Bitte alle mitmachen: Naturgedichte und -lieder

Dieses Thema im Forum "Kaffeeklatsch" wurde erstellt von Neli, 18. März 2007.

  1. Neli

    Neli Optimistin

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    Mondnacht

    Es war, als hätt der Himmel
    Die Erde still geküßt,
    Daß sie im Blütenschimmer
    Von ihm nun träumen müßt.


    Die Luft ging durch die Felder,
    Die Ähren wogten sacht,
    Es rauschten leis die Wälder,
    So sternklar war die Nacht.


    Und meine Seele spannte
    Weit ihre Flügel aus,
    Flog durch die stillen Lande,
    Als flöge sie nach Haus.



    Josef von Eichendorff (1788-1857)
     

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  2. Gucki

    Gucki Guest

    Aus einem Kornfeld,
    schräg zum See,
    hob sich die Linde.

    Auf schmalem Fußweg an ihr vorbei,
    jeden Nachmittag durch die Juliglut zum Baden,
    wir Jungens.

    Der blaue Himmel, die tausend gelben Blüten, das Bienengesumm!

    Und noch immer,
    wenn die andern längst unten waren,
    - aus dem Wasser klang ihr Lachen und Geschrei -
    stand ich.

    Und sah den Himmel
    und hörte die Bienen
    und sog den Duft.

    Arno Holz
     
  3. Neli

    Neli Optimistin

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    Blumen und Liebe

    Rührt euch, Blumen, wacht auf
    Und hebt die verweineten Augen,
    Morgenschauer schon gehn
    Kühl über Wiesen und Wald,

    Wie eine Braut entsteigt
    Die Sonne dem rosigen Pfühle,
    Blickt duch die Welt hin weit,
    Schweigend vor seliger Lust,

    Küßt die Tränen euch linde
    Von den gemaleten Wangen,
    Die ihr vor Sehnsucht geweint
    Träumend in stilllauer Nacht.

    Wie sich's nun überall regt
    Und funkelt und jauchzet und sprühet,
    Gott! o wie schön ist die Welt,
    Wenn sie die Liebe bescheint!


    Josef Karl Benedikt von Eichendorff (1788-1857)
     

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  4. Neli

    Neli Optimistin

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    Der Sommer

    Das Erntefeld erscheint, auf Höhen schimmert
    Der hellen Wolke Pracht, indes am weiten Himmel
    In stiller Nacht die Zahl der Sterne flimmert,
    Groß ist und weit von Wolken das Gewimmel.

    Die Pfade gehn entfernter hin, der Menschen Leben,
    Es zeiget sich auf Meeren unverborgen,
    Der Sonne Tag ist zu der Menschen Streben
    Ein hohes Bild, und golden glänzt der Morgen.

    Mit neuen Farben ist geschmückt der Gärten Breite,
    Der Mensch verwundert sich, daß sein Bemühn gelinget,
    Was er mit Tugend schafft, und was er hoch vollbringet,
    Es steht mit der Vergangenheit in prächtigem Geleite.


    Friedrich Hölderlin (1770-1843)
     

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  5. sisi

    sisi Neues Mitglied

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    Heine, Heinrich (1797-1856)


    Ein Fichtenbaum steht einsam
    Im Norden auf kahler Höh.
    Ihn schläfert; mit weißer Decke
    Umhüllen ihn Eis und Schnee.
    Er träumt von einer Palme,
    Die, fern im Morgenland,
    Einsam und schweigend trauert
    Auf brennender Felsenwand.

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  6. Neli

    Neli Optimistin

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    Möwenlied

    Die Möwen sehen alle aus,
    als ob sie Emma hießen.
    Sie tragen einen weißen Flaus
    und sind mit Schrot zu schießen.

    Ich schieße keine Möwe tot,
    Ich laß sie lieber leben
    und füttre sie mit Roggenbrot
    und rötlichen Zibeben.

    O Mensch, du wirst nie nebenbei
    der Möwe Flug erreichen.
    Wofern du Emma heißest, sei
    zufrieden, ihr zu gleichen.


    Christian Morgenstern (1871-1914)
     

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  7. sisi

    sisi Neues Mitglied

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    Abschied von Zandvoort.

    Noch einen letzten , langen Blick
    Auf dich geliebtes Meer!
    Dann lebe wohl, so schwer´s auch fällt,
    Gott geb´, auf Wiederkehr!

    Zum Abschiedsgrusse wählt´ ich mir
    Die stille Mondesnacht --
    Du liegst vor mir -- ein schimmernd Bild --
    In deiner Silberpracht.

    Wenn morgen übers Dünenland
    Die Sonne Strahl dich streift,
    Bin ich mit raschem Flügelschlag
    Schon weit von hier geschweift.

    Umkreisen wird dich, wie zuvor,
    Der Möven weisse Schar;
    Dass unter ihnen eine fehlt,
    Wirst du es wohl gewahr?

    ( Nordseelieder: Amsterdam, April 1885 Kaiserin Elisabeth von Österreich 1837 - 1898)
     
  8. Neli

    Neli Optimistin

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    Am Brunnen vor dem Tore
    Da steht ein Lindenbaum;
    Ich träumt in seinem Schatten
    So manchen süßen Traum.

