Der Winter ist ein rechter Mann, Kernfest und auf die Dauer; Sein Fleisch fühlt sich wie Eisen an Und scheut nicht süß noch sauer. Aus Blumen und aus Vogelsang Weiß er sich nichts zu machen, Haßt warmen Trank und warmen Klang Und alle warmen Sachen. Wenn Stein und Bein vor Frost zerbricht Und Teich und Seen krachen, Das klingt ihm gut, das haßt er nicht, Dann will er tot sich lachen. Sein Schloß von Eis liegt ganz hinaus Beim Nordpol an dem Strande, Doch hat er auch ein Sommerhaus Im lieben Schweizerlande. Da ist er denn bald dort, bald hier, Gut Regiment zu führen, Und wenn er durchzieht, stehen wir Und seh'n ihn an und frieren. Matthias Claudius (1740-1815)
Schlüssel des Lebens Das Leben gleicht einem Strand, an den der Ozean des Schicksals unermüdlich neue Dinge an deine Seele spült. Es können neue Menschen sein, denen du begegnest, Worte und Weisheiten, Erlebnisse, Gedanken. Wie Muscheln liegen sie an deinem Strand. Warten darauf von dir gefunden zu werden. Manche bleiben dort lange liegen, andere werden von der nächsten Flut zurückgezogen ins Meer, waren nur kurze Besucher. Nur wer sie aufsammelt und ihre Schönheit, ihre Wahrheit und Struktur im hellen Licht betrachtet, dem erzählen sie ihrer Geschichte von der Reise durch das tiefe Meer. Du musst sie nicht besitzen, das gleicht einem hoffnungslosen Kampf gegen die Urgewalt des Meeres - trage ihre Geschichten nur tief in deinem Herzen. Sie können der Schlüssel sein für die Geheimnisse des Lebens, für die Schatzkisten an deinem Strand, oder sind es selbst. Habe also keine Angst vor einer rauen, stürmischen, und bewegten See. Sie wird dir mehr Muscheln an den Strand spülen, als ein ewig flaches Meer bei Sonnenschein. Genieße die sonnigen Stunden bei Ebbe und sei tapfer bei Sturm und hohen Wellen. Das Bild des Sandes an deinem Strand ist vergänglich und jeden Tag neu. Gezeichnet von den Menschen und bereinigt von der Flut. Besuche auch andere Strände, an denen der Wind das Meer aus einer anderen Richtung an das Ufer treibt. Vertraue auf dein Gefühl welche Muschel dir gefällt. Aber nimm dir auf jeden Fall die Zeit die Muscheln zu betrachten. Halte sie in die Sonne und schenk ihrem Rauschen dein Ohr. von Hanns Kronenberg
Nebel Du trüber Nebel hüllst mir Das Tal mit seinem Fluß, Den Berg mit seinem Waldrevier, Mit jedem Sonnengruß. Nimm fort in deine graue Nacht Die Erde weit und breit, Nimm fort was mich so traurig macht, Auch die Vergangenheit. Nikolaus Lenau (1954-1927)
Das Dörfchen Ich rühme mir mein Dörfchen hier, Denn schön're Auen als ringsumher, Die Blicke schauen, blüh'n nirgends mehr. Dort Ährenfelder und Wiesengrün, Dem blaue Wälder die Grenze zieh'n, An jener Höhe die Schäferei, Und in der Nähe mein Sorgenfrei. So nenn' ich meine Geliebte, Meine kleine Einsiedelei, Worin ich lebe zur Lust erweckt, Die ein Gewebe Von Ulm' und Rebe Grün überdeckt. Dort kränzen Schlehen die braune Kluft, Die Pappeln wehen in blauer Luft. Mit sanftem Rieseln schleicht hier gemach Auf Silberkieseln ein heller Bach, Fließt unter den Zweigen, Die über ihn sich wölbend neigen, Bald schüchtern hin. Läßt bald im Spiegel Den grünen Hügel, Wo Lämmer geh'n, Des Ufers Büschchen Und alle Fischen Im Grunde seh'n. Da gleiten Schmerlen Und blasen Perlen, Ihr schneller Lauf Geht bald hernieder Und bald herauf Zur Fläche wieder! O Seligkeit, Daß doch die Zeit Dich nie zerstöre, Mir frisches Blut Und frohen Mut Stets neu gewähre. Gottfried August Bürger (1747-1794)
Sanft glänzt die Abendsonne Auf diese stille Flur Und strahlet Ruh und Wonne Auf jede Kreatur. Sie zeichnet Licht und Schatten Auf die beblümte Au, Und auf den grünen Matten Blitzt der kristallne Tau. Hier in der Zephyrn Spiele Beim frohen Vogelchor, Hier steigen Hochgefühle In meiner Brust empor. Ich atme süße Freuden Auf diesem Tempel ein, Mich fliehen Gram und Leiden Im milden Abendschein. Dir, der die Abendröte Am Himmel ausgespannt Und süßes Nachtgeflöte Auf diese Flur gesandt, Dir sei dies Herz geweihet, Das reiner Dank durchglüht, Es schlage noch erfreuet, Wenn einst das Leben flieht. Anonymus
