Im September Wir wollen in den Nussbusch gehn Und dort einmal zum Rechten sehn. Das Eichhorn und der Häher Sind arge Nüssespäher, Der Buntspecht und die Haselmaus, Die lieben auch den Nusskernschmaus! Sie nagen und sie zwicken, Sie hacken und sie picken, Und wer nicht kommt zur rechten Zeit, Geht, wie ihr wisst, der Mahlzeit queit. Wir wollen in den Garten gehen Und dort einmal zum Rechten sehn. Zur Nachtzeit war es windig! Nun seht nur her! Was find ich Im sand’gen Steig, im grünen Gras, Bald hier, bald dort? Was ist denn das? Äpfel mit rothen Stirnen Und goldgestreifte Birnen! Und dort beim Eierpflaumenbaum ... O seht nur hin! Man glaubt es kaum! Wir wollen an den Zaun hin gehn Und dort einmal zum Rechten sehn. Was steht denn gleich dahinter? O seht, zwei arme Kinder! Sie ladet hinter ihrem Haus Kein Garten ein zu frohem Schmaus. Da sollte man doch denken: Heut’ giebt’s was zu verschenken! Und merkt ihr erst, wie wohl das thut, Da schmeckt es euch noch mal so gut. Heinrich Seidel
Im Nebel ruhet noch die Welt, Noch träumen Wald und Wiesen. Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt Im warmem Golde fließen. Eduard Mörike (1804-1875)
Nach wie vor Ich ging in den Wald, wollte Grünlinge suchen. Doch das lodernde Laub der Oktoberbuchen Im sonnendurchfluteten Wald hat mich verwirrt: Wie beschreibt man Farben, Die fließen wie Honig und Harz Über Blattstrukturen, die langsam vernarben? Das Astholz steht dazu schwarz, Das eigentlich grün ist und überdunkelt Von Feuchte. Es leuchtet nicht. Doch in jeder feuchten Blattmulde funkelt Eine Feder aus springendem Licht. Ich ging in den Wald. Wollte Grünlinge suchen. Und brachte nur Worte nach Haus. Und nach wie vor sah das Laub der Buchen Unbeschreiblich aus. Eva Strittmatter (*1930)
Müder Glanz der Sonne! Blasses Himmelblau! Von verklungner Wonne Träumet still die Au. An der letzten Rose Löset lebenssatt Sich das letzte lose, Bleiche Blumenblatt! Goldenes Entfärben Schleicht sich durch den Hain! Auch Vergehn'n und Sterben Däucht mir süß zu sein. Friedrich Karl von Gerok (1815-1890)
Komm, Trost der Welt, du stille Nacht! Wie steigst du von den Bergen sacht, Die Lüfte alle schlafen, Ein Schiffer nur noch, wandermüd', Singt übers Meer sein Abendlied Zu Gottes Lob im Hafen. Die Jahre wie die Wolken gehn Und lassen mich hier einsam stehn, Die Welt hat mich vergessen, Da tratst du wunderbar zu mir, Wenn ich beim Waldesrauschen hier Gedankenvoll gesessen. O Trost der Welt, du stille Nacht! Der Tag hat mich so müd gemacht, Das weite Meer schon dunkelt, Laß ausruhn mich von Lust und Not, Bis daß das ew'ge Morgenrot Den stillen Wald durchfunkelt. ` Josef von Eichendorff
Ihr Matten, lebt wohl, Ihr sonnigen Weiden! Der Senner muß scheiden, Der Sommer ist hin. Wir fahren zu Berg, wir kommen wieder, Wenn der Kuckuck ruft, wenn erwachen die Lieder, Wenn mit Blumen die Erde sich kleidet neu, Wenn die Brünnlein fließen im lieblichen Mai. Ihr Matten, lebt wohl, Ihr sonnigen Weiden! Der Senne muß scheiden, Der Sommer ist hin. Friedrich Schiller
Gewaltig endet so das Jahr Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. Rund schweigen Wälder wunderbar Und sind des Einsamen Gefährten. Da sagt der Landmann: Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise Gebt noch zum Ende frohen Mut. Ein Vogelzug grüßt auf der Reise. Es ist der Liebe milde Zeit. Im Kahn den blauen Fluß hinunter Wie schön sich Bild an Bildchen reiht - Das geht in Ruh und Schweigen unter. Georg Trakl (1887-1914)