    Ich schnitt in seine Rinde
    So manches liebe Wort;
    Es zog in Freud' und Leide
    Zu ihm mich immer fort.

    Ich mußt' auch heute wandern
    Vorbei in tiefer Nacht,
    Da hab' ich noch im Dunkel
    Die Augen zugemacht.

    Und seine Zweige rauschten,
    Als riefen sie mir zu:
    Komm her zu mir, Geselle,
    Hier find'st du deine Ruh'!

    Die kalten Winde bliesen
    Mir grad ins Angesicht;
    Der Hut flog mir vom Kopfe,
    Ich wendete mich nicht.

    Nun bin ich manche Stunde
    Entfernt von jenem Ort,
    Und immer hör' ich's rauschen:
    Du fändest Ruhe dort!


    Wilhelm Müller (1794-1827)
     

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  9. Neli

    Neli Optimistin

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    Es fällt ein Stern herunter
    aus seiner funkelnden Höh,
    das ist der Stern der Liebe,
    den ich dort fallen seh.

    Es fallen vom Apfelbaume,
    der weißen Blätter so viel,
    es kommen die neckenden Lüfte,
    und treiben damit ihr Spiel.

    Es singt der Schwan im Weiher,
    und rudert auf und ab,
    und immer leiser singend,
    taucht er ins Flutengrab.

    Es ist so still und dunkel,
    verweht ist Blatt und Blüt',
    der Stern ist knisternd zerstoben,
    verklungen das Schwanenlied.


    Heinrich Heine (1797-1856)
     

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  10. sisi

    sisi Neues Mitglied

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    Gruß von der Nordsee

    Du Adler, dort hoch auf den Bergen,
    Dir schickt die Möwe der See
    Einen Gruß von schäumenden Wogen
    Hinauf zum ewigen Schnee.

    Einst sind wir einander begegnet
    Vor urgrauer Ewigkeit
    Am Spiegel des lieblichen Sees,
    Zur blühenden Rosenzeit.

    Stumm zogen wir nebeneinander
    Versunken in tiefer Ruh´...
    Ein Schwarzer nur sang seine Lieder
    Im kleinen Kahne dazu.
    Elisabeth an Ludwig Roseninsel 20. Juni 1885

    Antwort von den Alpen

    Der Möwe Gruß vom fernen Strand
    Zu Adlers Horst den Weg wohl fand,
    Er trug auf leisen Fittigschwung
    Der alten Zeit Erinnerung.

    Da rosenduftumwehte Buchten
    Möwe und Adler zugleich besuchten,
    Und, sich begegnend in stolzem Bogen,
    Grüssend aneinander vorüberzogen.

    Zur Bergeshöh´ zurückgewandt,
    Denkt Aar der Möwe am Dünenstrand,
    Und rauschend entsenden seine Flügel
    Fröhlichen Gruß zum Meeresspiegel.

    (Antwort von Ludwig II, 11.September 1885)

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  11. Neli

    Neli Optimistin

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    Auch kleine Dinge können uns entzücken,
    Auch kleine Dinge können teuer sein.
    Bedenkt, wie gern wir uns mit Perlen schmücken;
    Sie werden schwer bezahlt und sind nur klein.


    Bedenkt, wie klein ist die Olivenfrucht,
    Und wird um ihre Güte doch gesucht.
    Denkt an die Rose nur, wie klein sie ist,
    Und duftet doch so lieblich, wie ihr wißt.


    Paul Heyse (1830-1914)
     

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  12. Gucki

    Gucki Guest

    Der Sonnenaufgang

    Es schwingt die Nacht ihr dunkles
    Gefieder und entweichet
    Langsamen Flugs gen Norden.
    Es zeigt in weißem Flor sich
    Die Dämmrung in des Morgens
    Geraumen Silberhallen,
    Und weckt mit leisem Lispeln
    Die Nachtigall. In festlich
    Langsamem Ton beginnt sie
    Ihr Lied zum Lob der Sonne;
    Da naht im Purpurschleier
    Die holde Morgenröthe,
    Und streut die Fülle Rosen
    Vom Morgenthor bis wo sich
    Der Sonnenweg bemerkbar
    In's Himmelblau erhebet.
    Geendet hat ihr Loblied
    Die Nachtigall; es tönet
    Das laute Chor der Lerchen
    Und andrer Sängerinnen,
    Begleitet von Gesäusel
    Des regen Laubs der Bäume....
    Da sinken und verwandeln
    Allmählig sich die weiten
    Prachtvollen Säulenhallen
    Des Morgenroths, und werden
    Zu einem See von Purpur,
    Wo Wellen gegen Wellen
    Sich heben, sich bekämpfen,
    Allmählig in einander
    Verfließen, um auf's neu sich
    Zu heben und zu kämpfen.
    Doch seht! ein goldnes Meerschiff,
    Geschmückt mit Strahlengarben,
    Zertheilt die Purpurwogen
    Mit herrscherischem Gange.
    Es ist das Schiff der Sonne,
    Der Königin des Weltalls.


