Wenn im Sommer der rote Mohn wieder glüht im gelben Korn, wenn des Finken süßer Ton wieder lockt im Hagedorn, wenn es wieder weit und breit feierklar und fruchtstill ist, dann erfüllt sich uns die Zeit, die mit vollen Massen misst. Dann verebbt, was uns bedroht, dann verweht, was uns bedrückt, über dem Schlangenkopf der Not ist das Sonnenschwert gezückt. Glaube nur, es wird geschehn! Wende nicht den Blick zurück! Wenn die Sommerwinde wehn, werden wir in Rosen gehn, und die Sonne lacht uns Glück! Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Mondnacht Es war, als hätt' der Himmel, Die Erde still geküßt, Daß sie im Blütenschimmer Von ihm nun träumen müßt. Die Luft ging durch die Felder, Die Ähren wogten sacht, Es rauschten leis die Wälder, So sternklar war die Nacht. Und meine Seele spannte Weit ihre Flügel aus, Flog durch die stillen Lande, Als flöge sie nach Haus. Josef von Eichendorff
Regenbogengedicht Zauber aus sterbendem Licht, Glück wie Musik zerronnen, Schmerz im Madonnengesicht, Das eins bittere Wonne... Blüten vom Sturm gefegt, Kränze auf Gräber gelegt, Heiterkeit ohne Dauer, Stern, der ins Dunkel fällt. Schleier von Schönheit und Trauer Über dem Abgrund der Welt. Hermann Hesse
Am Brunnen vor dem Tore Da steht ein Lindenbaum; Ich träumt in seinem Schatten So manchen süßen Traum. Ich schnitt in seine Rinde So manches liebe Wort; Es zog in Freud' und Leide Zu ihm mich immer fort. Ich mußt' auch heute wandern Vorbei in tiefer Nacht, Da hab' ich noch im Dunkel Die Augen zugemacht. Und seine Zweige rauschten, Als riefen sie mir zu: Komm her zu mir, Geselle, Hier find'st du deine Ruh'! Die kalten Winde bliesen Mir grad ins Angesicht; Der Hut flog mir vom Kopfe, Ich wendete mich nicht. Nun bin ich manche Stunde Entfernt von jenem Ort, Und immer hör' ich's rauschen: Du fändest Ruhe dort! Wilhelm Müller (1794-1824)
Guter Rat An einem Sommermorgen da nimm den Wanderstab, es fallen deine Sorgen wie Nebel von dir ab. Des Himmels heitre Bläue lacht dir ins Herz hinein und schließt, wie Gottes Treue, mit seinem Dach dich ein. Rings Blüten nur und Triebe und Halme von Segen schwer, dir ist, als zöge die Liebe des Weges nebenher. So heimisch alles klingt als wie im Vaterhaus, und über die Lerchen schwingt die Seele sich hinaus. Theodor Fontane
Vöglein vom Zweig Gaukelt hernieder; Lustig sogleich Schwingt es sich wieder. Jetzt dir so nah, Jetzt sich versteckend; Abermals da, Scherzend und neckend. Tastest du zu, Bist du betrogen, Spottend im Nu Ist es entflogen. Still! Bis zur Hand Wird's dir noch hüpfen, Bist du gewandt, Kann's nicht entschlüpfen. Ist's denn so schwer Das zu erwarten? Schau' um dich her: Blühender Garten! Ei, du verzagst? Laß' es gewähren, Bis du's erjagst, Kannst du's entbehren. Wird's doch auch dann Wenig nur bringen, Aber es kann Süßestes singen. Friedrich Hebbel (1813-1863)
Schmetterling O Schmetterling sprich, was fliehest du mich? warum doch so eilig, jetzt fern und dann nah! Jetzt fern und dann nah, jetzt hier und dann da. -- ich will dich nicht haschen, ich tu dir kein Leid. Ich tu dir kein Leid: o bleib allezeit! und wär ich ein Blümchen, so spräch ich zu dir. So spräch ich zu dir: komm, komm doch zu mir! ich schenk dir mein Herzchen, wie gut bin ich dir! August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Der Schmetterling ist in die Rose verliebt, Umflattert sie tausendmal, Ihn selber aber goldig zart Umflattert der liebende Sonnenstrahl. Jedoch, in wen ist die Rose verliebt? Das wüßt' ich gar so gern. Ist es die singende Nachtigall? Ist es der schweigende Abendstern? Ich weiß nicht, in wen die Rose verliebt; Ich aber lieb' euch all: Rose, Schmetterling, Sonnenstrahl, Abendstern und Nachtigall. Heinrich Heine