Frühling lässt sein blaues Band Wieder flattern durch die Lüfte Süße, wohlbekannte Düfte Streifen ahnungsvoll das Land Veilchen träumen schon, Wollen balde kommen Horch, von fern ein leiser Harfenton! Frühling, ja du bist's! Dich hab ich vernommen! Mörike, Eduard (1804-1875)
Nur einmal bringt des Jahres Lauf uns Lenz und Lerchenlieder. Nur einmal blüht die Rose auf, und dann verwelkt sie wieder; nur einmal gönnt uns das Geschick so jung zu sein auf Erden: Hast du versäumt den Augenblick, jung wirst du nie mehr werden. Drum lass von der gemachten Pein um nie gefühlte Wunden! Der Augenblick ist immer dein, doch rasch entfliehn die Stunden. Und wer als Greis im grauen Haar vom Schmerz noch nicht genesen, der ist als Jüngling auch fürwahr nie jung und frisch gewesen. Nur einmal blüht die Jugendzeit und ist so bald entschwunden; und wer nur lebt vergangnem Leid, wird nimmermehr gesunden. Verjüngt sich denn nicht auch Natur stets neu im Frühlingsweben? Sei jung und blühend einmal nur, doch das durchs ganze Leben! Richard v. Wilpert (1862 - 1918) doch noch haben wir Winter
Der Winterabend Es ist so still, so heimlich um mich. Die Sonn ist unten, der Tag entwich. Wie schnell nun heran der Abend graut. Mir ist es recht, sonst ist mir's zu laut. Wie tut mir so wohl der selige Frieden! Da sitz ich im Dunkel, ganz abgeschieden. So ganz für mich. Nur der Mondenschein Kommt leise zu mir ins Gemach herein. Er kennt mich schon und läßt mich schweigen. Nimmt nur seine Arbeit, die Spindel, das Gold, Und spinnet stille, webt, und lächelt hold, Und hängt dann sein schimmerndes Schleiertuch Ringsum an Gerät und Wänden aus. Ist gar ein stiller, ein lieber Besuch, Macht mir gar keine Unruh im Haus. Will er bleiben, so hat er Ort, Freut's ihn nimmer, so geht er fort. Ich sitze dann stumm im Fenster gern, Und schaue hinauf in Gewölk und Stern. Denke zurück, ach weit, gar weit, In eine schöne, verschwundne Zeit. Denk an sie, an das Glück der Minne, Seufze still und sinne, und sinne. Gottfried von Leitner (1800-1890)
Entschluß Sie kommt in diese stillen Gründe. Ich wag' es heut mit kühnem Mut! Was soll ich beben vor dem Kinde, Das niemand was zu Leide tut? Es grüssen Alle sie so gerne, Ich geh' vorbei und wag es nicht, Und zu dem allerschönsten Sterne Erheb' ich nie mein Angesicht. Die Blumen, die nach ihr sich beugen, Die Vögel mit dem Lustgesang, Sie dürfen Liebe ihr bezeugen, Warum ist mir allein so bang? Dem Himmel hab' ich oft geklaget In langen Nächten bitterlich Und habe nie vor ihr gewaget Das eine Wort: Ich liebe dich! Ich will mich lagern unterm Baume, Da wandelt täglich sie vorbei, Dann will ich reden als im Traume, Wie sie mein süßes Leben sei. Ich will - oh weh! welch ein Schrecken! Sie kommt heran, sie wird mich sehn! Ich will mich in den Busch verstecken, Da seh' ich sie vorübergehn... Ludwig Uhland (1787-1862)
Starker Schneefall, tagelang, Tage ohne Vogelsang, Tage ohne Sonnenstrahl, Grauer Nebel über'n Tal. Doch dann - hinter'm Bergesrücken - erste kleine Wolkenlücken. Das Himmelsblau lugt schwach hervor, die Sonne kämpft sich bald empor. Über'n Tal ein Nebelbogen, bevor die Wolken sich verzogen Der Schnee glitzert im Morgenlicht, das tausende Diamanten bricht. Eichel-, Unglückshäher, Meise singen in wunderschöner Weise. Auch ein Reh, man sieht es kaum, sonnt sich nun im Wintertraum. Ein Hase flitzt über den See, ganz weiß, man sieht ihn kaum im Schnee. Ein zweiter kommt ihm bald schon nach, Frühlingsgefühle werden wach...