    Elisabeth Kuhlmann
     
  13. Gucki

    Gucki Guest

    Juli
    Klingt im Wind ein Wiegenlied,
    Sonne warm herniedersieht,
    Seine Ähren senkt das Korn,
    Rote Beere schwillt am Dorn,
    Schwer von Segen ist die Flur -
    Junge Frau, was sinnst du nur?


    Theodor Storm
     
  14. claudiiah

    claudiiah :-)

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    hab i gestern fotografiert...:top:
     

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  15. Gucki

    Gucki Guest

    Bei einem Springbrunnen

    Sieh! Dort strebt mit Jünglingsmute
    Wie Kristalle rein und hell,
    Von der eignen Kraft gehoben,
    Himmelwärts der Silberquell.
    Immer höher, immer höher
    Sprudelt er in Sonnenglut;
    Wenn er oben kaum zerstoben,
    Wächst er auf mit neuer Flut.
    Und das reine Licht des Tages
    Bricht sich im kristallnen Strahl,
    Und den schönsten duft’gen Schleier
    Webt der Farben heil’ge Zahl.
    Ach! so steigt auch all mein Streben
    Durch die Wolken himmelwärts.
    So durchflammen tausend Wünsche
    Glühend mein begeistert Herz.
    Aber wie der Kreis der Farben
    Sich im reinen Licht vermählt,
    Sind auch alle meine Wünsche
    Nur von einer Glut beseelt;
    Und es ist der Liebe Sehnsucht,
    Die den Busen mächtig schwellt
    Mit der Ahnung leisem Schauer,
    Wie ein Traum aus jener Welt.


    (Karl) Theodor Körner

    @claudiiah, dein Foto gefällt mir sehr gut


     
  16. Neli

    Neli Optimistin

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    Mit geheimnisvollen Düften
    Grüßt vom Hang der Wald mich schon,
    Über mir in hohen Lüften
    Schwebt der erste Lerchenton.

    In den süßen Laut versunken
    Wall' ich hin durchs Saatgefild,
    Das noch halb vom Schlummer trunken
    Sanft dem Licht entgegenschwillt.

    Welch ein Sehnen! welch ein Träumen!
    Ach, du möchtest vorm Verglühn
    Mit den Blumen, mit den Bäumen,
    Altes Herz, noch einmal blühn.



    Emanuel von Geibel (1815-1884)
     

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  17. Gucki

    Gucki Guest

    Das war in einer hellen Sommerzeit

    Das war in einer hellen Sommerzeit.
    Frei war die Seele und der Himmel weit,
    Da sah ich dich, ein sechzehnjährig Kind -
    Du warst – was weiß ich! – wie die Kinder sind.

    Und in den Wald wir miteinander gingen,
    Wenn Sonnenstrahlen in den Fichten hingen;
    Und wo ein Bach sich in dem Grunde fand,
    Half sicher dir hinüber meine Hand;

    Wenn im Gesträuch ich eine Beere sah,
    Dann bückt' ich mich und sagte leise: Da!
    Und deine Kinderfragen fragtest du,
    Und ich – ich hörte voller Andacht zu.
    So gingen wir – ein seltsam stilles Pärchen,
    Und uns zur Seite wandelte das Märchen.

    Am Himmel fern verloht ein Wolkenbrand.
    Nun gibst du mir zum Abschied deine Hand,
    Wir schweigen beide und wir wissen kaum,
    War's Himmelsleuchten oder war es Traum.


    Nun ist verglüht der Wolke letzter Saum.
    Anton Renk
     
  18. Gucki

    Gucki Guest

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    Sieh ein großer, schöner Stern
    Aus den Wolken bricht,
    Doch er steht mir gar zu fern,
    Kenn’ ihn näher nicht –
    Kenne nur den äußern Schein,
    Golden strahlend Licht,
    Doch sein inneres, wahres Sein
    Ist verschleiert dicht.

    Friederike Kempner
     
  19. Neli

    Neli Optimistin

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    Mein schöner Stern, ich bitte dich,
    O lasse du dein heitres Licht
    Nicht trüben durch den Dampf in mir,
    Vielmehr den Dampf in mir zu Licht,
    Mein schöner Stern, verklären hilf!

    Mein schöner Stern! ich bitte dich,
    Nicht senk' herab zur Erde dich,
    Weil du mich noch hier unten siehst,
    Heb' auf vielmehr zum Himmel mich,
    Mein schöner Stern, wo du schon bist!



    Friedrich Rückert (1788-1866)
     
  20. sisi

    sisi Neues Mitglied

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    Ruhrgebiet
    Four in Hand
    Vorne vier nickende Pferdeköpfe,
    Neben mir zwei blonde Mädchenzöpfe,
    Hinten der Groom mit wichtigen Mienen,
    An den Rädern Gebell.


    In den Dörfern windstillen Lebens Genüge,
    Auf den Feldern fleißige Eggen und Pflüge,
    Alles das von der Sonne beschienen
    So hell, so hell.

    Detlev von Liliencron,
     
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