Des Sonntags in der Morgenstund, Wie wandert's sich so schön Am Rhein, wenn rings in weiter Rund Die Morgenglocken gehn! Ein Schifflein zieht auf blauer Flut, Da singt's und jubelt's drein; Du Schifflein, gelt, das fährt sich gut In all die Lust hinein? Vom Dorfe hallet Orgelton, Es tönt ein frommes Lied, Andächtig dort die Prozession Aus der Kapelle zieht. Und ernst in all die Herrlichkeit Die Burg herniederschaut Und spricht von alter, guter Zeit, Die auf den Fels gebaut. Das alles beut der prächtge Rhein An seinem Rebenstrand, Und spiegelt recht im hellsten Schein Das ganze Vaterland, Das fromme, treue Vaterland In seiner vollen Pracht, Mit Lust und Liedern allerhand Vom lieben Gott bedacht. Robert Reinick (1805-1852)
Blätter rauschen in den Bäumen - Kronen wiegen sich im Wind Und der Wald beginnt zu träumen - tief und selig wie ein Kind Bunte Blätter fallen leise - und der Baum verliert sein Kleid Auf die altbekannte Weise - die so alt ist wie die Zeit Rauhreif glitzert auf den Zweigen - still und leise fällt der Schnee Winterpracht bestimmt den Reigen - tiefer Friede wohin ich seh Knospen sich zur Sonne recken - noch verschlafen , doch schon bereit Blüten wollen sich nicht mehr verstecken - der Frühling zeigt uns stolz sein Kleid Selbstbewusst zeigt der Baum sein bestes Kleid - voller Kraft und voller Poesie Der Kreis , er schließt sich - es ist soweit , wieso erfahrn wir nie
Am Brunnen vor dem Tore Da steht ein Lindenbaum; Ich träumt in seinem Schatten So manchen süßen Traum. Ich schnitt in seine Rinde So manches liebe Wort; Es zog in Freud' und Leide Zu ihm mich immer fort. Ich mußt' auch heute wandern Vorbei in tiefer Nacht, Da hab' ich noch im Dunkel Die Augen zugemacht. Und seine Zweige rauschten, Als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, Hier find'st du deine Ruh'! Die kalten Winde bliesen Mir grad ins Angesicht; Der Hut flog mir vom Kopfe, Ich wendete mich nicht. Nun bin ich manche Stunde Entfernt von jenem Ort, Und immer hör' ich's rauschen: Du fändest Ruhe dort! Wilhelm Müller (1794-1827)
Das Lied vom Reifen Seht meine lieben Bäume an, Wie sie so herrlich stehn, Auf allen Zweigen angetan Mit Reifen wunderschön! Von unten an bis oben 'naus Auf allen Zweigelein Hängt's weiß und zierlich, zart und kraus, Und kann nicht schöner sein. Ein Engel Gottes geht bei Nacht, Streut heimlich hier und dort, Und wenn der Bauersmann erwacht, Ist er schon wieder fort. Du Engel, der so gütig ist, Wir sagen Dank und Preis, O mach uns doch zum heil'gen Christ Die Bäume wieder weiß! Matthias Claudius, 1740-1815
Mir ist so wohl, so weh' Am stillen Erlafsee; Heilig Schweigen In Fichtenzweigen, Regungslos Der blaue Schoß, Nur der Wolken Schatten flieh'n Überm glatten Spiegel hin, Frische Winde Kräuseln linde Das Gewässer Und der Sonne Güldne Krone Flimmert blässer. Mir ist so wohl, so weh' Am stillen Erlafsee. Johann Baptist Mayrhofer (1787-1836)
Heut ist ein freudenreicher Tag, Daß man den Sommer gewinnen mag. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! Ich bin der Sommer also kühn, Zu meiner Zeit werden die Felder grün. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! Wohlan, wohlan, Johannistag Mäh ich mein Gras von den Wiesen ab. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! Wohlan, wohlan, Jakobitag Schneid ich mein Korn und Weizen ab. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! Wohlan, wohlan, Michelitag Schüttl ich mein' Äpfel und Birnen ab. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! O Winter, du brauchst mir jetzt nicht mehr viel sag'n, Ich werde dich bald aus dem Sommerland jag'n. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! O lieber Winter, reich mir die Hand, Wir reisen mit'nander ins Sommerland. Ihr Herren mein, Der Sommer ist fein! (Volkslied aus dem 19. Jahrhundert)