Die Bäume, sie tropfen Vom Regen zu Nacht, Die Tropfen, sie klopfen Die Schultern mir sacht, Und zwischen durch schimmert Die Sonne herein, Und alles da flimmert Wie Edelgestein. O liebliches Flüstern, O seliger Hauch! Ihr Augen, ihr düstern, So perlet nun auch! Vom saftigem Triebe Quillt mächtig das Herz, Und springet vor Liebe, Und jauchzet vor Schmerz. Christian Reinhold (1813-1856)
Das ist ein schlechtes Wetter, Es regnet und stürmt und schneit; Ich sitze am Fenster und schaue Hinaus in die Dunkelheit. Da schimmert ein einsames Lichtchen, Das wandelt langsam fort; Ein Mütterchen mit dem Laternchen Wankt über die Straße dort. Ich glaube, Mehl und Eier Und Butter kaufte sie ein; Sie will einen Kuchen backen Für's große Töchterlein. Die liegt zu Hause im Lehnstuhl Und blinzelt schläfrig ins Licht; Die goldnen Locken wallen Über das süße Gesicht. Heinrich Heine
Sehnsucht nach der Waldgegend Wär' ich nie aus euch gegangen, Wälder, hehr und wunderbar! Hieltet liebend mich umfangen Doch so lange, lange Jahr'. Wo in euren Dämmerungen Vogelsang und Silberquell, Ist auch manches Lied entsprungen Meinem Busen, frisch und hell. Euer Wogen, euer Halle, Euer Säuseln nimmer müd', Eure Melodien alle Weckten in der Brust das Lied. Hier in diesen weiten Triften Ist mir alles öd' und stumm, Und ich schau' in blauen Lüften Mich nach Wolkenbildern um. In den Busen eingezwinget, Regt sich selten nur das Lied; Wie der Vogel halb nur singet, Den von Baum und Bach man schied. Justinus Kerner (1786-1862)
Zu Golde ward die Welt; Zu lange traf Der Sonne süßer Strahl Das Blatt, den Zweig. Nun neig Dich, Welt hinab In Winterschlaf. Bald sinkt's von droben dir In flockigen Geweben Verschleiernd zu - Und bringt dir Ruh, O Welt, O dir, zu Gold geliebtes Leben, Ruh. Christian Morgenstern
Der blinde Knabe O sagt, ihr Lieben, mir einmal, Welch Ding ist's, Licht genannt? Was sind des Sehens Freuden all', Die niemals ich gekannt? Die Sonne, die so hell ihr seht, Mir Armen scheint sie nie; Ihr sagt, sie auf- und niedergeht, Ich weiß nicht, wann noch wie. Ich mach' mir selbst so Tag und Nacht, Dieweil ich schlaf' und spiel', Mein inn'res Leben schön mir lacht, Ich hab' der Freuden viel. Zwar kenn' ich nicht, was euch erfreut, Doch drückt mich keine Schuld, Drum freu' ich mich in meinem Leid Und trag' es mit Geduld. Ich bin so glücklich, bin so reich Mit dem, was Gott mir gab, Bin wie ein König froh, obgleich Ein armer, blinder Knab'. Jakob Nikolaus (1797-1855)
Über allen Gipfeln ist Ruh, in allen Wipfeln spürest du kaum einen Hauch; die Vögelein schweigen im Walde, warte nur, balde ruhest du auch! Johann Wolfgang von Goethe
November Solchen Monat muss man loben: Keiner kann wie dieser toben, Keiner so verdriesslich sein Und so ohne Sonnenschein! Keiner so in Wolken maulen, Keiner so mit Sturmwind graulen! Und wie nass er alles macht! Ja, es ist ’ne wahre Pracht. Seht das schöne Schlackerwetter! Und die armen welken Blätter, Wie sie tanzen in dem Wind Und so ganz verloren sind! Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt Und sie durcheinanderwirbelt Und sie hetzt ohn’ Unterlass: Ja, das ist Novemberspass! Und die Scheiben, wie sie rinnen! Und die Wolken, wie sie spinnen Ihren feuchten Himmelsthau Ur und ewig, trüb und grau! Auf dem Dach die Regentropfen: Wie sie pochen, wie sie klopfen! Schimmernd hängt’s an jedem Zweig, Einer dicken Thräne gleich. O, wie ist der Mann zu loben, Der solch’ unvernünft’ges Toben Schon im Voraus hat bedacht Und die Häuser hohl gemacht! So, dass wir im Trocknen hausen Und mit stillvergnügtem Grausen Und in wohlgeborgner Ruh Solchem Greuel schauen zu! Heinrich Seidel
