Am Bodensee Schwelle die Segel, günstiger Wind! Trage mein Schiff an das Ufer der Ferne; Scheiden muß ich, so scheid ich gerne, Schwelle die Segel, günstiger Wind! Schwelle die Segel, günstiger Wind! Daß ich den Boden, den heimischen schaue, Fahre du wohl, Helvetiens Aue, Schwelle die Segel, günstiger Wind! Schwelle die Segel, günstiger Wind! Wenn ich auch hier in Entzücken verweile, Drüben knüpfen mich liebende Seile, Schwelle die Segel, günstiger Wind! August von Platen-Hallermünde (1706-1835)
Herbstgefühl Müder Glanz der Sonne! Blasses Himmelblau! Von verklungner Wonne Träumet still die Au. An der letzten Rose Löset lebenssatt Sich das letzte lose, Bleiche Blumenblatt! Goldenes Entfärben Schleicht sich durch den Hain! Auch Vergehn'n und Sterben Däucht mir süß zu sein. Friedrich Karl von Gerok (1815-1890)
Savoyen, Land beschneiter Höhn, Wer hat dein kräftig Bild gesehn, Wer trat in deiner Wälder Nacht, Sah auf zu deiner Wipfel Pracht, Wer stand an deinem Wasserfall, Wer lauschte deiner Ströme Hall, Und nannte dich nicht schön? Du Land des Volks, dem Reiche weihen Ruhmvoll den Namen des Getreuen, Bist herrlich, wenn der Frühlingssturm Die Berggewässer schäumend führt, Und deiner Fichte schlanker Turm Sich mit der jungen Nadel ziert; Bist reizend, wenn die Sommerglut Erzittert um den Mandelbaum; Doch in des Herbstes goldner Flut Du ruhst gleich dunkeln Auges Traum. Dann treibt der Wind kein rasselnd Laub Durch brauner Heiden Wirbelstaub; Wie halb bezwungne Seufzer wallen, Nur leis die zarten Nadeln fallen, Als wagten sie zu flüstern kaum. Der Tag bricht an; noch einsam steht Das Sonnenrund am Firmament; Am Strahl, der auf und nieder streicht, Gemach der Erdbeerbaum entbrennt; Noch will das Genzian nicht wagen Die dunkeln Wimper aufzuschlagen; Noch schläft die Luft im Nebeldicht. Welch greller Schrei die Stille bricht? Der Auerhahn begrüßt das Licht; Er schaukelt, wiegt sich, macht sich breit, Er putzt sein stattlich Federkleid, Und langsam streckt ihr stumpf Gesicht Marmotte aus hohlen Baumes Nacht: Das Leben, Leben ist erwacht; Die Geier pfeifen, Birkhahn ruft, Schneehühner flattern aus der Kluft; Die Fichten selbst, daß keiner säume, Erzahlen flüsternd sich die Traume. Und durch Remi geht überall Ein dumpf Gemurr von Stall zu Stall. A.v.Droste Hülshoff
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als atmete man kaum, und dennoch fallen raschelnd, fern und nah, die schönsten Früchte ab von jedem Baum. O stört sie nicht, die Feier der Natur! Dies ist die Lese, die sie selber hält; denn heute löst sich von den Zweigen nur, was vor dem milden Strahl der Sonne fällt. Friedrich Hebbel
Gewaltig endet so das Jahr Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. Rund schweigen Wälder wunderbar Und sind des Einsamen Gefährten. Da sagt der Landmann: Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise Gebt noch zum Ende frohen Mut. Ein Vogelzug grüßt auf der Reise. Es ist der Liebe milde Zeit. Im Kahn den blauen Fluß hinunter Wie schön sich Bild an Bildchen reiht - Das geht in Ruh und Schweigen unter. Georg Trakl (1887-1914)
als Naturgedicht verkleidet sag ich es was dich beneidet mit großer Mühe und Elan Neli kommt mit Nachschubbahn reimt unermüdlich grüne Lyrik finde ich ganz ungehörig so viele bedeutende Worte über Naturs Gesichte hier am Orte
Kirakind, die Gedichte, die ich schreibe hier, sind doch leider nicht von mir. Es fällt mir gar nicht schwer, zu bringen sie Euch immer hierher. Die meisten kenne ich als Lieder, die lieb ich und hör sie immer wieder. Vor den Dichtern muss ich mich einfach verneigen, außerdem kann ich ja hier auch mal meine Photos zeigen . Ich finde die Gedichte einfach schön, Du sollst jetzt noch ein neues sehn: Wärst du nicht, heil'ger Abendschein! Wärst du nicht, sternerhellte Nacht! Du Blütenschmuck! Du üpp'ger Hain! Und du, Gebirg', voll ernster Pracht! Du Vogelsang aus Himmeln hoch! Du Lied aus voller Menschenbrust! Wärst du nicht, ach, was füllte noch In arger Zeit ein Herz mit Lust? Justinus Kerner (1786-1862)
