Ihr Vöglein in den Lüften, Schwingt mit Gesang euch fort Und grüßet mir den teuren, Den lieben Heimatsort! Ihr Lerchen, nehmt die Blüten, Die zarten mit hinaus! Ich schmückte sie zur Zierde Für's teure Vaterhaus. Du Nachtigall, o schwinge Dich doch zu mir herab Und nimm die Rosenknospe Auf meines Vaters Grab! Friedrich Wilhelm Nietzsche (1844-1900)
Willkommen, klare Sommernacht, die auf betauten Fluren liegt! Gegrüßt mir, goldne Sternenpracht, die spielend sich im Weltraum wiegt! Das Urgebirge um mich her ist schweigend, wie mein Nachtgebet; weit hinter ihm hör' ich das Meer im Geist und wie die Brandung geht. Ich höre einen Flötenton, den mir die Luft von Westen bringt, indes herauf im Osten schon des Tages leise Ahnung dringt. Ich sinne, wo in weiter Welt jetzt sterben mag ein Menschenkind und ob vielleicht den Einzug hält das viel ersehnte Heldenkind. Doch wie im dunklen Erdental ein unergründlich Schweigen ruht, ich fühle mich so leicht zumal und wie die Welt so still und gut. Der letzte leise Schmerz und Spott verschwindet aus des Herzens Grund; es ist, als tät' der alte Gott mir endlich seinen Namen kund. Gottfried Keller (1819-1890)
Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Wie steigst du von den Bergen sacht, Die Lüfte alle schlafen, Ein Schiffer nur noch, wandermüd', Singt übers Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hafen. Die Jahre wie die Wolken gehn Und lassen mich hier einsam stehn, Die Welt hat mich vergessen, Da tratst du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen. O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat mich so müd' gemacht, Das weite Meer schon dunkelt, Laß ausruhn mich von Lust und Not, Bis dass das ew'ge Morgenrot Den stillen Wald durchfunkelt. Joseph von Eichendorff
Feldeinsamkeit Ich ruhe still im hohen, grünen Gras und sende lange meinen Blick nach oben, von Grillen rings umschwirrt ohn Unterlass, von Himmelsbläue wundersam umwoben. Und schöne weiße Wolken ziehn dahin durchs tiefe Blau, wie schöne stille Träume; - mir ist, als ob ich längst gestorben bin, und ziehe selig mit durch ewge Räume. Hermann Allmers (1821-1902) Den Anhang 63647 betrachten
Es ist schon spät geworden, die Sternlein schlummern lind im weichen Wolkenbette. Schlummre auch Du mein Kind! In stillen Wiesenblumen träumet der müde Wind von rothen Morgenrosen. Träume auch Du, mein Kind! Nur meine Lieb' und Treue beide noch munter sind und schwingen sich über die Wälder, zu wachen bei dir, mein Kind! August Corrodi (1826-1885)
In seinem Zaun das Känguru – es hockt und guckt dem Sperling zu. Der Sperling sitzt auf dem Gebäude – doch ohne sonderliche Freude. Vielmehr, er fühlt, den Kopf geduckt, wie ihn das Känguru beguckt. Der Sperling sträubt den Federflaus – die Sache ist auch gar zu kraus. Ihm ist, als ob er kaum noch säße … Wenn nun das Känguru ihn fräße?! Doch dieses dreht nach einer Stunde den Kopf, aus irgend einem Grunde, vielleicht auch ohne tiefem Sinn, nach einer andern Richtung hin. Christian Morgenstern (1871 - 1914) Ist vielleicht nicht so ganz passend, aber ich finde C. Ms Gedichte total klasse! LG coalblack
Die Maus Kann denn Fressen Sünde sein, sprach ein Mäuschen voller Keck, eilte über Stock und Stein, hin zu Fleischers besten Speck, und frass ihm eine Seite weg. Doch der Fleischer war nicht dumm, er liess sich nicht gern beklauen, drehte sich zum Mäuschen um, und begann sehr bös zu schauen, und dann feste drauf zu hauen. Vom frechen Tierchen blieb nicht mehr, als ein roter ,flacher Flunder, die Faust des Fleischers traf gar schwer, die Maus war tot, kein Wunder, und den Rest von ihr würgte die Katz runter. Und die Moral von der Geschicht, ernähr von Fleischers Speck dich nicht.
