Wärst du nicht, heil'ger Abendschein! Wärst du nicht, sternerhellte Nacht! Du Blütenschmuck! Du üpp'ger Hain! Und du, Gebirg', voll ernster Pracht! Du Vogelsang aus Himmeln hoch! Du Lied aus voller Menschenbrust! Wärst du nicht, ach, was füllte noch In arger Zeit ein Herz mit Lust? Justinus Kerner (1786-1862)
Der Bach hat leise Melodien, und fern ist Staub und Stadt. Die Wipfel winken her und hin und machen mich sо matt. Der Wald ist wild, die Welt ist weit, mein Herz ist hell und groß. Es hält die blasse Einsamkeit mein Haupt in ihrem Schoß. Rainer Maria Rilke
der September Das ist ein Abschied mit Standarten aus Pflaumenblau und Apfelgrün. Goldlack und Astern flaggt der Garten, und tausend Königskerzen glühn. Das ist ein Abschied mit Posaunen, mit Erntedank und Bauernball. Kuhglockenläutend ziehn die braunen und bunten Herden in den Stall. Das ist ein Abschied mit Gerüchen aus einer fast vergessnen Welt. Mus und Gelee kocht in den Küchen. Kartoffelfeuer qualmt im Feld. Das ist ein Abschied mit Getümmel, mit Huhn am Spieß und Bier im Krug. Luftschaukeln möchten in den Himmel. Doch sind sie wohl nicht fromm genug. Die Stare gehen auf die Reise. Altweibersommer weht im Wind. Das ist ein Abschied laut und leise. Die Karussells drehn sich im Kreise. Und was vorüber schien, beginnt. Erich Kästner
In des Sees Wogenspiele Fallen durch den Sonnenschein Sterne, ach, gar viele, viele, Flammend leuchtend stets hinein. Wenn der Mensch zum See geworden, In der Seele Wogenspiele Fallen aus des Himmels Pforten Sterne, ach, gar viele, viele. Franz Seraph Ritter von Bruchmann (1798-1867)
Er und sie Seh ich in das stille Tal, wo im Sonnenscheine Blumen prangen ohne Zahl, blick ich nur auf eine. Tret ich an mein Fensterlein, wenn die Sterne scheinen, mögen alle schöner sein, blick ich nur auf einen. Ach! es blickt ihr Auge blau jetzt auch auf die Auen, im Vergißmeinicht voll Tau kann ich es erschauen. Dort gen Abend blickt er mild wohl nach Himmelshöhen, denn dort ist sein liebes Bild in dem Stern zu sehen. Justinus Kerner (1786-1862)
Morgengebet O wunderbares tiefes Schweigen, wie einsam ist's noch auf der Welt! Die Wälder nur sich leise neigen, als ging' der Herr durch's stille Feld. Ich fühle mich wie neu geschaffen, wo ist die Sorge nun und Noth? Was gestern noch mich wollt' erschlaffen dess schäm' ich mich im Morgenroth. Die Welt mit ihrem Gram und Glücke will ich, ein Pilger, froh bereit betreten nur als eine Brücke zu dir, Herr, über'm Strom der Zeit. Joseph von Eichendorff
Wer recht in Freuden wandern will, der geh´ der Sonn´ entgegen! Da ist der Wald so kirchenstill, kein Lüftchen mag sich regen. Noch sind nicht die Lerchen wach, nur im hohen Gras der Bach singt leise den Morgensegen. Die ganze Welt ist wie ein Buch, darin uns aufgeschrieben in bunten Zeilen manch ein Spruch, wie Gott uns treugeblieben. Wald und Blumen nah und fern und der helle Morgenstern sind Zeugen von seinem Lieben. Da zieht die Andacht wie ein Hauch durch alle Sinnen leise, da pocht ans Herz die Liebe auch in ihrer stillen Weise; pocht und pocht bis sich´s ergießt und die Lippe überfließt von lautem, jubelndem Preise. Und plötzlich laßt die Nachtigall im Busch ihr Lied erklingen, in Berg und Tal erwacht der Schall und will sich aufwärts schwingen; und der Morgenröte Schein stimmt in lichter Glut mit ein: Laßt uns dem Herrn lobsingen. Worte: Emanuel Geigel 1839, Weise: mündlich überliefert
An vollen Büschelzweigen, Geliebte, sieh nur hin! Laß dir die Früchte zeigen, Umschalet stachlig grün. Sie hängen längst geballet, Still, unbekannt mit sich; Ein Ast, der schaukelnd wallet, Wiegt sie geduldiglich. Doch immer reift von innen Und schwillt der braune Kern, Er möchte Luft gewinnen Und säh' die Sonne gern. Die Schale platzt, und nieder Macht er sich freudig los; So fallen meine Lieder Gehäuft in deinen Schoß. Johann Wolfgang von Goethe
Herbst Astern blühen schon im Garten, schwächer trifft der Sonnenpfeil; Blumen, die den Tod erwarten durch des Frostes Henkerbeil. Brauner dunkelt längst die Haide, Blätter zittern durch die Luft, und es liegen Wald und Weide unbewegt in blauem Duft. Pfirsich an der Gartenmauer, Kranich auf der Winterflucht. Herbstes Freuden, Herbstes Trauer, welke Rosen reife Frucht. Detlev von Liliencron (1844-1909)
Herbst Zu Golde ward die Welt; Zu lange traf Der Sonne süßer Strahl Das Blatt, den Zweig. Nun neig Dich, Welt hinab In Winterschlaf. Bald sinkt's von droben dir In flockigen Geweben Verschleiernd zu - Und bringt dir Ruh, O Welt, O dir, zu Gold geliebtes Leben, Ruh. Gottfried Keller
