Bitte alle mitmachen: Naturgedichte und -lieder

Dieses Thema im Forum "Kaffeeklatsch" wurde erstellt von Neli, 18. März 2007.

  1. Gucki

    Gucki Guest

    Im September

    Wir wollen in den Nussbusch gehn
    Und dort einmal zum Rechten sehn.
    Das Eichhorn und der Häher
    Sind arge Nüssespäher,
    Der Buntspecht und die Haselmaus,
    Die lieben auch den Nusskernschmaus!
    Sie nagen und sie zwicken,
    Sie hacken und sie picken,
    Und wer nicht kommt zur rechten Zeit,
    Geht, wie ihr wisst, der Mahlzeit queit.

    Wir wollen in den Garten gehen
    Und dort einmal zum Rechten sehn.
    Zur Nachtzeit war es windig!
    Nun seht nur her! Was find ich
    Im sand’gen Steig, im grünen Gras,
    Bald hier, bald dort? Was ist denn das?
    Äpfel mit rothen Stirnen
    Und goldgestreifte Birnen!
    Und dort beim Eierpflaumenbaum ...
    O seht nur hin! Man glaubt es kaum!

    Wir wollen an den Zaun hin gehn
    Und dort einmal zum Rechten sehn.
    Was steht denn gleich dahinter?
    O seht, zwei arme Kinder!
    Sie ladet hinter ihrem Haus
    Kein Garten ein zu frohem Schmaus.
    Da sollte man doch denken:
    Heut’ giebt’s was zu verschenken!
    Und merkt ihr erst, wie wohl das thut,
    Da schmeckt es euch noch mal so gut.


    Heinrich Seidel
     
  2. Neli

    Neli Optimistin

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    Im Nebel ruhet noch die Welt,
    Noch träumen Wald und Wiesen.
    Bald siehst du, wenn der Schleier fällt,
    Den blauen Himmel unverstellt,
    Herbstkräftig die gedämpfte Welt
    Im warmem Golde fließen.


    Eduard Mörike (1804-1875)
     

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  3. Susanne L.

    Susanne L. Mitglied

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    Sachsen
    Nach wie vor

    Ich ging in den Wald, wollte Grünlinge suchen.
    Doch das lodernde Laub der Oktoberbuchen
    Im sonnendurchfluteten Wald
    hat mich verwirrt: Wie beschreibt man Farben,
    Die fließen wie Honig und Harz
    Über Blattstrukturen, die langsam vernarben?
    Das Astholz steht dazu schwarz,
    Das eigentlich grün ist und überdunkelt
    Von Feuchte. Es leuchtet nicht.
    Doch in jeder feuchten Blattmulde funkelt
    Eine Feder aus springendem Licht.
    Ich ging in den Wald. Wollte Grünlinge suchen.
    Und brachte nur Worte nach Haus.
    Und nach wie vor sah das Laub der Buchen
    Unbeschreiblich aus.

    Eva Strittmatter (*1930)
     
    #443 27. September 2008
    Zuletzt bearbeitet: 29. September 2008
  4. Neli

    Neli Optimistin

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    Müder Glanz der Sonne!
    Blasses Himmelblau!
    Von verklungner Wonne
    Träumet still die Au.

    An der letzten Rose
    Löset lebenssatt
    Sich das letzte lose,
    Bleiche Blumenblatt!

    Goldenes Entfärben
    Schleicht sich durch den Hain!
    Auch Vergehn'n und Sterben
    Däucht mir süß zu sein.


    Friedrich Karl von Gerok (1815-1890)
     

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  5. sisi

    sisi Neues Mitglied

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  6. Neli

    Neli Optimistin

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    Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
    Wie steigst du von den Bergen sacht,
    Die Lüfte alle schlafen,
    Ein Schiffer nur noch, wandermüd',
    Singt übers Meer sein Abendlied
    Zu Gottes Lob im Hafen.

    Die Jahre wie die Wolken gehn
    Und lassen mich hier einsam stehn,
    Die Welt hat mich vergessen,
    Da tratst du wunderbar zu mir,
    Wenn ich beim Waldesrauschen hier
    Gedankenvoll gesessen.

    O Trost der Welt, du stille Nacht!
    Der Tag hat mich so müd gemacht,
    Das weite Meer schon dunkelt,
    Laß ausruhn mich von Lust und Not,
    Bis daß das ew'ge Morgenrot
    Den stillen Wald durchfunkelt.
    `

    Josef von Eichendorff
     

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  7. Neli

    Neli Optimistin

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    Ihr Matten, lebt wohl,
    Ihr sonnigen Weiden!
    Der Senner muß scheiden,
    Der Sommer ist hin.

    Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder,
    Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder,
    Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu,
    Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai.

    Ihr Matten, lebt wohl,
    Ihr sonnigen Weiden!
    Der Senne muß scheiden,
    Der Sommer ist hin.


    Friedrich Schiller
     

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    #447 12. Oktober 2008
    Zuletzt bearbeitet: 12. Oktober 2008
  8. Neli

    Neli Optimistin

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    Gewaltig endet so das Jahr
    Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten.
    Rund schweigen Wälder wunderbar
    Und sind des Einsamen Gefährten.

