Frühlingsahnung O sanfter, süsser Hauch! Schon weckest du wieder mir Frühlingslieder, bald blühen die Veilchen auch. Johann Ludwig Uhland (1787-1862)
Der Gesang Erschaffen schon die Erde lag, so schön als man sie schauen mag, die Bäume standen grün belaubt, die Blumen wiegten sanft ihr Haupt, das Hirschlein sprang so froh umher, die Vöglein flogen kreuz und quer, doch nirgends klang ein froher Schall, und wie ein Grab lag Berg und Tal. Da sah der Herr herab zur Welt und dacht': "Es ist wohl recht bestellt, doch fehlt der Erde noch Gesang, der freudig schall' das Rund entlang." Und einen Engel sendet schnell der Herr aus seinem Himmel hell: "Du bring' hinab dies schöne Gut, des Sanges heil'ge Zauberflut, und lehre dort die Vöglein mein, zu singen Weisen schön und fein!" Und froh ob solcher Sendung eilt vom Herrn der Engel unverweilt und bricht vom Schilf ein Rohr im Flug, das just zu ihm sich neigt im Bug. Drauf setzt er nieder sich im Wald und bläst auf seinem Rohr alsbald, und bläst, daß wie von Lust bewegt, so Baum als Strauch sich rauschend regt. Und wie er bläst so wunderbar, da kommt herbei der Vöglein Schar, da springt hervor der Zeisig flink, da naht der Stieglitz und der Fink; da kreis't die Lerch' aus hoher Luft, Rotkehlchen schlüpft aus Laub und Duft, da flattert Meis' und Nachtigall herbei und horcht dem süßen Schall. Und immer nah'n der Vöglein mehr, schon sitzt ein ganzes Schülerheer, das schaut wohl auf den fremden Gast, verwundert sehr, von Zweig und Ast und horcht und streckt die Hälschen lang und piept und zwitschert nach den Sang und müht sich aus den Kehlchen klein, zu bringen solche Klänge fein. Und wie der Engel drauf entschwebt, da ist der Wald wie neu belebt, da zwitschert's, schallt's, da hallt's und klingt's, da tririlirt's und pfeift's und singt's, da regt es sich auf jedem Ast von namenloser Lust erfasst, und selbst vergnüget spricht der Herr: "Nun fehlt nur Eins der Erde mehr! Das ist der Mensch... daß eine Brust empfinde auch des Sanges Lust." Johann Nepomuk Vogl (1802-1866)
Still doch! Es war ja der Wind nur, Welcher dich fürchten gemacht. Sieh, alle Dinge sind nur Wandelnde Schatten der Nacht. Aber das Auge erhellt sie Mehr als die Sonne vermag, Schenkt ihnen Leben und stellt sie In den taumelnden Tag. Alexander von Bernus
Wenns Frühling wird. Die ersten Keime sind, die zarten im goldnen Schimmer aufgesprossen; schon sind die ersten der Karossen im Baumgarten. Die Wandervögel wieder scharten zusammen sich an der alten Stelle, und bald stimmt ein auch die Kapelle im Baumgarten. Der Lenzwind plauscht in neuen Arten die alten, wundersamen Märchen, und draußen träumt das erste Pärchen im Baumgarten. Rainer Maria Rilke
Die schöne Buche Ganz verborgen im Wald kenn ich ein Plätzchen, da stehet Eine Buche, man sieht schöner im Bilde sie nicht. Rein und glatt, in gediegenem Wuchs erhebt sie sich einzeln, Keiner der Nachbarn rührt ihr an den seidenen Schmuck. Rings, so weit sein Gezweig der stattliche Baum ausbreitet, Grünet der Rasen, das Aug still zu erquicken, umher; Gleich nach allen Seiten umzirkt er den Stamm in der Mitte; Kunstlos schuf die Natur selber dies liebliche Rund. Zartes Gebüsch umkränzet es erst; hochstämmige Bäume, Folgend in dichtem Gedräng, wehren dem himmlischen Blau. Neben der dunkleren Fülle des Eichbaums wieget die Birke Ihr jungfräuliches Haupt schüchtern im goldenen Licht. Nur wo, verdeckt vom Felsen, der Fußsteig jäh sich hinabschlingt, Lässet die Hellung mich ahnen