Müder Glanz der Sonne! Blasses Himmelblau! Von verklungner Wonne Träumet still die Au. An der letzten Rose Löset lebenssatt Sich das letzte lose, Bleiche Blumenblatt! Goldenes Entfärben Schleicht sich durch den Hain! Auch Vergehn'n und Sterben Däucht mir süß zu sein. Friedrich Karl von Gerok (1815-1890)
Querfeldein wandern Wen wolln wir heut besuchen? Den Specht im Wald. Den Frosch im Teich. Und auch die alten Buchen. Ihr Rauschen macht uns reich. Was wolln wir heut entdecken? Ein blaues Dies. Ein grünes Das. Das Ding mit den zwölf Ecken. Und dann ein volles Faß. Wir wetten mit den Wegen. Das stille Tal kriegt unsern Gruß. Der Berg kommt nicht entgegen. Doch wir sind gut zu Fuß. So rollen unsre Reime. Wir hinken keuchend hinterher. Und fallen in die Feime. Und können gar nicht mehr. Das kommt vom vielen Grüßen. Wir grüßten alles, was uns traf. Und singen mit den Füßen. Bis in den tiefen Schlaf. Manfred Streubel (1932 - 1992)
Die Blätter fallen, fallen wie von weit, als welkten in den Himmeln ferne Gärten; sie fallen mit verneinender Gebärde. Und in den Nächten fällt die schwere Erde aus allen Sternen in die Einsamkeit. Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh die andre an: es ist in allen. Und doch ist einer, welcher dieses Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält. Rainer Maria Rilke
Die Wälder schweigen Die Jahreszeiten wandern durch die Wälder. Man sieht es nicht. Man liest es nur im Blatt. Die Jahreszeiten strolchen durch die Felder. Man zählt die Tage. Und man zählt die Gelder. Man sehnt sich fort aus dem Geschrei der Stadt. Das Dächermeer schlägt ziegelrote Wellen. Die Luft ist dick und wie aus grauem Tuch. Man träumt von Äckern und von Pferdeställen. Man träumt von grünen Teichen und Forellen. Und möchte in die Stille zu Besuch. Die Seele wird vom Pflastertreten krumm. Mit Bäumen kann man wie mit Brüdern reden und tauscht bei ihnen seine Seele um. Die Wälder schweigen. Doch sie sind nicht stumm. Und wer auch kommen mag, sie trösten jeden. Man flieht aus den Büros und aus den Fabriken. Wohin, ist gleich! Die Erde ist ja rund! Dort, wo die Gräser wie Bekannte nicken und wo die Spinnen seidne Strümpfe stricken, wird man gesund. (Erich Kästner)
Wo soll ich pflücken den Blumenstrauss, Wenn der Herbst zieht in das Land, Wenn die dürren Blätter gelb sind und kraus, Und der Büsche Grün verschwand? Wo sind die einst schmückten unser Haus, Und wann sind die neuen zur Hand? Wo soll ich pflücken den Blumenstrauss, Wenn der Herbst zieht in das Land? "Kind! kann ich sagen wo Blumen blüh'n? Wohin Blatt, wohin Blüte schwand? Ob sie fielen unter der Sonne Glühn, Ob die Winde sie streuten ins Land? Frühling bringt Blumen für dich, mein Kind, Pflücke sie mit der weissen Hand; Doch ich werde ruh'n, wo die Blätter sind, Wenn de Herbst zieht in das Land." Adam Lindsay Gordon (1833-1870)