Reizender Schmetterling, Flüchtiges, kleines Ding, Willst du nicht einmal ruhn, Mir es zu Liebe tun, Daß ich gemütlich kann Schauen dein Kleidchen an? Reizender Schmetterling, Flüchtiges, kleines Ding, Schmetterling, setz' dich! Kleiner, was neckst du mich, Warte, jetzt fang ich dich! Blühendes Röslein dort Läßt dich so lang nicht fort. Wehe, da bist du schon Wieder mir schnell entflohn! Reizender Schmetterling, Flüchtiges, kleines Ding, Schmetterling, setz' dich! Will nicht den ganzen Tag Laufen dir Flüchtling nach! Da ich nun ruhe hier, Kommst du wohl selbst zu mir! Sieh doch, da bist du ja, Spielst mir ums Haupt so nah! Reizender Schmetterling, Flüchtiges, kleines Ding, Schmetterling, setz' dich! Francke
Rose Rose, du thronende, denen im Altertume Warst du ein Kelch mit einfachem Rand. Uns aber bist du die volle zahllose Blume, Der unerschöpfliche Gegenstand. In deinem Reichtum scheinst du wie Kleidung um Kleidung Um einen Leib aus nichts als Glanz; Aber dein einzelnes Blatt ist zugleich die Vermeidung Und die Verleugnung jedes Gewands. Seit Jahrhunderten ruft uns dein Duft Seine süßesten Namen herüber; Plötzlich liegt er wie Ruhm in der Luft. Dennoch, wir wissen ihn nicht zu nennen, wir raten... Und Erinnerung geht zu ihm über, Die wir von rufbaren stunden erbaten. Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Wenn im Sommer der rote Mohn wieder glüht im gelben Korn, wenn des Finken süßer Ton wieder lockt im Hagedorn, wenn es wieder weit und breit feierklar und fruchtstill ist, dann erfüllt sich uns die Zeit, die mit vollen Massen misst, Dann verebbt, was uns bedroht, dann verweht, was uns bedrückt, über dem Schlangenkopf der Not ist das Sonnenschwert gezückt. Glaube nur, es wird geschehn! Wende nicht den Blick zurück! Wenn die Sommerwinde wehn, werden wir in Rosen gehn, und die Sonne lacht uns Glück! Otto Julius Bierbaum (1865-1910)
Schon ist der Tag erschienen, Die Berge werden klar, Und ob den Gletschern segelt Ein sonnentrunk'ner Aar. Aus blauer Tiefe läutet Der Sonntag milden Gruß, Sein Engel schwebt vorüber Mit sel'gem Friedenskuß. An grasigen Sonnenhängen Klettern die Herden umher, Die Alpenrosen duften Vom Silberthau noch schwer. Ich schaue hinaus in die Frühe Vom höchsten Felsenhaupt, Und schwing' in die himmlischen Lüfte Den Hut von Zweigen umlaubt. Die Berge, die Gletscher, die Seen, Die Wiesen, die Büsche, der Wald, Sie stehen vor meiner Seele In ewiger Lichtgestalt. Robert Weber (1824-1896)
Des Sonntags in der Morgenstund, Wie wandert's sich so schön Am Rhein, wenn rings in weiter Rund Die Morgenglocken gehn! Ein Schifflein zieht auf blauer Flut, Da singt's und jubelt's drein; Du Schifflein, gelt, das fährt sich gut In all die Lust hinein? Vom Dorfe hallet Orgelton, Es tönt ein frommes Lied, Andächtig dort die Prozession Aus der Kapelle zieht. Und ernst in all die Herrlichkeit Die Burg herniederschaut Und spricht von alter, guter Zeit, Die auf den Fels gebaut. Das alles beut der prächtge Rhein An seinem Rebenstrand, Und spiegelt recht im hellsten Schein Das ganze Vaterland, Das fromme, treue Vaterland In seiner vollen Pracht, Mit Lust und Liedern allerhand Vom lieben Gott bedacht. Robert Reinick (1805-1852)
Sonnenblumen Sonnenblumen schauen über die Gartenmauer, Wie in goldenen Hauben Gesichter von Frauen. Sie sehen aus goldgelben Krausen heraus Hochaufgerichtet wie zur ewigen Dauer; Wie Riesinen, die Wache bei den Lauben stehen, Bei den Sommerlauben von hochroten Bohnenblüten, Drinnen Tisch und Bänke und Gedanken nicht vom Flecke gehen; Wo die Worte sich hüten, und die Augen viel gestehen und groß aussehen Wie die großgelben Blumen, die sich nach der Sonne drehen, Wie die Blumen, die goldene Räder werden an Wagen, Die mit den Verliebten durch den Sommerhimmel jagen Und eitel Liebeswünsche tragen. Max Dauthendey Liebe neli! Hier ein paar Fotos von meinen Sonnenblummen, aus dem Garten.
