Der Rosenbusch Es haben meine wilden Rosen -erschauernd vor dem Hauch der Nacht- die windeleichten, dichten, losen Blüten, behutsam zugemacht. Doch sind sie so voll Licht gesogen, dass es wie Schleier sie umweht, und dass die Nacht in scheuem Bogen am Rosenbusch vorübergeht. Hermann Claudius
Du Sommerabend! Heilig, goldnes Licht! In sanftem Glühen steht die Flur entzündet. Kein Laut, der dieses Friedens Lauschen bricht, in ein Gefühl ist alles hingemündet. Auch meine Seele sehnt sich nach der Nacht und nach des Dunkels taugeperltem Steigen und will nur lauschen, wie in Rosenpracht die dunklen Himmelsstunden leuchtend schweigen. Wilhelm Weigand
Auf dem See Und frische Nahrung, neues Blut Saug ich aus freier Welt: Wie ist Natur so hold und gut, Die mich am Busen hält! Die Welle wieget unsern Kahn Im Rudertakt hinauf, Und Berge, wolkig himmelan, Begegnen unserm Lauf. Aug, mein Aug, was sinkst du nieder? Goldne Träume, kommt ihr wieder? Weg, du Traum! so gold du bist: Hier auch Lieb und Leben ist. Auf der Welle blinken Tausend schwebende Sterne, Weiche Nebel trinken Rings die türmende Ferne; Morgenwind umflügelt Die beschattete Bucht, Und im See bespiegelt Sich die reifende Frucht. Johann Wolfgang von Goethe
Gartenfest im Sommer Wir feiern froh in unserm Garten, es wird gelacht und wird gegrillt und sind die Kehlen etwas trocken wird hinterher der Durst gestillt. Am Sonntagnachmittag sind Gäste, Bekannte und Verwandte hier, es schmeckt bei jedem Gartenfeste sogar der Großmama das Bier. Es tanzt die Tante mit dem Neffen danach noch auf dem Rasen Twist, das freut den Opa, der mit einem Sack voll Humor gekommen ist. Wir tafeln vor der Gartenlaube und sitzen um den Sperrholztisch. Der Onkel schürt das Kohlefeuer und brät vielleicht noch einen Fisch. Es ist ein blauer Tag im Sommer, voll Milde und voll Sonnenschein, ein Tag zum Auf- die- Pauke-Hauen, zum Lustig-und zum Glücklichsein. Bruno H. Bull
Gelb liegen Stoppelfelder in müder Sommerglut, und fleiß'ge Schwalbenpaare füttern die letzte Brut. Trotz wolkenlosem Himmel weht merklich kühl der Wind. Man spürt, daß Sommertage jetzt nur gezählt noch sind. An Strauch und Baume färbt sich schon hier und dort ein Blatt. Die Brombeer'n reifen prächtig, die Luft riecht schwer und satt. Der See schlägt sanfte Wellen, verführt kaum noch zum Bad. Der Angler an dem Ufer jetzt seine Ruhe hat. Man fühlt des Sommers Neige, schaut wehmütig zurück, erahnt des Winters Kälte, sehnt Frühlingszeit zurück. Annegret Kronenberg</I>
Heut ist ein freudenreicher Tag, Daß man den Sommer gewinnen mag. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! Ich bin der Sommer also kühn, Zu meiner Zeit werden die Felder grün. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! Wohlan, wohlan, Johannistag Mäh ich mein Gras von den Wiesen ab. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! Wohlan, wohlan, Jakobitag Schneid ich mein Korn und Weizen ab. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! Wohlan, wohlan, Michelitag Schüttl ich mein' Äpfel und Birnen ab. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! O Winter, du brauchst mir jetzt nicht mehr viel sag'n, Ich werde dich bald aus dem Sommerland jag'n. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! O lieber Winter, reich mir die Hand, Wir reisen mit'nander ins Sommerland. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! (Volkslied aus dem 19. Jahrhundert)