    Da sagt der Landmann: Es ist gut.
    Ihr Abendglocken lang und leise
    Gebt noch zum Ende frohen Mut.
    Ein Vogelzug grüßt auf der Reise.

    Es ist der Liebe milde Zeit.
    Im Kahn den blauen Fluß hinunter
    Wie schön sich Bild an Bildchen reiht -
    Das geht in Ruh und Schweigen unter.


    Georg Trakl (1887-1914)
     

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  9. Neli

    Neli Optimistin

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    Die Bäume, sie tropfen
    Vom Regen zu Nacht,
    Die Tropfen, sie klopfen
    Die Schultern mir sacht,

    Und zwischen durch schimmert
    Die Sonne herein,
    Und alles da flimmert
    Wie Edelgestein.

    O liebliches Flüstern,
    O seliger Hauch!
    Ihr Augen, ihr düstern,
    So perlet nun auch!

    Vom saftigem Triebe
    Quillt mächtig das Herz,
    Und springet vor Liebe,
    Und jauchzet vor Schmerz.



    Christian Reinhold (1813-1856)
     

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  10. Neli

    Neli Optimistin

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    Das ist ein schlechtes Wetter,
    Es regnet und stürmt und schneit;
    Ich sitze am Fenster und schaue
    Hinaus in die Dunkelheit.

    Da schimmert ein einsames Lichtchen,
    Das wandelt langsam fort;
    Ein Mütterchen mit dem Laternchen
    Wankt über die Straße dort.

    Ich glaube, Mehl und Eier
    Und Butter kaufte sie ein;
    Sie will einen Kuchen backen
    Für's große Töchterlein.

    Die liegt zu Hause im Lehnstuhl
    Und blinzelt schläfrig ins Licht;
    Die goldnen Locken wallen
    Über das süße Gesicht.


    Heinrich Heine
     

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  11. Neli

    Neli Optimistin

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    Sehnsucht nach der Waldgegend

    Wär' ich nie aus euch gegangen,
    Wälder, hehr und wunderbar!
    Hieltet liebend mich umfangen
    Doch so lange, lange Jahr'.

    Wo in euren Dämmerungen
    Vogelsang und Silberquell,
    Ist auch manches Lied entsprungen
    Meinem Busen, frisch und hell.

    Euer Wogen, euer Halle,
    Euer Säuseln nimmer müd',
    Eure Melodien alle
    Weckten in der Brust das Lied.

    Hier in diesen weiten Triften
    Ist mir alles öd' und stumm,
    Und ich schau' in blauen Lüften
    Mich nach Wolkenbildern um.

    In den Busen eingezwinget,
    Regt sich selten nur das Lied;
    Wie der Vogel halb nur singet,
    Den von Baum und Bach man schied.



    Justinus Kerner (1786-1862)
     

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  12. Neli

    Neli Optimistin

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    Zu Golde ward die Welt;
    Zu lange traf
    Der Sonne süßer Strahl
    Das Blatt, den Zweig.
    Nun neig
    Dich, Welt hinab
    In Winterschlaf.

    Bald sinkt's von droben dir
    In flockigen Geweben
    Verschleiernd zu -
    Und bringt dir Ruh,
    O Welt,
    O dir, zu Gold geliebtes Leben,
    Ruh.


    Christian Morgenstern
     

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  13. Neli

    Neli Optimistin

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    Der blinde Knabe

    O sagt, ihr Lieben, mir einmal,
    Welch Ding ist's, Licht genannt?
    Was sind des Sehens Freuden all',
    Die niemals ich gekannt?

    Die Sonne, die so hell ihr seht,
    Mir Armen scheint sie nie;
    Ihr sagt, sie auf- und niedergeht,
    Ich weiß nicht, wann noch wie.

    Ich mach' mir selbst so Tag und Nacht,
    Dieweil ich schlaf' und spiel',
    Mein inn'res Leben schön mir lacht,
    Ich hab' der Freuden viel.

    Zwar kenn' ich nicht, was euch erfreut,
    Doch drückt mich keine Schuld,
    Drum freu' ich mich in meinem Leid
    Und trag' es mit Geduld.

    Ich bin so glücklich, bin so reich
    Mit dem, was Gott mir gab,
    Bin wie ein König froh, obgleich
    Ein armer, blinder Knab'.


    Jakob Nikolaus (1797-1855)
     

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  14. Neli

    Neli Optimistin

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    Rheinland
    Über allen Gipfeln
    ist Ruh,
    in allen Wipfeln
    spürest du
    kaum einen Hauch;
    die Vögelein schweigen im Walde,
    warte nur, balde
    ruhest du auch!


    Johann Wolfgang von Goethe
     

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  15. Gucki

    Gucki Guest

    November

    Solchen Monat muss man loben:
    Keiner kann wie dieser toben,
    Keiner so verdriesslich sein
    Und so ohne Sonnenschein!
    Keiner so in Wolken maulen,
    Keiner so mit Sturmwind graulen!
    Und wie nass er alles macht!
    Ja, es ist ’ne wahre Pracht.

