Frühlingserwachen An Birkenzweigen blättert der volle Keim herauf, das frohe Eichhorn klettert den Stamm hinab, hinauf, die trägen Winterschläfer, die Bienen und die Käfer, und Hummeln wachen auf. Mit grünen Wasserlinsen färbt sich der Wiesen Moor, es hüpft an Schilf und Binsen der muntre Frosch hervor, die Wasserjungfern fliegen am Ufer hin und wiegen sich froh am jungen Rohr. Und an den Gartenbäumen ist alles weiß und grün, die Maienblümchen keimen, Hollunder und Jasmin, bald wird die Ros', o Wonne! am warmen Strahl der Sonne für alle Menschen blühn. Anonymus
Frühling läßt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte; Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land. Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen. Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Eduard Mörike
Frühling schimmert in den Lüften, Gleisset in der Sonne Glanz, Spielt in süßen, lauen Düften, Spielt im wirren Mückentanz. Frühling blüht auf allen Stegen, Jauchzet in der Lerche Lied - Und auf hohen Himmelswegen Er in hellen Wolken zieht. Doch im jungen Menschenherzen Blüht's noch lichter als im Tal, Blüh'n der Liebe süße Schmerzen, Aufgeküßt vom Frühlingsstrahl. Karl Freiherr von Lemayer
Frühlingsbotschaft Leise zieht durch mein Gemüt Liebliches Geläute. Klinge, kleines Frühlingslied, Kling hinaus ins Weite. Kling hinaus bis an das Haus, Wo die Veilchen sprießen. Wenn du eine Rose schaust, Sag, ich laß sie grüßen. Heinrich Heine
Frühlingsglaube Die linden Lüfte sind erwacht, Sie säuseln und weben Tag und Nacht, Sie schaffen an allen Enden. O frischer Duft, o neuer Klang! Nun, armes Herze, sei nicht bang! Nun muß sich alles, alles wenden. Die Welt wird schöner mit jedem Tag, Man weiß nicht, was noch werden mag, Das Blühen will nicht enden. Es blüht das fernste, tiefste Tal: Nun, armes Herz, vergiß der Qual! Nun muß sich alles, alles wenden. Ludwig Uhland
Der Baum So lange meine Erinnerungen reichen, steht auf der Anhöhe der alte Baum Ich sah mit ihm die Jahre verstreichen, wie einen buntgefärbten Traum Generationen von Vogelkindern schlummerten geborgen hoch in seinem starken Geäst und begrüßten mit Gezwitscher jeden jungen Morgen des Lebens wie ein Freudenfest Von der Bank unter seinen Zweigen schweift mein Blick über ein sanftes Tal das sich stetig wandelt im Jahreszeitenreigen gleich einem göttlichen Ritual Und wenn man ganz still ist, hört man ihn leise berichten von seinem Leben an diesem wunderbaren Ort Frühling-, Sommer-, Herbst- und Wintergeschichten trägt der Wind flüsternd mit sich fort... (von Medi )
So hört doch, was die Lerche singt! Hört, wie sie frohe Botschaft bringt! Es kommt auf goldnem Sonnenstrahl Der Frühling heim in unser Tal, Er streuet bunte Blumen aus Und bringet Freud' in jedes Haus. Winter, ade! Frühling, juchhe! Was uns die liebe Lerche singt, In unsern Herzen wiederklingt. Der Winter sagt: ade! ade! Und hin ist Kälte, Reif und Schnee Und Nebel hin und Dunkelheit - Willkommen, süße Frühlingszeit! Winter, ade! Frühling, juchhe! August Heinrich Hoffmann von Fallersleben (1798 - 1874)
Was rauschet, was rieselt, was rinnet so schnell? Was blitzt in der Sonne? Was schimmert so hell? Und als ich so fragte, da murmelt der Bach: »Der Frühling, der Frühling, der Frühling ist wach!« Was knospet, was keimet, was duftet so lind? Was grünet so fröhlich? Was flüstert im Wind? Und als ich so fragte, da rauscht es im Hain: »Der Frühling, der Frühling, der Frühling zieht ein!« Was klingelt, was klaget, was flötet so klar? Was jauchzet, was jubelt so wunderbar? Und als ich so fragte, die Nachtigall schlug: »Der Frühling, der Frühling!«- da wusst' ich genug! Heinrich Seidel (1842-1906)