Ich bin die Blum' im Garten, Und muß in Stille warten, Wann und in welcher Weise Du trittst in meine Kreise. Kommst du, ein Strahl der Sonne, So werd' ich deiner Wonne Den Busen still entfalten Und deinen Blick behalten. Kommst du als Tau und Regen, So werd' ich deinen Segen In Liebesschalen fassen, Ihn nicht versiegen lassen. Und fährtest du gelinde Hin über mich im Winde, So werd' ich dir mich neigen, Sprechend: Ich bin dein eigen. Friedrich Rückert (1788-1866)
Wandrers Nachtlied Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögelein schweigen im Walde, warte nur, balde ruhest du auch! Johann Wolfgang von Goethe
An einem schönen Sommerabende Lieblich senkt die Sonne sich, Alles freut sich wonniglich In des Abends Kühle! Du gibst jedem Freud und Rast, Labst ihn nach des Tages Last Und des Tages Schwüle. Horch, es lockt die Nachtigall, Und des Echos Widerhall Doppelt ihre Lieder! Und das Lämmchen hüpft im Tal, Freude ist jetzt überall, Wonne senkt sich nieder! Wonne in des Menschen Brust, Der der Freud ist sich bewusst, Die ihm Gott gegeben, Die du jedem Menschen schufst, Den aus nichts hervor du rufst Auf zum ew'gen Leben.
Es ist so still geworden, Verrauscht des Abends Wehn, Nun hört man aller Orten Der Engel Füße gehn. Rings in die Tiefe senket Sich Finsternis mit Macht; Wirf ab, Herz, was dich kränket, Und was dir bange macht! Nun stehn im Himmelskreise Die Stern' in Majestät; In gleichem, festem Gleise Der goldne Wagen geht. Und gleich den Sternen lenket Er deinen Weg durch Nacht; Wirf ab, Herz, was dich kränket, Und was dir bange macht! Johann Gottfried Kinkel (1815-1882)
Sommer Am Abend schweigt die Klage des Kuckucks im Wald. Tiefer neigt sich das Korn, der rote Mohn. Schwarzes Gewitter droht über dem Hügel. Das alte Lied der Grille erstirbt im Feld. Nimmer regt sich das Laub der Kastanie. Auf der Wendeltreppe rauscht dein Kleid. Stille leuchtet die Kerze im dunklen Zimmer; eine silberne Hand 1) löschte sie aus; windstille, sternlose Nacht. Georg Trakl
Guter Mond, du gehst so stille durch die Abendwolken hin, deines Schöpfers weiser Wille hieß auf jener Bahn dich ziehn. Leuchte freundlich jedem Müden in das stille Kämmerlein und dein Schimmer gieße Frieden ins bedrängte Herz hinein. Guter Mond, du wandelst leise an dem blauen Himmelszelt, wo dich Gott zu seinem Preise hat als Leuchte hingestellt. Blicke traulich zu uns nieder durch die Nacht aufs Erdenrund. Als ein treuer Menschenhüter tust du Gottes Liebe kund. Guter Mond, so sanft und milde glänzest du im Sternenmeer, wallest in dem Lichtgefilde hehr und feierlich einher. Menschentröster, Gottesbote, der auf Friedenswolken thront, zu dem schönsten Morgenrote führst du uns, o guter Mond. Volkslied