grünes Blatt Verlassen trauert nun der Garten, Der uns so oft vereinigt hat; Da weht der Wind zu euern Füßen Vielleicht sein letztes grünes Blatt. Theodor Storm
Erinnerung Ein Blatt aus sommerlichen Tagen, ich nahm es so beim Wandern mit. Auf dass es einst mir möge sagen: Wie laut die Nachtigall geschlagen, wie grün der Wald, den ich durchschritt. (Verfasser ist mir leider unbekannt - nur die Zeilen blieben mir über Jahre im Gedächtnis) lg Susanne
Hallo Susanne, das Gedicht heißt "Ein grünes Blatt" und ist von Theodor Storm. Es gefällt mir auch sehr gut. Viele liebe Grüße Neli
Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesen, Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt In warmen Golde fließen. Eduard Mörike
Wandersprüche Es geht wohl anders, als du meinst: Derweil du rot und fröhlich scheinst, Ist Lenz und Sonnenschein verflogen, Die liebe Gegend schwarz umzogen; Und kaum hast du dich ausgeweint, Lacht alles wieder, die Sonne scheint - Es geht wohl anders, als man meint. Herz, in deinen sonnenhellen Tagen halt nicht karg zurück! Allwärts fröhliche Gesellen Trifft der Frohe und sein Glück. Sinkt der Stern: alleine wandern Magst du bis ans End der Welt - Bau du nur auf keinen andern Als auf Gott, der Treue hält. Was willst auf dieser Station So breit dich niederlassen? Wie bald nicht bläst der Postillion, Du mußt doch alles lassen. Die Lerche grüßt den ersten Strahl, Daß er die Brust ihr zünde, Wenn träge Nacht noch überall Durchschleicht die tiefen Gründe. Und du willst, Menschenkind, der Zeit Verzagend unterliegen? Was ist dein kleines Erdenleid? Du mußt es überfliegen! Der Sturm geht lärmend um das Haus, Ich bin kein Narr und geh hinaus, Aber bin ich eben draußen, Will ich mich wacker mit ihm zausen. Ewig muntres Spiel der Wogen! Viele hast du schon belogen, Mancher kehrt nicht mehr zurück. Und doch weckt das Wellenschlagen Immer wieder frisches Wagen, Falsch und lustig wie das Glück. Der Wandrer, von der Heimat weit, Wenn rings die Gründe schweigen, Der Schiffer in Meereseinsamkeit, Wenn die Stern aus den Fluten steigen: Die beiden schauern und lesen In stiller Nacht, Was sie nicht gedacht, Da es noch fröhlicher Tag gewesen. Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Dacht ich mir's doch ... dass irgend einer das Gedicht kennt. Danke, Neli. Selten habe ich Gedichte freiwillig gelernt - dieses aber ist mir sogar ohne mein Zutun im Gedächtnis geblieben. lg Susanne
Das Apfeljahr Der Apfel war nicht gleich am Baum, da war erst lauter Blüte. Das war erst lauter Blütenschaum und lauter Lieb und Güte. Dann waren Blätter grün an grün und grün an grün nur Blätter. Die Amsel nach des Tages Mühn, sie sang ihr Abendlied gar kühn und auch bei Regenwetter. Der Herbst, der macht die Blätter steif der Sommer muß sich packen. Hei! Daß ich auf die Finger pfeif da sind die ersten Äpfel reif und haben rote Backen. Und was bei Sonn` und Himmel war erquickt nun Mund und Magen und macht die Augen hell und klar. So rundet sich das Apfeljahr und mehr ist nicht zu sagen. Matthias Claudius
Morgenlied Kein Stimmlein noch schallt von allen In frühester Morgenstund, Wie still ist's noch in den Hallen Durch den weiten Waldesgrund. Ich stehe hoch überm Tale Stille vor großer Lust, Und schau nach dem ersten Strahle, Kühl schauernd in tiefster Brust. Wie sieht da zu dieser Stunde So anders das Land herauf, Nichts hör ich da in der Runde Als von fern der Ströme Lauf. Und ehe sich alle erhoben Des Tages Freuden und Weh, Will ich, Herr Gott, dich loben Hier einsam in stiller Höh. - Nun rauschen schon stärker die Wälder, Morgenlicht funkelt herauf, Die Lerche singt über den Feldern, Schöne Erde, nun wache auf! Joseph von Eichendorff
Herbstbild Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als atmete man kaum, und dennoch fallen raschelnd, fern und nah, die schönsten Früchte ab von jedem Baum. O stört sie nicht, die Feier der Natur! Dies ist die Lese, die sie selber hält; denn heute löst sich von den Zweigen nur, was vor dem milden Strahl der Sonne fällt. Friedrich Hebbel
Im Herbst Was rauscht zu meinen Füßen so? Es ist das falbe Laub vom Baum! Wie stand er jüngst so blütenfroh Am Waldessaum! Was ruft zu meinen Häuptern so? Der Vogel ist's im Wanderflug, Der noch vor kurzem sangesfroh Zu Neste trug. Mein ahnend Herz, was pochst du so? Du fühlst den Pulsschlag der Natur, Und dass verwehen wird also Auch deine Spur! Heinrich Seidel