das offene Feld. - Als ich unlängst einsam, von neuen Gestalten des Sommers Ab dem Pfade gelockt, dort im Gebüsch mich verlor, Führt' ein freundlicher Geist, des Hains auflauschende Gottheit, Hier mich zum erstenmal, plötzlich, den Staunenden, ein. Welch Entzücken! Es war um die hohe Stunde des Mittags, Lautlos alles, es schwieg selber der Vogel im Laub. Und ich zauderte noch, auf den zierlichen Teppich zu treten; Festlich empfing er den Fuß, leise beschritt ich ihn nur. Jetzo, gelehnt an den Stamm (er trägt sein breites Gewölbe Nicht zu hoch), ließ ich rundum die Augen ergehn, Wo den beschatteten Kreis die feurig strahlende Sonne, Fast gleich messend umher, säumte mit blendendem Rand. Aber ich stand und rührte mich nicht; dämonischer Stille, Unergründlicher Ruh lauschte mein innerer Sinn. Eingeschlossen mit dir in diesem sonnigen Zauber- Gürtel, o Einsamkeit, fühlt ich und dachte nur dich! Eduard Mörike
Still sitz' ich an des Hügels Hang, Der Himmel ist so klar, Das Lüftchen spielt im grünen Tal. Wo ich beim ersten Frühlingsstrahl Einst, ach so glücklich war. Wo ich an ihrer Seite ging So traulich und so nah, Und tief im dunklen Felsenquell Den schönen Himmel blau und hell Und sie im Himmel sah. Sieh, wie der bunte Frühling schon Aus Knosp' und Blüte blickt! Nicht alle Blüten sind mir gleich, Am liebsten pflückt ich von dem Zweig, Von welchem sie gepflückt! Denn alles ist wie damals noch, Die Blumen, das Gefild; Die Sonne scheint nicht minder hell, Nicht minder freundlich schwimmt im Quell Das blaue Himmelsbild. Es wandeln nur sich Will und Wahn, Es wechseln Lust und Streit, Vorüber flieht der Liebe Glück, Und nur die Liebe bleibt zurück, Die Lieb und ach, das Leid. O wär ich doch ein Vöglein nur Dort an dem Wiesenhang Dann blieb ich auf den Zweigen hier, Und säng ein süßes Lied von ihr, Den ganzen Sommer lang. Ernst Konrad Friedrich Schulze (1789-1817)
Im Frühling Hier lieg' ich auf dem Frühlingshügel: Die Wolke wird mein Flügel, Ein Vogel fliegt mir voraus. Ach, sag' mir, alleinzige Liebe, Wo d u bleibst, dass ich bei dir bliebe! Doch du und die Lüfte, ihr habt kein Haus. Der Sonnenblume gleich steht mein Gemüte offen, Sehnend, Sich dehnend In Liebe und Hoffen. Frühling, was bist du gewillt? Wann werd ich gestillt? Die Wolke seh ich wandeln und den Fluss, Es dringt der Sonne goldner Kuss Mir tief bis ins Geblüt hinein; Die Augen, wunderbar berauschet, Tun, als schliefen sie ein, Nur noch das Ohr dem Ton der Biene lauschet. Ich denke dies und denke das, Ich sehne mich, und weiß nicht recht, nach was: Halb ist es Lust, halb ist es Klage; Mein Herz, o sage, Was webst du für Erinnerung In golden grüner Zweige Dämmerung? - Alte unnennbare Tage! Eduard Mörike
[FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]März Es ist ein Schnee gefallen, Denn es ist noch nicht Zeit, Daß von den Blümlein allen, Daß von den Blümlein allen Wir werden hoch erfreut. Der Sonnenblick betrüget Mit mildem, falschem Schein, Die Schwalbe selber lüget, Die Schwalbe selber lüget, Warum? Sie kommt allein. Sollt ich mich einzeln freuen, Wenn auch der Frühling nah? Doch kommen wir zu zweien, Doch kommen wir zu zweien, Gleich ist der Sommer da.[/FONT] [FONT=Arial, Helvetica, sans-serif]Gedicht von Johann Wolfgang von Goethe[/FONT]
