gibt es keinen Skandal, über den wir berichten können, so inszenieren wir einen.

    Das war aber scheinbar nicht das, was die Redaktion wollte: Am Dienstag stand unangemeldet ein Kamerateam mitten in meiner Praxis und ließ mich aus dem Operationssaal holen. Gute seriöse Recherche sieht meiner Ansicht nach anders aus, zumal ich eine prinzipielle Interviewzusage gegeben hatte.

    Zu meiner Person ein paar Informationen (die ich, wie das meiste nachfolgende, natürlich auch der Redaktion zur Verfügung gestellt habe): Ich bin vor ca. 30 Jahren in der Begeisterung als Arzt nach Deutschland gekommen, den Menschen hier die Spitzenmedizin zu geben, die sie brauchen, ohne die finanziellen Unterschiede zwischen arm und reich beachten zu müssen, die es damals in meinem Heimatland Griechenland gab. Wer dort Geld hatte, bekam Spitzenmedizin – die anderen mussten sehen, wie sie irgendwie durchkamen, oder eben auch nicht.

    Diese Klassentrennung vor dem Arzt konnte ich vor meinem Gewissen nicht akzeptieren und bin deshalb nach Deutschland ausgewandert. Leider muss ich mittlerweile in einem System arbeiten, in dem der Gesetzgeber genau diese Zweiklassenmedizin befiehlt. Ulla Schmidts Gesundheitsreform ist an uns Ärzte die klare Aufforderung, bei Kassenpatienten zu rationieren und diese als Patienten zweiter Klasse zu behandeln.

    Im Sozialgesetzbuch V, §12, untersagt der Gesetzgeber dem Arzt, die ärztliche Leistung am Optimum zu orientieren. Die Note 1 (sehr gut) ist für Kassenpatienten vom Gesetzgeber nicht vorgesehen, für diese reicht „ausreichend“: Note vier. Dabei darf man nicht vergessen, dass dieser Patient als Pflichtmitglied der Krankenkassen keine Chance hat, an die Note 1 der Medizin zu kommen, da er mit seinem Beitrag an diese Kasse gebunden ist und nicht zur privaten Versicherung wechseln darf.

    Diese Tatsache kann ich mit meiner Berufsethik nicht stumm akzeptieren, ich möchte den Patienten genau so behandeln, wie ich selbst als Patient behandelt werden will, mit der Note "sehr gut"! Ich möchte, dass er, so wie ich, wenn er krank ist, in der ersten Klasse der ärztlichen Leistungen fährt und die Spitzenmedizin ohne Wartezeiten und Demütigungen genießt!

    Trotz aller durch die Politik und die knauserigen Kassen verursachten Defizite versuchen wir Ärzte, unter immer schlechteren Bedingungen jeden Tag auch Kassenpatienten so zu behandeln, dass irgendwie etwas ähnliches wie die Note 1 erreicht wird. Dabei zahlen wir aber zunehmend drauf und das geht nicht.

    Auch Sie, lieber Leser, können das Geld nicht zur Arbeit mitbringen. Spitzenmedizin lässt sich keineswegs durch die Ärzteschaft auf deren Kosten finanzieren. Die ärztliche Arbeit muss bezahlt werden und dafür ist reichlich Geld in den Kassen. Reichlich, wenn es sinnvoll ausgegeben würde – und nicht für Glaspaläste, Vorstandslimousinen mit Chauffeur, Kreuzfahrten und andere Schickimicki-Werbeangebote der Kassen verprasst wird. Damit könnte das Elend der Zweiklassenmedizin, die heute durch den Willen des Gesetzgebers die Realität in Deutschland ist, endlich weitgehend abgeschafft werden.

    Ich persönlich versuche diese Zweitklassigkeit, soweit es geht, in der Praxis zu vermeiden. Seit 15 Jahren niedergelassen, bin ich rund um die Uhr für die Kranken erreichbar. Auch am Wochenende, nachts und feiertags kann mich jeder Patient im Notfall erreichen, unabhängig von meiner Beteiligung an den Notdiensten meines KV Gebietes. Auch bei der Terminvergabe gibt es bei mir keine Unterschiede zwischen Kasse oder Selbstzahler, der Zugang ist für alle gleich, der Notfall kann sofort jederzeit kommen.