Neli, ich hatte da so ein Verdacht doch wird darüber nicht gelacht denn wie schwer kann das Finden sein das weißt du nicht nur allein schöne Worte sind sehr rar drum ist da die Neli da die mit sich'rem festem Griff Gedicht findet mit viel Pfiff
Lindes Rauschen in den Wipfeln, Vöglein, die ihr fernab fliegt, Bronnen von den stillen Gipfeln, Sagt, wo meine Heimat liegt? Heut im Traum sah ich sie wieder, Und von allen Bergen ging Solches Grüßen zu mir nieder, Daß ich an zu weinen fing. Ach! hier auf den fremden Gipfeln: Menschen, Quellen, Fels und Baum - Wirres Rauschen in den Wipfeln Alles ist mir wie ein Traum! Muntre Vögel in den Wipfeln, Ihr Gesellen dort im Tal, Grüßt mir von den fremden Gipfeln Meine Heimat tausendmal! Josef von Eichendorff
Die wandernde Wolke Auf langer Haide wallt Die Wolke hin und her, Sie geht ohn' Aufenthalt, Sie wandert hin und her, O käm sie doch zum Felsensprung, Der niederstürtzt ins Tal, Sie möcht hinab in raschem Schwung, Sie träumt es tausendmal! Vergebens daß sie späht Das geht in gleichem Lauf, Verloren nieder geht der Weg und schleicht sich auf. Ist denn kein Vogel hier herum, Der zeigte mir den Weg? Auf öder Haid ist alles stumm, Kein Mensch betritt den Steg. Und kommt sie endlich auch Zum Berg-See schwarz und tief, Im Schilf ein müder Hauch, O wer da unten schlief. Und leise, leise dehnt sich hin, Darauf das sanfte Grau, Und taut und sinkt und stirbt darin. Der See dann lächelt blau! Christian Reinhold (1813-1856)
Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Wie steigst du von den Bergen sacht, Die Lüfte alle schlafen, Ein Schiffer nur noch, wandermüd', Singt übers Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hafen. Die Jahre wie die Wolken gehn Und lassen mich hier einsam stehn, Die Welt hat mich vergessen, Da tratst du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen. O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat mich so müd' gemacht, Das weite Meer schon dunkelt, Laß ausruhn mich von Lust und Not, Bis daß das ew'ge Morgenrot Den stillen Wald durchfunkelt. Josef von Eichendorff
Herbstakkorde Laublose Aeste strecken die Bäume wie flehend erhobene Hände gen Himmel, und wo ich schreite: zu meinen Füßen ein dürres Rascheln, als glitte zur Seite mir leicht der Tod . . . Im Hauch des Nordwinds flattert hoch oben im Wipfel der Eiche das letzte Blatt. Wehe hernieder, einsames Blatt! Nieder zum Staub müssen die bunten schimmernden Kinder des Lenzes alle; nieder zum Staub müssen die seligen Blütenträume des Menschenherzens, müssen die stolzen Lichtgedanken der Menschenstirne - - und er selber, der Mensch, der hochgewaltige, seelenbegabte Erdgebieter, nieder muß er, nieder zum Staub! Du kennst sie, die ewigen wandellosen Gewalten - - was sträubst du dich?! Schärfer weht der Nordost. Durch kahles Gezweig kichert und pfeift sein eisiges Gelächter . . . Einsames Blatt, du sinkst! Clara Müller-Jahnke
Trübe Wolken, Herbstesluft, Einsam wandl ich meine Straßen, Welkes Laub, kein Vogel ruft – Ach, wie stille! wie verlassen! Todeskühl der Winter naht; Wo sind, Wälder, eure Wonnen? Fluren, eurer vollen Saat Goldne Wellen sind verronnen! Es ist worden kühl und spät, Nebel auf der Wiese weidet, Durch die öden Haine weht Heimweh; – alles flieht und scheidet. Herz, vernimmst du diesen Klang Von den felsentstürzten Bächen? Zeit gewesen wär es lang, Daß wir ernsthaft uns besprechen! Herz, du hast dir selber oft Wehgetan und hast es andern, Weil du hast geliebt, gehofft; Nun ists aus, wir müssen wandern! Auf die Reise will ich fest Ein dich schließen und verwahren, Draußen mag ein linder West Oder Sturm vorüberfahren. Nikolaus Lenau