Im Frühling Der Frühling kam, der Frühling rief Vom Berg in's Tal hinunter: "Wär' euer Schlaf auch noch so tief, Ihr Schläfer, werdet munter!" Da regten tausend Keime sich Und wurden stark und stärker, Und dehnten sich und streckten sich Und sprengten ihre Kerker. Da traten Blätter zart und weich Aus kleinen braunen Wiegen, Um schüchtern an den schlanken Zweig Sich innig anzuschmiegen. Da sprang Schneeglöckchen pfeilgeschwind Aus seinem grünen Bette; Es glaubte schon das schöne Kind, Daß es verschlafen hätte. Da öffneten sich allzumal Die Särge der Winterschläfer; Da spielten in der Sonne Strahl Die Mücken und die Käfer. Da wurden auch die Veilchen wach, Die tief im Grase wohnen, Und bunte Primeln folgten nach Und weiße Anemonen. Da fing mein Herz zu klopfen an, So schmerzlich und so bange; Ein Strom von bittern Tränen rann Heiß über meine Wange. Der Lieben hab' ich still gedacht, Die grüne Hügel decken, Und die der Lenz mit seiner Macht Nicht kann vom Schlaf erwecken. von Julius Sturm
Und als ich aufstand früh am Tag Und meinte, daß es noch Winter sei, Da jauchzte schon mit lustigem Schlag Die Lerch' an meinem Fenster frei: Tirili, tirili! Vom blöden Traum, Langschläfer, bist du endlich erwacht? Du schliefst und merktest das Süße kaum, Denn sacht, denn sacht Ist kommen der Frühling über Nacht. Und als ich schaute zum Himmelsraum, Da war er so blau, da war er so weit; Und als ich blickt' auf Strauch und Baum, Da trugen sie all' ein grünes Kleid. Und als ich sah in die eigene Brust, Da saß die Liebe darin und sang, Was selber so süß ich nimmer gewußt; Das klang, das klang, Und soll nun klingen mein Leben lang. Emanuel Geibel
Tag, schein herein! und Leben, flieh hinaus! Tag, schein herein! Die Kammer steht dir offen! Holdselger Lenzesmorgen, schein herein! Schon glitzert, von der Sonne Strahl getroffen Das Tintenfass, der eichne Bücherschrein. Vogt Winter muss dem Lenze Rechnung geben, Dem schönen Erben, über Hof und Haus - Auch mir zugut geschrieben ist ein Leben - Tag, schein herein! und Leben, flieh hinaus! Ich war von einem schweren Bann gebunden. Ich lebte nicht. Ich lag im Traum erstarrt. Von vielen tausend unverbrauchten Stunden Schwillt ungestüm mir nun die Gegenwart. Aus dunkelm Grunde grüne Saat zu wecken, Bedarf es Sonnenstrahles nur und Taus, Ich fühle, wie sich tausend Keime strecken. Tag, schein herein! und Leben, flieh hinaus! Ein Segel zieht auf wunderkühlen Pfaden, In Fluten dunkel spiegelt sich der Tag. Was hat die Barke dort für mich geladen? Vielleicht ists etwas, das mich freuen mag! Entgegen ihr! Was wird die Barke bringen Durch blauer Wellen freudiges Gebraus? Entgegen ihr! Mit weitgestreckten Schwingen! Tag, schein herein! und Leben, flieh hinaus! Conrad Ferdinand Meyer
Der Lenz ist Das Lenzsymptom zeigt sich zuerst beim Hunde, dann im Kalender und dann in der Luft, und endlich hüllt auch Fräulein Adelgunde sich in die frischgewaschene Frühlingskluft. Ach ja, der Mensch! Was will er nur vom Lenze? Ist er denn nicht das ganze Jahr in Brunst? Doch seine Triebe kennen keine Grenze – dies Uhrwerk hat der liebe Gott verhunzt. Der Vorgang ist in jedem Jahr derselbe: man schwelgt, wo man nur züchtig beten sollt, und man zerdrückt dem Heiligtum das gelbe geblümte Kleid – ja, hat das Gott gewollt? Die ganze Fauna treibt es immer wieder: Da ist ein Spitz und eine Pudelmaid – die feine Dame senkt die Augenlider, der Arbeitsmann hingegen scheint voll Neid. Durch rauh Gebrüll läßt sich das Paar nicht stören, ein Fußtritt trifft den armen Romeo – mich deucht, hier sollten zwei sich nicht gehören ... Und das geht alle, alle Jahre so. Komm, Mutter, reich mir meine Mandoline, stell mir den Kaffee auf den Küchentritt. – Schon dröhnt mein Baß: Sabine, bine, bine ... Was will man tun? Man macht es schließlich mit. Kurt Tucholsky
Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh'; Ihn schläfert; mit weißer Decke Umhüllen ihn Eis und Schnee. Er träumt von einer Palme, Die, fern im Morgenland, Einsam und schweigend trauert Auf brennender Felsenwand. Heinrich Heine (1797-1856
Goldne Abendsonne, o, wie bist du schön! Nie kann ohne Wonne deinen Glanz ich sehn! Schon in zarter Jugend sah ich gern nach dir, und der Trieb der Tugend glühte mehr in mir! Doch von dir, o Sonne! wend' ich meinen Blick mit noch grössrer Wonne auf mich selbst zurück! Schuf uns ja doch beide Eines Gottes Hand! dich im Strahlenkleide, mich im Staubgewand! Anna Barbara Urner (1760-1803)
Wie ist doch die Erde so schön, so schön! Das wissen die Vögelein; Sie heben ihr leicht Gefieder, Und singen so fröhliche Lieder In den blauen Himmel hinein. Wie ist doch die Erde so schön, so schön! Das wissen die Flüss' und Seen; Sie malen im klaren Spiegel Die Gärten und Städt' und Hügel, Und die Wolken, die drüber gehn! Und Sänger und Maler wissen es, Und es wissen's viel and're Leut', Und wer's nicht malt, der singt es, Und wer's nicht singt, dem klingt es [Im Herzen] vor lauter Freud'! Robert Reinick
Der Hahn Horch, horch! Der Hahn ist auch schon wach! So früh, Herr Hahn? Kaum graut der Tag, da kommt mit stolzen Schritten, der Hahn einher geschritten. Und kikriki! Hof ein Hof aus! Da muss der höchste ton heraus. Er kann sich nicht bezwingen, sein Morgenlied zu singen. Ja, ja ich hör es, wackrer Hahn, du kündest uns den Morgen an und mahnst uns durch dein Krähen, fein zeitig aufzustehen. Du rufst uns zu: Die Morgenstund, ihr Leute, die hat Gold im Mund, steht auf, ihr fleiß´gen Kinder, jetzt lernt ihr viel geschwinder. Drum kräh nur fort durch Hof und Haus, in einem Nu bin ich heraus; magst nun die Faulen wecken, die sich erst lange strecken. Jakob Baechtold
Das Dorf im Schnee Still, wie unterm warmen Dach, Liegt das Dorf im weißen Schnee; In den Erlen schläft der Bach, Unterm Eis der blanke Schnee. Weiden steh'n im weißen Haar, Spiegeln sich in starrer Flut; Alles ruhig, kalt und klar Wie der Tod der ewig ruht. Weit, so weit das Auge sieht, keinen Ton vernimmt das Ohr, Blau zum blauen Himmel zieht Sacht der Rauch vom Schnee empor. Möchte schlafen wie der Baum, Ohne Lust und ohne Schmerz; Doch der Rauch zieht wie im Traum Still nach Haus mein Herz. Klaus Groth (1819-1899)
Kein Hälmlein wächst auf Erden, Der Himmel hat´s betaut, Und kann kein Blümlein werden, Die Sonne hat´s erschaut. Wenn du auch tief beklommen In Waldesnacht allein: Einst wird von Gott dir kommen Dein Tau und Sonnenschein. Dann sproßt, was dir indessen Als Keim im Herzen lag, So ist kein Ding vergessen, Ihm kommt ein Blütentag. Albert Emil Brachvogel
Frühlingslied Und als das Kind geboren ward, Von dem ich heute singe, Der Winter schüttelte den Bart: »Was sind mir das für Dinge! Wie kommt dies Frühlingsblümelein In mein bereiftes Haus hinein? Potz Wunder über Wunder!« Doch klingeling! Ringsum im Kreis Bewegt’ sich’s im geheimen; Schneeglöckchen hob das Köpfchen weiß, Maiblümchen stand im Keimen; Und durch die Lüfte Tag für Tag, Da ging ein süßer Lerchenschlag Weit über Feld und Auen. Herr Winter! greif Er nur zum Stab! Das sind gar schlimme Dinge: Sein weißes Kleid wird gar zu knapp, Sein Ansehn zu geringe! - Wie übern Berg die Lüfte wehn, Da merk ich, was das Blümlein schön Uns Liebliches bedeute. Theodor Storm