Wenn im Sommer der rote Mohn wieder glüht im gelben Korn, wenn des Finken süßer Ton wieder lockt im Hagedorn, wenn es wieder weit und breit feierklar und fruchtstill ist, dann erfüllt sich uns die Zeit, die mit vollen Massen misst. Dann verebbt, was uns bedroht, dann verweht, was uns bedrückt, über dem Schlangenkopf der Not ist das Sonnenschwert gezückt. Glaube nur, es wird geschehn! Wende nicht den Blick zurück! Wenn die Sommerwinde wehn, werden wir in Rosen gehn, und die Sonne lacht uns Glück! Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Es taget in dem Osten, Es taget überall. Erwacht ist schon die Lerche, Erwacht die Nachtigall. Wie sich die Wolken röten Am jungen Sonnenstrahl! Hell wird des Waldes Wipfel Und licht das graue Tal. Die Blumen richten wieder Empor ihr Angesicht; Mit Tränen auf den Wangen Schau'n sie ins Sonnenlicht. Und könnt' ein herbes Leiden Je trüben deinen Mut: Schau hoffend auf gen Himmel, Wie's heut' die Blume tut, Und Frieden kehret wieder Zu dir und Freud' und Lust, Und wie's auf Erden taget, So tagt's in deiner Brust. Hofmann von Fallersleben
Gern bin ich allein an des Meeres Strand, wenn der Sturmwind heult und die See geht hohl, wenn die Wogen mit Macht rollen zu Land, o wie wird mir so kühn und so wonnig und wohl! Die segelnde Möwe, sie rufen ihren Gruß hoch oben aus jagenden Wolken herab; die schäumende Woge, sie leckt meinen Fuß, als wüßten sie beide, wie gern ich sie hab! Und der Sturm, der lustig das Haar mir zaust, und die Möw' und die Wolke, die droben zieht, und das Meer, daß da vor mir brandet und braust, sie lehren mich alle manch' herrliches Lied. Doch des Lebens erbärmlicher Sorgendrang, o wie sinkt er zurück, wie vergess' ich ihn, wenn die Wogenmusik und der Sturmgesang durch das hoch-auf-schauernde Herz mir ziehn! Hermann Allmers (1921-1902)
Ich danke Gott und freue mich Wie's Kind zur Weihnachtsgabe, Daß ich hier bin! Und daß ich dich Schön menschlich Antlitz habe. Daß ich die Sonne, Berg und Meer, Und Laub und Gras kann sehen Und abends unterm Sternenheer Und lieben Monde gehen. Gott gebe mir nur jeden Tag. So viel ich darf zum Leben, Er gibt's dem Sperling auf dem Dach; Wie sollt' er's mir nicht geben! Matthias Claudius (1740-1815)
Wünsche Ich wollt, ich wär ein morgenklarer See und du, die Sonne, die sich darin spiegelt. Ich wollt, ich wär ein Quell im Wiesengrunde und du die Blume, die sich darin anlacht. Ich wollt, ich wär ein grüner Dorn am Busche und du die Rose, die ihn rot umschimmert. Ich wollt, ich wär ein kleines Korn im Sande und du der Vogel, der es schnell auf pickt! Hans Bethge (1986-1946)
Ein blauer Sommer glanz- und glutenschwer Geht über Wiesen, Felder, Gärten her. Die Sonnenkrone glüht auf seinen Locken, Sein warmer Atem läutet Blütenglocken. Ein goldnes Band umzieht die blaue Stirne, Schwer aus den Zweigen fällt die reife Frucht Und Sens' und Sichel blitzt auf Flur und Feld, Und rot von Rosen ist die ganze Welt. Karl Busse (1872-1918)
Gänseblümchen Gänseblümchen Ein Gänseblümchen liebte sehr ein zweites gegenüber. Drum rief´s: "Ich schicke mit ´nem Gruß dir eine Biene ´rüber!" Da rief das andere: "Du weißt, ich liebe dich nicht minder, doch mit der Biene, das lass sein, sonst kriegen wir noch Kinder!" Heinz Erhardt (Ein grosser Meister in der Dichtkunst) (Das Gänseblümchen ist für Nelis Marienkäfer!)