Im September Wir wollen in den Nußbusch gehn Und dort einmal zum Rechten sehn. Das Eichhorn und der Häher Sind arge Nüssespäher, Der Buntspecht und die Haselmaus, Die lieben auch den Nusskernschmaus! Sie nagen und sie zwicken, Sie hacken und sie picken, Und wer nicht kommt zur rechten Zeit, Geht, wie ihr wisst, der Mahlzeit queit. Wir wollen in den Garten gehen Und dort einmal zum Rechten sehn. Zur Nachtzeit war es windig! Nun seht nur her! Was find ich Im sand'gen Steig, im grünen Gras, Bald hier, bald dort? Was ist denn das? Äpfel mit rothen Stirnen Und goldgestreifte Birnen! Und dort beim Eierpflaumenbaum ... O seht nur hin! Man glaubt es kaum! Wir wollen an den Zaun hin gehn Und dort einmal zum Rechten sehn. Was steht denn gleich dahinter? O seht, zwei arme Kinder! Sie ladet hinter ihrem Haus Kein Garten ein zu frohem Schmaus. Da sollte man doch denken: Heut' gibt's was zu verschenken! Und merkt ihr erst, wie wohl das tut, Da schmeckt es euch noch mal so gut! Heinrich Seidel
In früher Morgenstunde die Lerche steigt empor. Sie singt aus vollem Munde, ihr Lied dringt in mein Ohr. Vom Himmel strahlt die Sonne; das Herz klopft laut vor Lust; die Seele sprüht vor Wonne, erfüllt mit Freud die Brust. Das Rauschen grüner Bäume klingt in mir wie ein Lied, und unvergessene Träume, die schwingen leise mit. Der Seele wachsen Flügel, sie schwingt sich himmelwärts; trägt über Tal und Hügel, was einst bedrückt das Herz. Das sind die Sommertage, die spielend dies vollbracht. Das ist des Vaters Gnade, die mich so glücklich macht
Im Sommer singt man Lieder Wir pfeifen auf den Eseln, auf Max und Hintz und Kuntz, die Blumen auf den Wiesen, die blühen nur für uns. Die kleinen Blumen zeigen, ein fröhliches Gesicht, und alle Tiere steigen, vom Schatten in das Licht. Ach könnten wir doch fliegen, wie ein Libellenkind, wie Halme leis' uns wiegen, im lauen Sommerwind. Es ist für alle Fälle, ein bunter Tisch gedeckt, für Falter, Bien', Libelle, für jeden, der gern schleckt. Da kann sich jeder tummeln, der Durst und Hunger hat, ob Wespen oder Hummeln, solange bis er satt. Wir pfeifen auf den Eseln, auf Max und Hintz und Kuntz, die Blumen auf den Wiesen, die blühen nur für uns. Im Sommer singt man Lieder, sonst ist man taub und blind, doch ich bin immer wieder, des Sommers liebstes Kind. Text: Astrid Lindgren
Ich war erst sechzehn Sommer alt, Unschuldig und nichts weiter, Und kannte nichts als unsern Wald, Als Blumen, Gras und Kräuter. Da kam ein fremder Jüngling her; Ich hatt' ihn nicht verschrieben, Und wußte nicht wohin noch her; Der kam und sprach von Lieben. Er hatte schönes langes Haar Um seinen Nacken wehen; So einen Nacken, als der war, Hab' ich noch nie gesehen. Sein Auge, himmelblau und klar! Schien freundlich was zu flehen, So blau und freundlich, als das war, Hab ich noch kein's gesehen. Und sein Gesicht, wie Milch und Blut Ich hab's nie so gesehen; Auch was er sagte, war sehr gut. Nur konnt' ich's nicht verstehen. Er ging mir allenthalben nach, Und drückte mir die Hände, Und sagte immer O und Ach, Und küßte sie behende. Ich sah ihn einmal freundlich an, Und fragte, was er meinte; Da fiel der junge schöne Mann Mir um den Hals und weinte. Das hatte niemand noch getan; Doch war's mir nicht zuwider Und meine beiden Augen sahn In meinen Busen nieder. Ich sagt' ihm nicht ein einzig Wort, Als ob ich's übel nähme, Kein einzig's, und - er flohe fort; Wenn er doch wieder käme! Matthias Claudius (1740-1815)
Der Sommer Noch ist die Zeit des Jahrs zu sehn, und die Gefilde Des Sommers stehn in ihrem Glanz, in ihrer Milde; Des Feldes Grün ist prächtig ausgebreitet, Allwo der Bach hinab mit Wellen gleitet. So zieht der Tag hinaus durch Berg und Tale, Mit seiner Unaufhaltsamkeit und seinem Strahle, Und Wolken ziehn in Ruh', in hohen Räumen, Es scheint das Jahr mit Herrlichkeit zu säumen. Friedrich Hölderlin (1770-1843)
Sicheln schallen, Ähren fallen Unter Sichelschall; Auf den Mädchenhüten Zittern blaue Blüten, Freud' ist überall. Sicheln klingen, Mädchen singen Unter Sichelklang; Bis, vom Mond beschimmert, Rings die Stoppel flimmert, Tönt der Erntesang. Alles springet, Alles singet, Was nur lallen kann. Bei dem Erntemahle Ißt aus einer Schale Knecht und Bauersmann. Jeder scherzet, Jeder herzet Dann sein Liebelein. Nach geleerten Kannen Gehen sie vondannen, Singen und juchei'n! Ludwig Heinrich Christoph Hölty (1748-1776)