Ein Vogel singt gottlobesam, ein Vogel tief in meiner Brust, der Vogel ist die Liebe. Leis ist die Stimme die er hat und seine Weise ist ganz schlicht, doch fröhlich ist sein Singen. Gottlobesames leises Lied, du fröhlich Lied in meiner Brust, Du bist mir Trost und Glaube. Otto Julius Bierbaum (865-1910)
Ich stand auf Berges Halde,als heim die Sonne ging, und sah, wie überm Walde des Abends Goldnetz hing. Des Himmels Wolken tauten der Erde Frieden zu; bei Abendglockenlauten ging die Natur zur Ruh. Ich sprach:"O Herz, empfinde der Schöpfung Stille nun, und schick mit jedem Kinde der Flur dich auch zu ruhn!" Die Lerche sucht aus Lüften ihr feuchtes Nest im Klee und in des Waldes Schlüften ihr Lager Hirsch und Reh. Die Blumen alle schließen die Augen allgemach. und alle Wellen fließen besänftigent im Bach. Nun hat der müde Sylphe sich unters Blatt gesetzt, und die Libell' im Schilfe entschlummert taubenetzt. Es ward dem goldnen Käfer zur Wieg' ein Rosenblatt; die Herde mit dem Schäfer sucht ihre Lagerstatt. Wer sein ein Hüttchen nennet, ruht nun darin sich aus, und wen die Fremde trennet, den trägt ein Traum nach Haus. Mich fasset ein Verlangen, daß ich zu dieser Frist hinauf nicht kann gelangen, wo meine Heimat ist. Friedrich Rückert
Täglich zu singen Ich danke Gott und freue mich Wie's Kind zur Weihnachtsgabe, Daß ich hier bin! Und daß ich dich Schön menschlich Antlitz habe. Daß ich die Sonne, Berg und Meer, Und Laub und Gras kann sehen Und abends unterm Sternenheer Und lieben Monde gehen. Gott gebe mir nur jeden Tag. So viel ich darf zum Leben, Er gibt's dem Sperling auf dem Dach; Wie sollt' er's mir nicht geben! Matthias Claudius (1740-1815)
Bunt sind schon die Wälder, Gelb die Stoppelfelder, Und der Herbst beginnt. Rote Blätter fallen, Graue Nebel wallen, Kühler weht der Wind. Wie die volle Traube Aus dem Rebenlaube Purpurfarbig strahlt; Am Geländer reifen Pfirsiche mit Streifen Rot und weiß bemalt. Sieh, wie hier die Dirne Emsig Pflaum' und Birne In ihr Körbchen legt; Dort, mit leichten Schritten Jene goldne Quitten In den Landhof trägt! Flinke Träger springen, Und die Mädchen singen, Alles jubelt froh! Bunte Bänder schweben Zwischen hohen Reben Auf dem Hut von Stroh. Geige tönt und Flöte Bei der Abendrote Und im Morgenglanz; Junge Winzerinnen Winken und beginnen Deutschen Ringeltanz. Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis (1762-1834)
Der Mond kommt still gegangen mit seinem gold'nen Schein, da schläft in holdem Prangen die müde Erde ein. Im Traum die Wipfel wehen, Die Quellen rauschen sacht; Singende Engel durchschweben Die blaue Sternennacht Und auf den Lüften schwanken aus manchem treuen Sinn viel tausend Liebesgedanken über die Schläfer hin. Und drunten im Tale, da funkeln die Fenster von Liebchens Haus; ich aber blicke im Dunkeln still in die Welt hinaus. Emanuel von Geibel (1815-1884)
Jetzt ist es Herbst, Die Welt ward weit, Die Berge öffnen ihre Arme Und reichen dir Unendlichkeit. Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub, Die Bäume sehen in den Staub, Sie lauschen auf den Schritt der Zeit. Jetzt ist es Herbst, das Herz ward weit. Das Herz, das viel gewandert ist, Das sich verjüngt mit Lust und List, Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen Und Blicke mit dem Staube tauschen. Es hat geküsst, ahnt seine Frist, Das Laub fällt hin, das Herz vergisst. Max Dauthendey (1867-1918)
Der Herbst streut weiße Nebel aus, Es kann nicht immer Sommer sein! Der Abend lockt mit Lampenschein Mich aus der Kühle früh ins Haus. Bald stehen Baum und Garten leer, Dann glüht nur noch der wilde Wein Ums Haus, und bald verglüht auch der, Es kann nicht immer Sommer sein. Was mich zur Jugendzeit erfreut, Es hat den alten frohen Schein Nicht mehr und freut mich nimmer heut - Es kann nicht immer Sommer sein. O Liebe, wundersame Glut, Die durch der Jahre Lust und Mühn Mir immer hat gebrannt im Blut - O Liebe, kannst auch du verglühn? Hermann Hesse