Abschiedshauch durchweht die Lüfte, Letzte Farben, letzte Düfte, Und ein letzter holder Klang. - Wo sind jene schönen Tage, Da aus jedem Blütenhage Tönte Nachtigallensang? Zwar noch blüht die letzte Rose, Doch die bleiche Herbstzeitlose Schimmert schon im Wiesengrün; Sie verschlief das beste Wetter Und nun kommt sie ohne Blätter Sich beizeit noch auszublühn. Träumerisch in sich versunken Und wie von Erinnrung trunken Liegt die Welt so blau und weit, Sehnsuchtsvoll, mit sanfter Klage, Still gedenkend goldner Tage Und der schönen Rosenzeit! Heinrich Seidel
Welkes Blatt Jede Blüte will zur Frucht, jeder Morgen Abend werden. Ewiges ist nicht auf Erden als der Wandel, als die Flucht. Auch der schönste Sommer will einmal Herbst und Welke spüren. Halte, Blatt, geduldig still, wenn der Wind dich will entführen. Spiel dein Spiel und wehr dich nicht, laß es still geschehen. Laß vom Winde, der dich bricht, dich nach Hause wehen. Hermann Hesse
Schneeflöckchen- Weissröckchen bald ist es soweit.... ...und dann kommt der Schneepflug, und der fährt Dich breit.
O Sonnenschein, o Sonnenschein! Wie scheinst du mir ins Herz hinein, Weckst drinnen lauter Liebeslust, Daß mir so enge wird die Brust! Und enge wird mir Stub' und Haus, Und wenn ich lauf zum Tor hinaus, Da lockst du gar ins frische Grün Die allerschönsten Mädchen hin! O Sonnenschein! Du glaubest wohl, Daß ich wie du es machen soll, Der jede schmucke Blume küßt, Die eben nur sich dir erschließt? Hast doch so lang die Welt erblickt, Und weißt, daß sich's für mich nicht schickt; Was machst du mir denn solche Pein? O Sonnenschein! o Sonnenschein! Robert Reinick (1805-1852)
Liebe Juliane, das freut mich! Für Dich hier noch ein Gedicht von der Sonne: An einem lichten Morgen, da klingt es hell im Tal: wach'auf, du liebe Blume, ich bin der Sonnenstrahl! Erschließe mit Vertrauen dein Blütenkämmerlein und laß die heiße Liebe in's Heiligtum hinein. Ich will ja nichts verlangen als liegen dir im Schoß und deine Blüte küssen, eh' sie verwelkt im Moos. Ich will ja nichts begehren als ruh'n an deiner Brust und dich dafür verklären mit sonnenheller Lust. Hermann Rollet (1819-1904)
Allerseelen Stell auf den Tisch die duftenden Reseden, Die letzten roten Astern trag herbei, Und laß uns wieder von der Liebe reden, Wie einst im Mai. Gib mir die Hand, daß ich sie heimlich drücke Und wenn man's sieht, mir ist es einerlei, Gib mir nur einen deiner süßen Blicke, Wie einst im Mai. Es blüht und funkelt heut auf jedem Grabe, Ein Tag im Jahr ist ja den Toten frei, Komm an mein Herz, daß ich dich wieder habe, Wie einst im Mai. Hermann von Gilm zu Rosenegg (1812-1864)
Novembertag Nebel hängt wie Rauch ums Haus, drängt die Welt nach innen; ohne Not geht niemand aus; alles fällt in Sinnen. Leiser wird die Hand, der Mund, stiller die Gebärde. Heimlich, wie auf Meeresgrund, träumen Mensch und Erde. Christian Morgenstern (1871 - 1914)
Schwarzgraue Wolken ziehen von Westen ohne Ruh, Zugvögelscharen fliehen dem warmen Süden zu. Vom Baume löst sich leise das letzte gelbe Blatt, und legt nach kurzer Reise sich müde in den Staub. Ein Käuzchen hör ich klagen im öden Waldrevier; den Herbstwind hör ich fragen: Was tust denn du noch hier? Johann Gottfried Herder (1744-1803)
Wem Gott will rechte Gunst erweisen, Den schickt er in die weite Welt, Dem will er seine Wunder weisen In Berg und Wald und Strom und Feld. Die Bächlein von den Bergen springen, Die Lerchen schwirren hoch vor Lust, Was sollt' ich nich mit ihnen singen Aus voller Kehl' und frischer Brust? Den lieben Gott laß ich nur walten; Der Bächlein, Lerchen, Wald und Feld, Und Erd' und Himmel will erhalten, Hat auch mein Sach' aufs Best' bestellt. Josef von Eichendorff
Herbstlaunen Ganz allmählich übergab der Sommer dem Herbst das Regiment. Mit zaghaftem Pinsel setzt dieser seine ersten Markenzeichen. Er verwandelt die Natur in ein einziges Märchenbild. Irgendwann hatte er genug von all der Schönheit. Er stürmte und tobte, riss die Blätter von den Bäumen und ließ die Natur nackt und verwüstet zurück. Jetzt kann man nur hoffen, dass der Winter schnell alles unter eine weiße Decke verschwinden lässt. von Annegret Kronenberg
Zu Golde ward die Welt; zu lange traf der Sonne süßer Strahl das Blatt, den Zweig. Nun neig dich, Welt, hinab. Bald sinkt's von droben dir in flockigen Geweben verschleiernd zu - und bringt dir Ruh, o Welt, o dir, zu Gold geliebtes Leben, Ruh. Christian Morgenstern
Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir andre an: es ist in allen. Und doch ist Einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält. Rainer Maria Rilke
Georg Trakl (1887 - 1914) Verklärter Herbst Gewaltig endet so das Jahr Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. Rund schweigen Wälder wunderbar Und sind des Einsamen Gefährten. Da sagt der Landmann: Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise Gebt noch zum Ende frohen Mut. Ein Vogelzug grüßt auf der Reise. Es ist der Liebe milde Zeit. Im Kahn den blauen Fluss hinunter Wie schön sich Bild an Bildchen reiht - Das geht in Ruh und Schweigen unter.