Sie sind so schön, die milden, sonnenreichen, verträumten Tage früher Herbsteszeiten, die über See, Gebirg und Matten breiten, ein Schimmen, Leuchten Strahlen ohnegleichen. Und grelle Lichter, tiefe Schatten weichen, und aufgetan und klar sind alle Weiten. Und Du verstehst die tiefsten Heimlichkeiten, des Sommers heiße Farben, sie verbleichen. Mit einer Milde, die kein Wort Dir nennt, fühlst Du des Sommers Hauch herüberwehen, ein süßes Erinnern, das von ihm geblieben. Und was mein Herz seit langem liebt und kennt in neuem Licht seh' ich's vor mir erstehen und lieb' es neu mit tieferm, reiferm Lieben. Edith Ronsperger
Nun ziehen Tage über die Welt, Gesandt aus blauer Ewigkeit, Im Sommerwind verweht die Zeit. Nun windet nächtens der Herr Sternenkränze mit seliger Hand Über Wander- und Wunderland. O Herz, was kann in diesen Tagen Dein hellstes Wanderlied denn sagen Von deiner tiefen, tiefen Lust: Im Wiesensang verstummt die Brust, Nun schweigt das Wort, wo Bild um Bild Zu dir zieht und dich ganz erfüllt. Paul Hohenberg
Pflaumenregen Es steht ein Baum im Garten, von Pflaumen voll und schwer. Die Kinder drunten warten und lauschen ringsumher, ob nicht der Wind ihn rüttelt und all die Pflaumen schüttelt, daß alle purzeln kreuz und quer. Doch horcht, wie's rauscht und rappelt! Im Wald wacht auf der Wind. Schon zischelt er und zappelt und trappelt her geschwind und wiegt und biegt die Äste, daß schier in ihrem Neste die Finken nimmer sicher sind. Nun fällt ein Pflaumenregen, der aber macht nicht naß. Im Gras herumzufegen, ist da der größte Spaß. O Wind, o Wind, o rüttle, o Wind, o Wind, o schüttle! Wir grapsen ohne Unterlaß. Friedrich Güll
Herbst-Gefühl Müder Glanz der Sonne! Blasses Himmelblau! Von verklungner Wonne Träumet still die Au. An der letzten Rose Löset lebenssatt Sich der letzte lose, Bleiche Blumenblatt! Goldenes Entfärben Schleicht sich durch den Hain! Auch Vergehn'n und Sterben Däucht mir süß zu sein. Karl von Gerok
Die Sonnenblume möchte dich begrüßen dieweil sie sich so gern zur Sonne wendet. Nur steht zur Zeit sie noch zurückgewiesen; doch du erscheinst und sie ist gleich vollendet. Johann Wolfgang von Goethe
Blumengruß. Der Strauß, den ich gepflücket, Grüße dich viel tausendmal! Ich habe mich oft gebücket, Ach, wohl ein tausendmal, Und ihn an's Herz gedrücket Wie hunderttausendmal! Goethe
So ruhig geh' ich meinen Pfad, So still ist mir zu Mut; Es dünkt mir jeder Weg gerad' Und jedes Wetter gut. Wohin mein Weg mich führen mag, Der Himmel ist mein Dach, Die Sonne kommt mit jedem Tag, Die Sterne halten Wach'. Und komm' ich spät und komm' ich früh Ans Ziel, das mir gestellt: Verlieren kann ich mich doch nie, O Gott, aus Deiner Welt! Josef Karl Benedikt von Eichendorff (1788-1857)
Der Morgen Grau ruht der weite Himmel Stumm ob der stummen Erde. Da hellt ein Punkt im Osten Sich auf; wird immer größer Und immer heller; ahmet Ist schwach der Perle Farbe, Dann stufenweis das Leuchten Des schillernden Opals nach; Entfaltet nun dem Auge Den holden Glanz der Rose, Und bald darauf, in Schichten, Das Gold der Sonnenblume, Die Purpurpracht des Mohnes, Dann ein Gemisch der schönsten Und anmutsvollsten Farben, Der Tulpe gleich. Allmälig Wird rings umher der Schimmer Zu Glanz, der Glanz zu Strahlen. Mit einemmal verbleichet Der wunderbaren Farben Unsäglich schöner Reichthum, Und blendend zeigst, o Sonne, Du Geberin des Lichtes, Du Geberin der Wärme, Du Geberin des Lebens Und des Gedeihens alles Erschaffenen, der Pflanze, Des Tieres und des Menschen, Dein goldnes Haupt du lächelnd An des lasurnen Himmels Glanzüberströmtem Rande; Es hallen Luft und Erde Vom Lied der Vögel wieder, Und vom Gebrüll der Heerden; In Andacht und Bewundrung Versunken, stehet schweigend Der Mensch mit nassen Augen. Elisabeth Kulmann