Ins Grüne, ins Grüne, Da lockt uns der Frühling, der liebliche Knabe, Und führt uns am blumenumwundenen Stabe Hinaus, wo die Lerchen und Amseln so wach, In Wälder, auf Felder, auf Hügel zum Bach, Ins Grüne, ins Grüne. Im Grünen, im Grünen, Da lebt es sich wonnig, da wandeln wir gerne Und heften die Augen dahin schon von ferne, Und wie wir so wandeln mit heiterer Brust, Umwallet uns immer die kindliche Lust, Im Grünen, im Grünen. Im Grünen, im Grünen, Da ruht man so wohl, empfindet so Schönes, Und denket behaglich an dieses und jenes, Und zaubert von hinnen, ach, was uns bedrückt, Und alles herbei, was den Busen entzückt, Im Grünen, im Grünen. Johann Anton Friedrich Reil (1773-1843)
Auftaute die Erde vom Strahle der Sonne, ringsum wird's lebendig, der Frühling ist da, keimt und sprießt, sproßt und grünt. Seht doch das Köpfchen läutet wie Glöckchen, haucht lieblichen Duft! Freut sich der Schöpfer, hört, wie es läutet: Du machtest es gut, du machtest es gut! Anonymus
Es färbte sich die Wiese grün, Und um die Hecken sah ichs blühn, Tagtäglich sah ich neue Kräuter Mild war die Luft der Himmel heiter. Ich wußte nicht wie mir geschah Und wie das wurde was ich sah. Und immer dunkler ward der Wald, Auch bunter Sänger Aufenthalt, Es drang mir bald auf allen Wegen Ihr Klang im süßen Duft entgegen Ich wußte nicht wie mir geschah Und wie das wurde was ich sah. Es quoll und trieb nun überall Mit Leben, Farben, Duft und Schall; Sie schienen gern sich zu vereinen, Das alles möchte lieblich scheinen. Ich wußte nicht wie mir geschah Und wie das wurde was ich sah. So dacht' ich ist ein Geist erwacht Der alles so lebendig macht Und der mit tausend schönen Waaren Und blüten sich will offenbaren? Ich wußte nicht wie mir geschah Und wie das wurde was ich sah. Wie ich so stand und bei mir sann Ein mächt'ger Trieb in mir begann, Ein freundlich Mädchen kam gegangen Und nahm mir jeden Sinn gefangen. Ich wußte nicht wie mir geschah Und wie das wurde was ich sah. Uns barg der Wald vor Sonnenschein Das ist der Frühling! fiel mir ein Und kurz ich sah daß jetzt auf Erden Die Menschen sollten Gotter werden. Nun wußt' ich wohl wie mir geschah Und wie das wurde was ich sah. Novalis (1772-1801)
Tage der Wonne, Kommt ihr so bald? Schenkt mir die Sonne, Hügel und Wald? Reichlicher fließen Bächlein zumal. Sind es die Wiesen? Ist es das Tal? Blauliche Frische! Himmel und Höh! Goldene Fische Wimmeln im See. Buntes Gefieder Rauschet im Hain; Himmlische Lieder Schallen darein. Unter des Grünen Blühender Kraft Naschen die Bienen Summend am Saft. Leise Bewegung Bebt in der Luft, Reizende Regung, Schläfernder Duft. Mächtiger rühret Bald sich ein Hauch, Doch er verlieret Gleich sich im Strauch. Aber zum Busen Kehrt er zurück. Helfet, ihr Musen, Tragen das Glück! Saget, seit gestern Wie mir geschah? Liebliche Schwestern, Liebchen ist da! Johann Wolfgang Goethe, 1749-1832
Frühling Über Hecken schaun bunte Sträuße Apfelblüten, Schneeball und Syringen. Blonde Mädels bummeln singend durch den Frühling. Mit dem Goldstaub eines frühen Schmetterlings spielt die Sonne. Lerchen steigen jubelnd in den Äther. – In die Einsamkeit der Höhen flüchte ich vor diesem lauten Feiern. Unter mir im Glanz der Sonne weitet sich das buntgeschmückte Land. Doch bis zum höchsten Gipfel dringt ein Klingen, leises Flüstern. Immer stärker wird das Raunen und zum Jauchzen wächst der Ruf Frühling, Frühling! – Kehre traurig diesem Feste Pans den Rücken und verkrieche mich im Dunkel schwarzer Tannen. Hermann Harry Schmitz