Sehnsucht Ich sehne mich nach einem Häuschen in Bayern oder an der Spree, ein Zimmer braucht es nur zu haben, dazu ein Bad und ein W.C. Im Zimmer würde ich notieren, was ich beim Baden grad gedichtet, und im W.C. würd’ dann das Machwerk von mir gleich hinterrücks vernichtet. Heinz Erhardt
Ruhe, Süßliebchen, im Schatten Der grünen, dämmernden Nacht: Es säuselt das Gras auf den Matten, Es fächelt und kühlt dich der Schatten Und treue Liebe wacht. Schlafe, schlaf ein, Leiser rauscht der Hain, Ewig bin ich dein. Schweigt, ihr versteckten Gesänge, Und stört nicht die süßeste Ruh'! Es lauschet der Vögel Gedränge, Es ruhen die lauten Gesänge, Schließ, Liebchen, dein Auge zu. Schlafe, schlaf ein, Im dämmernden Schein, Ich will dein Wächter sein. Murmelt fort, ihr Melodien, Rausche nur, du stiller Bach. Schöne Liebesphantasien Sprechen in den Melodien, Zarte Träume schwimmen nach. Durch den flüsternden Hain Schwärmen goldne Bienelein Und summen zum Schlummer dich ein. Johann Ludwig Tieck (1773-1853)
Der See ruht tief im blauen Traum Von Wasserblumen zugedeckt; Ihr Vöglein hoch im Fichtenbaum, Daß ihr mir nicht den Schläfer weckt! Doch leise weht das Schilf und wiegt Das Haupt mit leichtem Sinn; Ein blauer Falter aber fliegt Darüber einsam hin. Julius Mosen (1803-1867)
Ich bin hinausgegangen Des Morgens in der Früh, Die Blümlein täten prangen, Ich sah so schön sie nie. Wagt' eins davon zu pflücken, Weil mir's so wohl gefiel; Doch als ich mich wollt bücken, Sah ich ein lieblich Spiel. Die Schmetterling' und Bienen, Die Käfer hell und blank, die mußten all ihm dienen Bei fröhlichem Morgensang; Und scherzten viel und küßten Das Blümlein auf den Mund, Und trieben's nach Gelüsten Wohl eine ganze Stund. Und wie sie so erzeiget Ihr Spiel die Kreuz und Quer, Hat's Blümlein sich geneiget Mit Freuden hin und her. Da hab ich's nicht gebrochen, Es wär ja morgen tot, Und habe nur gesprochen: Ade, du Blümlein rot! Und Schmetterling' und Bienen, Die Käfer hell und blank, Die sangen mit frohen Mienen Mir einen schönen Dank. Robert Reinick (1805-1852)
Wolken Am nächtigen Himmel Ein Drängen und Dehnen, Wolkengewimmel In hastigem Sehnen, In lautloser Hast — Von welchem Zug Gebietend erfasst? — Gleitet ihr Flug, Es schwankt gigantisch Im Mondesglanz Auf meiner Seele Ihr Schattentanz, Wogende Bilder, Kaum noch begonnen, Wachsen sie wilder, Sind sie zerronnen, Ein loses Schweifen ... Ein Halb-Verstehn ... Ein Flüchtig-Ergreifen ... Ein Weiterwehn ... Ein lautloses Gleiten, Ledig der Schwere, Durch aller Weiten Blauende Leere. Hugo von Hofmannsthal (1892) Den Anhang 63921 betrachten
O wunderbares, tiefes Schweigen, Wie einsam ist's noch auf der Welt! Die Wälder nur sich leise neigen, Als ging' der Herr durchs stille Feld. Ich fühl mich recht wie neu geschaffen, Wo ist die Sorge nun und Not? Was mich noch gestern wollt' erschlaffen, Ich schäm' mich dess im Morgenrot. Die Welt mit ihrem Gram und Glücke Will ich, ein Pilger, frohbereit Betreten nur wie eine Brücke Zu dir, Herr, übern Strom der Zeit. Joseph von Eichendorff
Ans Haff nun fliegt die Möwe, Und Dämmerung bricht herein; Über die feuchten Watten Spiegelt der Abendschein. Graues Geflügel huschet Neben dem Wasser her; Wie Träume liegen die Inseln Im Nebel auf dem Meer. Ich höre des gärenden Schlammes Geheimnisvollen Ton, Einsames Vogelrufen - So war es immer schon. Noch einmal schauert leise Und schweigt dann der Wind; Vernehmlich werden die Stimmen, Die über der Tiefe sind. Theodor Storm
Aus einem tiefen Weltschmerz reißt mich zuweilen , sehr wohltätig , ein kleines Alltagsärgernis ..... Francoise Sagan Schriftstellerin Den Anhang 64305 betrachten
Wenn ich durch Wald und Fluren geh', Es wird mir dann so wohl und weh In unruhvoller Brust. So wohl, so weh, wenn ich die Au In ihrer Schönheit Fülle schau', Und all die Frühlingslust. Denn was im Winde tönend weht, Was aufgetürmt gen Himmel steht, Und auch der Mensch, so hold vertraut Mit all der Schönheit, die er schaut, Entschwindet, und vergeht. Matthäus Kasimir von Collin (1779-1824)
Septembermorgen Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesen: Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt In warmem Golde fließen. Eduard Mörike (1827, Erstdruck 1828)
Nacht Dämmern Wolken über Nacht und Tal, Nebel schweben, Wasser rauschen sacht. Nun entschleiert sich's mit einemmal: O gib Acht! Gib Acht! Weites Wunderland ist aufgetan. Silbern ragen Berge, traumhaft groß, Stille Pfade silberlicht talan Aus verborg'nem Schoß; Und die hehre Welt so traumhaft rein. Stummer Buchenbaum am Wege steht Schattenschwarz, ein Hauch vom fernen Hain Einsam leise weht. Carl Hauptmann (1858-1921)