    Ich frage mich jedoch, wie lange kann ich mir unter den dramatischen Finanzierungsumständen meine Dienstbereitschaft in dieser Form noch leisten?
    Das durchschnittliche Regelleistungsvolumen als Chirurg in Hessen liegt bei 25 bis 30 Euro, d.h. dafür wird ein Kassenpatient ein Quartal (drei Monate!) lang chirurgisch mit allem drum und dran (Untersuchungen, Röntgen, Beratungen, Ultraschall, Operationen, Nachbehandlungen, Mehrfachbehandlungen, Notfallbehandlungen, Schreibkram für Kassen und Arbeitgeber, Rentenanträge usw.) von mir bedient. Versuchen Sie einmal, für diesen Betrag einen Schlüsseldienst oder auch nur ein Taxi zu bekommen!

    Allein mit der Anfertigung einer einzigen Röntgenaufnahme ist dieses Geld verbraucht. Manche z. B. Handgelenksfrakturen werden 5-6mal in diesem Zeitraum geröntgt!

    Unsere Gesundheitsministerin schiebt das Elend auf die Ärzte, zeigt mit dem Finger auf die "Funktionäre", der Gesundheitsökonom Lauterbach spricht von unnötiger doppelter Facharztschiene und Doppeluntersuchungen und das Volk lässt sich mit Ausreden verdummen und sich den Arzt als Schuldigen darstellen, der die Zweiklassenmedizin verursacht, um die armen Kassenpatienten abzublocken!

    Wegen all dieser Überlegungen gibt es für mich nur eine einzige Alternative: Dem Patienten die Realität klar zu machen, so wie diese wirklich ist. An sich wäre so etwas eine Aufgabe der Politik, der Medien und der Krankenkassen bzw. Kassenärztlichen Vereinigungen. Diese Stellen jedoch, die staatlichen Weisungen unterworfen sind, verschweigen die Wahrheit.

    Deswegen sollte dem Patienten deutlich und klar die Realität des „Tages ohne Arzt“ dargestellt werden, damit dieser auch praktisch versteht, welche Aufgaben er mit seinen gewählten Volksvertretern zu erledigen hat. Und dies ganz schnell, da es bald kurz nach zwölf sein wird! Aus dieser Motivation heraus hatte ich in einer innerärztlichen Diskussion in einem Fachforum einen provokativen und überspitzt formulierten Beitrag geschrieben, um weiterhin für meine Patienten so arbeiten zu können, wie ich es will: Spitzenmedizin für alle.

    Ich sehe meine Patienten nicht als „Gegner“. Ich will ihnen nur klarmachen, dass sie an der Wahlurne entscheiden können, wie sie in Zukunft medizinisch behandelt werden. Schon bald wird es keinen Ärztestreik mehr brauchen, weil die Politik dann schon alles zusammengekürzt hat.

    Leider hat die Redaktion von Frontal 21 aus meinen Texten nur selektiv zitiert, so wie es für eine offensichtlich geplante Skandalgeschichte erforderlich war (überflüssig zu sagen, dass ich in langen Telefonaten mit der Redaktion diese Sachverhalte nachdrücklich dargestellt habe und die Redaktion weiß, dass sie grob unsachlich berichtet). Ein solches Vorgehen würde man eigentlich eher von Privatsendern erwarten, die Horrorstorries brauchen, um Quote für ihre Werbekunden vorweisen zu können, nicht aber von einem aus GEZ-Beiträgen zwangsfinanzierten Sender.

    Aber vielleicht sind die Verstrickungen zwischen von Politikern kontrollierten öffentlich-rechtlichen Sendern und Regierungsstellen viel stärker, als wir es uns vorstellen können.
    --Zitatende--
     
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