Mondnacht Es war, als hätt der Himmel Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müßt. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. Josef von Eichendorff (1788-1857)
Ein Sommergedicht für unser Geburtstagskind Wilma Sommerruh, wie schön bist du! Nachtigallen tragen Ihre weichen süßen Klagen Sich aus dunkeln Lauben zu. Sommerruh, wie schön bist du! Sommerruh, wie schön bist du! Klare Glockenklänge klingen Aus der Lüfte lauen Schwingen Von der mondumblitzten Fluh. Sommerruh, wie schön bist du! Sommerruh, wie schön bist du! Welch ein Leben, himmlisch Weben! Engel durch die Lüfte schweben Ihrer blauen Heimat zu. Sommerruh, wie schön bist du! Christian Konrad Schad (1821-1871)
Weltanschauung Der Sommer färbt die Äpfel rot, die Trauben und die Beeren. Der Mohn in Farbenflammen loht, sein Leuchten zu entzünden droht die strahlend gelben Ähren. Nur Farbenpracht, wohin man schaut, wohin man hört ein Klingen. Der weite Sommerhimmel blaut, in lichten Höhen jubelnd laut die kleinen Lerchen singen. Der Maulwurf in der Erde gräbt, weiß nichts von diesen Dingen. Er hat das Schöne nie erlebt. Der Finsterling nach unten strebt und wühlt nach Engerlingen. Es findet jeder, wie er kann, auf seine Art Erbauung. Schaut man die Welt von oben an – von unten – so hat jedermann die beste Weltanschauung. Fred Endrikat PS: Noch ein paar Gänseblümchen für Nelis Marienkäfer Gruss und Kuss Mimimami
Nicht im Schlafe hab' ich das geträumt, Hell am Tage sah ich's schön vor mir. Eine Wiese voller Margeriten; Tief ein weißes Haus in grünen Büschen; Götterbilder leuchten aus dem Laube. Und ich geh' mit einer, die mich lieb hat, Ruhigen Gemütes in die Kühle Dieses weißen Hauses, in den Frieden, Der voll Schönheit wartet, daß wir kommen. Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Im Garten klagt die Nachtigall und hängt das feine Köpfchen nieder, was hilft's dass ich so schöne Lieder und wundersüsse Töne habe - solange ich dies grau Gefieder und nicht der Rose Schöne habe ! Im Blumenbeet die Rose klagt: Wie soll das Leben mir gefallen ? Was hilft's, dass vor den Blumen allen ich Anmut, Duft und Schöne habe - solang ich nicht der Nachtigallen Gesang und süsse Töne habe ! Mirza Schaffy entschied den Streit. Er sprach: "Lasst euer Klagen beide, Du Rose mit dem duft'gen Kleide, du Nachtigall mit deinen Liedern: Vereint zur Lust und Ohrenweide der Menschen, euch in meinen Liedern!" Friedrich Martin von Bodenstedt (1819-1892)
1 Stimme des Windes In Schlummer ist der dunkle Wald gesunken, Zu träge ist die Luft, ein Blatt zu neigen, Den Blütenduft zu tragen, und es schweigen Im Laub die Vögel und im Teich die Unken. Leuchtkäfer nur, wie stille Traumesfunken Den Schlaf durchgaukelnd, schimmern in den Zweigen, Und süßer Träume ungestörtem Reigen Ergibt sich meine Seele, schweigenstrunken. Horch! überraschend saust es in den Bäumen Und ruft mich ab von meinen lieben Träumen, Ich höre plötzlich ernste Stimme sprechen; Die aufgeschreckte Seele lauscht dem Winde Wie Worten ihres Vaters, der dem Kinde Zuruft, vom Spiele heimwärts aufzubrechen. 2 Stimme des Regens Die Lüfte rasten auf der weiten Heide, Die Disteln sind so regungslos zu schauen, So starr, als wären sie aus Stein gehauen, Bis sie der Wandrer streift mit seinem Kleide. Und Erd und Himmel haben keine Scheide, In eins gefallen sind die nebelgrauen, Zwei Freunden gleich, die sich ihr Leid vertrauen Und Mein und Dein vergessen traurig beide. Nun plötzlich wankt die Distel hin und wider, Und heftig rauschend bricht der Regen nieder, Wie laute Antwort auf ein stummes Fragen. Der Wandrer hört den Regen niederbrausen, Er hört die windgepeitschte Distel sausen, Und ein Wehmut fühlt er, nicht zu sagen. 3 Stimme der Glocken Den glatten See kein Windeshauch verknittert, Das Hochgebirg, die Tannen, Klippen, Buchten, Die Gletscher, die von Wolken nur besuchten, Sie spiegeln sich im Wasser unzersplittert. Das dürre Blatt vom Baume hörbar zittert, Und hörbar rieselt nieder in die Schluchten Das kleinste Steinchen, das auf ihren Fluchten Die Gemse schnellt, wenn sie den Jäger wittert. Horch! Glocken in der weiten Ferne tönend, Den Gram mir weckend und zugleich versöhnend, Dort auf der Wiese weiden Alpenkühe. Das Läuten mahnt mich leise an den Frieden, Der von der Erd auf immer ist geschieden Schon in der ersten Paradiesesfrühe. 4 Stimme des Kindes Ein schlafend Kind! o still! in diesen Zügen Könnt ihr das Paradies zurückbeschwören; Es lächelt süß, als lauscht es Engelchören, Den Mund umsäuselt himmlisches Vergnügen. O schweige, Welt, mit deinen lauten Lügen, Die Wahrheit dieses Traumes nicht zu stören! Laß mich das Kind im Traume sprechen hören Und mich, vergessend, in die Unschuld fügen! Das Kind, nicht ahnend mein bewegtes Lauschen, Mit dunklen Lauten hat mein Herz gesegnet, Mehr als im stillen Wald des Baumes Rauschen; Ein tiefres Heimweh hat mich überfallen, Als wenn es auf die stille Heide regnet, Wenn im Gebirg die fernen Glocken hallen. Nikolaus Lenau (1837)
Ach hätte die Rose Flügel, sie flöge hinüber zu dir, und brächte dir tausend Grüsse, und du wüsstest sie kämen von mir. O konnte die Rose singen, ich sendete sie an dich und sie sänge dir dieses Liedchen, und du dächtest dabei an mich. Sie kann nicht fliegen, nicht singen! Ich bin die Sehnsucht so müd, drum fliege ich selber und bringe dir Gruß und Rose und Lied. R. E. Wegener