    Seht das schöne Schlackerwetter!
    Und die armen welken Blätter,
    Wie sie tanzen in dem Wind
    Und so ganz verloren sind!
    Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
    Und sie durcheinanderwirbelt
    Und sie hetzt ohn’ Unterlass:
    Ja, das ist Novemberspass!

    Und die Scheiben, wie sie rinnen!
    Und die Wolken, wie sie spinnen
    Ihren feuchten Himmelsthau
    Ur und ewig, trüb und grau!
    Auf dem Dach die Regentropfen:
    Wie sie pochen, wie sie klopfen!
    Schimmernd hängt’s an jedem Zweig,
    Einer dicken Thräne gleich.

    O, wie ist der Mann zu loben,
    Der solch’ unvernünft’ges Toben
    Schon im Voraus hat bedacht
    Und die Häuser hohl gemacht!
    So, dass wir im Trocknen hausen
    Und mit stillvergnügtem Grausen
    Und in wohlgeborgner Ruh
    Solchem Greuel schauen zu!
    Heinrich Seidel
     
  16. Neli

    Neli Optimistin

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    Rheinland
    Müder Glanz der Sonne!
    Blasses Himmelblau!
    Von verklungner Wonne
    Träumet still die Au.

    An der letzten Rose
    Löset lebenssatt
    Sich das letzte lose,
    Bleiche Blumenblatt!

    Goldenes Entfärben
    Schleicht sich durch den Hain!
    Auch Vergehn'n und Sterben
    Däucht mir süß zu sein.


    Friedrich Karl von Gerok (1815-1890)


     

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  17. Susanne L.

    Susanne L. Mitglied

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    Sachsen
    Querfeldein wandern

    Wen wolln wir heut besuchen?
    Den Specht im Wald. Den Frosch im Teich.
    Und auch die alten Buchen.
    Ihr Rauschen macht uns reich.

    Was wolln wir heut entdecken?
    Ein blaues Dies. Ein grünes Das.
    Das Ding mit den zwölf Ecken.
    Und dann ein volles Faß.

    Wir wetten mit den Wegen.
    Das stille Tal kriegt unsern Gruß.
    Der Berg kommt nicht entgegen.
    Doch wir sind gut zu Fuß.

    So rollen unsre Reime.
    Wir hinken keuchend hinterher.
    Und fallen in die Feime.
    Und können gar nicht mehr.

    Das kommt vom vielen Grüßen.
    Wir grüßten alles, was uns traf.
    Und singen mit den Füßen.
    Bis in den tiefen Schlaf.

    Manfred Streubel (1932 - 1992)
     
    #457 11. November 2008
    Zuletzt bearbeitet: 11. November 2008
  18. Neli

    Neli Optimistin

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    Rheinland
    Die Blätter fallen, fallen wie von weit,
    als welkten in den Himmeln ferne Gärten;
    sie fallen mit verneinender Gebärde.
    Und in den Nächten fällt die schwere Erde
    aus allen Sternen in die Einsamkeit.
    Wir alle fallen. Diese Hand da fällt.
    Und sieh die andre an: es ist in allen.
    Und doch ist einer, welcher dieses Fallen
    unendlich sanft in seinen Händen hält.



    Rainer Maria Rilke

     

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  19. Susanne L.

    Susanne L. Mitglied

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    Sachsen
    Die Wälder schweigen

    Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder.
    Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt.
    Die Jahreszeiten strolchen durch die Felder.
    Man zählt die Tage. Und man zählt die Gelder.
    Man sehnt sich fort aus dem Geschrei der Stadt.

    Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen.
    Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch.
    Man träumt von Äckern und von Pferdeställen.
    Man träumt von grünen Teichen und Forellen.
    Und möchte in die Stille zu Besuch.

    Die Seele wird vom Pflastertreten krumm.
    Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden
    und tauscht bei ihnen seine Seele um.
    Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm.
    Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden.

    Man flieht aus den Büros und aus den Fabriken.
    Wohin, ist gleich! Die Erde ist ja rund!
    Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken
    und wo die Spinnen seidne Strümpfe stricken,
    wird man gesund.

    (Erich Kästner)

     
  20. Neli

    Neli Optimistin

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    Rheinland
    Wo soll ich pflücken den Blumenstrauss,
    Wenn der Herbst zieht in das Land,
    Wenn die dürren Blätter gelb sind und kraus,
    Und der Büsche Grün verschwand?

    Wo sind die einst schmückten unser Haus,
    Und wann sind die neuen zur Hand?
    Wo soll ich pflücken den Blumenstrauss,
    Wenn der Herbst zieht in das Land?

    "Kind! kann ich sagen wo Blumen blüh'n?
    Wohin Blatt, wohin Blüte schwand?
    Ob sie fielen unter der Sonne Glühn,
    Ob die Winde sie streuten ins Land?

    Frühling bringt Blumen für dich, mein Kind,
    Pflücke sie mit der weissen Hand;
    Doch ich werde ruh'n, wo die Blätter sind,
    Wenn de Herbst zieht in das Land."


    Adam Lindsay Gordon (1833-1870)
     

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