Die Vögel fliehn geschwind Zum Nest im Wetterhauche, Doch schleudert sie der Wind Weitab von ihrem Strauche. Das Wild mit banger Hast Ist ins Gebüsch verkrochen; Manch grüner frischer Ast Stürzt nieder, sturmgebrochen. Das Heer der Wolken schweift Mit roten Blitzesfahnen, Aufspielend wirbelt, pfeift Die Bande von Orkanen. Das Bächlein, sonst so milde, Ist ausser sich geraten, Springt auf an Bäumen wild, Verwüstend in die Saaten. Der Donner bricht herein, Es kracht die Welt in Wettern, Als wollt' am Felsgestein Der Himmel sich zerschmettern. Der Regen braust; nun schwand Das Tal in seiner Dichte; Verpfählt hat er das Land Vor meinem Augenlichte. Doch mir im Herzensgrund Ist Heiterkeit und Stille; Mir wächst in solcher Stund Und härtet sich der Wille. Nikolaus Lenau (1802-1850)
Jetzt ist es Herbst, Die Welt ward weit, Die Berge öffnen ihre Arme Und reichen dir Unendlichkeit. Kein Wunsch, kein Wuchs ist mehr im Laub, Die Bäume sehen in den Staub, Sie lauschen auf den Schritt der Zeit. Jetzt ist es Herbst, das Herz ward weit. Das Herz, das viel gewandert ist, Das sich verjüngt mit Lust und List, Das Herz muss gleich den Bäumen lauschen Und Blicke mit dem Staube tauschen. Es hat geküsst, ahnt seine Frist, Das Laub fällt hin, das Herz vergisst. Max Dauthencdey (1867-1918)
Schon mischt sich Rot in der Blätter Grün, Reseden und Astern im Verblühn, Die Trauben geschnitten, der Hafer gemäht, Der Herbst ist da, das Jahr wird spät. Und doch (ob Herbst auch) die Sonne glüht. Weg drum mit der Schwermut aus deinem Gemüt! Banne die Sorge, genieße, was frommt, Eh Stille, Schnee und Winter kommt. Theodor Fontane
Jetzt reifen schon die roten Berberitzen, alternde Astern atmen schwach im Beet. Wer jetzt nicht reich ist, da der Sommer geht, wird immer warten und sich nie besitzen. Wer jetzt nicht seine Augen schließen kann, gewiß, daß eine Fülle von Gesichten in ihm nur wartet bis die Nacht begann, um sich in seinem Dunkel aufzurichten:- der ist vergangen wie ein alter Mann. Dem kommt nichts mehr, dem stößt kein Tag mehr zu, und alles lügt ihn an, was ihm geschieht; auch du, mein Gott. Und wie ein Stein bist du, welcher ihn täglich in die Tiefe zieht. Rainer Maria Rilke
Laternen-Lieder Ich geh´mit meiner Laterne, und meine Laterne mit mir. Da oben leuchten die Sterne, und unten leuchten wir. Mein Licht ist aus, ich geh´nach Haus´, rabimmel-rabammel-rabum.... Laterne, Laterne, Sonne, Mond und Sterne! Brenne auf, mein Licht, brenne auf, mein Licht, aber nur meine liebe Laterne nicht! Die Verfasser kenne ich nicht.
Wie so leis' die Blätter wehn, In dem lieben, stillen Hain, Sonne will schon schlafen gehn, Läßt ihr goldnes Hemdelein Sinken auf den grünen Rasen, Wo die schlanken Hirsche grasen In dem roten Abendschein. In der Quellen klaren Flut Treibt kein Fischlein mehr sein Spiel, Jedes suchet, wo es ruht, Sein gewöhnlich Ort und Ziel, Und entschlummert überm Lauschen Auf der Wellen leises Rauschen Zwischen bunten Kieseln kühl. Schlank schaut auf der Felsenwand Sich die Glockenblume um; Denn verspätet über Land Will ein Bienchen mit Gesumm Sich zur Nachtherberge melden, In der blauen, zarten Zelten, Schlüpft hinein und wird ganz stumm. Treuer Gott, du bist nicht weit, Dir vertraun wir ohne Harm In der wilden Einsamkeit Wie in Hofes eitlem Schwarm. Du wirst uns die Hütte bauen, Daß wir fromm und voll Vertrauen Sicher ruhn in deinem Arm. Clemens von Brentano