Frühling Die Bäume im Ofen lodern. Die Vögel locken am Grill. Die Sonnenschirme vermodern. Im übrigen ist es still. Es stecken die Spargel aus Dosen Die zarten Köpfchen hervor. Bunt ranken sich künstliche Rosen In Faschingsgirlanden empor. Ein Etwas, wie Glockenklingen, Den Oberkellner bewegt, Mir tausend Eier zu bringen, Von Osterstören gelegt. Ein süßer Duft von Havanna Verweht in ringelnder Spur. Ich fühle an meiner Susanna Erwachende neue Natur. Es lohnt sich manchmal, zu lieben, Was kommt, nicht ist oder war. Ein Frühlingsgedicht, geschrieben Im kältesten Februar. Aus: Flugzeuggedanken von Joachim Ringelnatz
Wie herrlich leuchtet Mir die Natur! Wie glänzt die Sonne! Wie lacht die Flur! Es dringen Blüten Aus jedem Zweig Und tausend Stimmen Aus dem Gesträuch Und Freud' und Wonne Aus jeder Brust. O Erd', o Sonne! O Glück, o Lust! O Lieb', o Liebe! So golden schön, Wie Morgenwolken Auf jenen Höhn! Du segnest herrlich Das frische Feld, Im Blütendampfe Die volle Welt. O Mädchen, Mädchen, Wie lieb' ich dich! Wie blickt dein Auge! Wie liebst du mich! So liebt die Lerche Gesang und Luft, Und Morgenblumen Den Himmelsduft, Wie ich dich liebe Mit warmem Blut, Die du mir Jugend Und Freud' und Mut Zu neuen Liedern Und Tänzen gibst. Sei ewig glücklich, Wie du mich liebst! Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)
Als ich das erste Veilchen erblickt, Wie war ich von Farben und Duft entzückt! Die Botin des Lenzes drückt' ich voll Lust An meine schwellende, hoffende Brust. Der Lenz ist vorüber, das Veilchen ist tot; Rings steh'n viel Blumen blau und rot, Ich stehe inmitten, und sehe sie kaum, Das Veilchen erscheint mir im Frühlingstraum. Karl Egon Ebert (1801-1882)
Nun will der lenz uns grüßen, von Mittag weht es lau, aus allen Ecken sprießen die Blumen rot und blau. draus wob die braune Heide sich ein Gewand gar fein und lädt im Festtagskleide zum Maientanze ein. Waldvöglein Lieder singen, wie Ihr sie nur begehrt, drum auf zum frohen Springen, die Reis` ist Goldes Wert. Hei, unter grünen Linden, da leuchten weiße kleid! Heija, nun hat uns Kindern ein End all Winterleid. Volkslied
Seht meine lieben Bäume an, Wie sie so herrlich stehn, Auf allen Zweigen angetan Mit Reifen wunderschön! Von unten an bis oben 'naus Auf allen Zweigelein Hängt's weiß und zierlich, zart und kraus, Und kann nicht schöner sein. Ein Engel Gottes geht bei Nacht, Streut heimlich hier und dort, Und wenn der Bauersmann erwacht, Ist er schon wieder fort. Du Engel, der so gütig ist, Wir sagen Dank und Preis, O mach uns doch zum heil'gen Christ Die Bäume wieder weiß! Matthias Claudius (1740-1815)
Osterlied Die Glocken läuten das Ostern ein In allen Enden und Landen, Und fromme Herzen jubeln darein: Der Lenz ist wieder erstanden! Es atmet der Wald, die Erde treibt Und kleidet sich lachend in Moose, Und aus den schönen Augen reibt Den Schlaf sich erwachend die Rose. Das schaffende Licht, es flammt und kreist Und sprengt die fesselnde Hülle; Und über den Wassern schwebt der Geist Unendlicher Liebesfülle. Adolf Böttger (1815-1870)
Frühling Frühling soll mit süßen Blicken Mich entzücken und berücken, Sommer mich mit Frucht und Myrthen Reich bewirten, froh umgürten. Herbst, du sollst mich Haushalt lehren, Zu entbehren, zu begehren, Und du Winter lehr mich sterben, Mich verderben, Frühling erben. Clemens Brentano