Willkommen, lieber Winter, Willkommen hier zu Land! Wie reich du bist, mit Perlen Spielst du, als wär' es Sand! Den Hof, des Gartens Wege Hast du damit bestreut; Sie an der Bäume Zweige Zu Tausenden gereiht. Dein Odem, lieber Winter, Ist kälter, doch gesund; Den Sturm nur halt' im Zaume, Sonst macht er es zu bunt! Elisabeth Kulmann
Vom Eise befreit sind Strom und Bäche... Vom Eise befreit sind Strom und Bäche Durch des Frühlings holden, belebenden Blick; Im Tale grünet Hoffnungsglück; Der alte Winter, in seiner Schwäche, Zog sich in rauhe Berge zurück. Von dorther sendet er, fliehend, nur Ohnmächtige Schauer körnigen Eises In Streifen über die grünende Flor; Aber die Sonne duldet kein Weißes: Überall regt sich Bildung und Streben, Alles will sie mit Farben beleben; Doch an Blumen fehlt's im Revier, Sie nimmt geputzte Menschen dafür. Kehre dich um, von diesen Höhen Nach der Stadt zurückzusehen. Aus dem hohlen finstern Tor Dringt ein buntes Gewimmel hervor. Jeder sonnt sich heute so gern. Sie feiern die Auferstehung des Herrn, Denn sie sind selber auferstanden Aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, Aus Handwerks- und Gewerbesbanden, Aus dem Druck von Giebeln und Dächern, Aus der Straßen quetschender Enge, Aus der Kirchen ehrwürdiger Nacht Sind sie alle ans Licht gebracht. Sich nur, sich! wie behend sich die Menge Durch die Gärten und Felder zerschlägt, Wie der Fluß, in Breit' und Länge, So manchen lustigen Nachen bewegt, Und bis zum Sinken überladen Entfernt sich dieser letzte Kahn. Selbst von des Berges fernen Pfaden Blinken uns farbige Kleider an. Ich höre schon des Dorfs Getümmel, Hier ist des Volkes wahrer Himmel, Zufrieden jauchzet groß und klein. Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein!
Mein Himmel auf Erden Ich bin so gern, so gern daheim, Daheim in meiner stillen Klause; Wie klingt es doch dem Herzen wohl, Das liebe, traute Wort: ,,Zu Hause!`` O nirgend auf der weiten Welt, Fühl' ich so frei mich von Beschwerde! Ein braves Weib, ein herz'ges Kind: Das ist mein Himmel auf der Erde! Gewandert bin ich hin und her, Und mußte oft dem Schmerz mich fügen; Den Freudenbecher setz' ich an: Ich trank ihn aus in vollen Zügen; Doch immer zog es mich zurück, Zurück zu meinem heim'schen Herde. Und geh ich abends nun zur Ruh, Und leg ich mich zum Schlummer nieder, Da bete ich zum Herrn der Welt, Eh schließen sich die Augenlider. Ich falte meine Hände fromm, Zu dem, dereinstens sprach sein Werde, Du guter Gott, erhalte lang Mir meinen Himmel auf der Erde! Heinrich Pfeil
Ich danke Gott und freue mich Wie's Kind zur Weihnachtsgabe, Daß ich bin, bin! Und daß ich dich, Schön menschlich Antlitz! habe. Daß ich die Sonne, Berg und Meer Und Laub und Gras kann sehen Und abends unterm Sternenheer Und lieben Monde gehen. Und daß mir denn zu Mute ist, Als wenn wir Kinder kamen Und sahen, was der heilge Christ Bescheret hatte, Amen! Ich danke Gott mit Saitenspiel, Daß ich kein König worden; Ich wär geschmeichelt worden viel Und wär vielleicht verdorben. Auch bet ich ihn von Herzen an, Daß ich auf dieser Erde Nicht bin ein großer reicher Mann Und auch wohl keiner werde. Denn Ehr und Reichtum treibt und bläht, Hat mancherlei Gefahren, Und vielen hat's das Herz verdreht, Die weiland wacker waren. Und all das Geld und all das Gut Gewährt zwar viele Sachen; Gesundheit, Schlaf und guten Mut Kann's aber doch nicht machen. Und die sind doch, bei Ja und Nein! Ein rechter Lohn und Segen! Drum will ich mich nicht groß kastei'n Des vielen Geldes wegen. Gott gebe mir nur jeden Tag, So viel ich darf, zum Leben. Er gibt's dem Sperling auf dem Dach; Wie sollt er's mir nicht geben! Matthias Claudius
Die Welt ist allezeit schön Im Frühling prangt die schöne Welt In einem fast Smaragden Schein. Im Sommer glänzt das reife Feld, Und scheint dem Golde gleich zu sein. Im Herbste sieht man, als Opalen, Der Bäume bunte Blätter strahlen. Im Winter schmückt ein Schein, wie Diamant Und reines Silber, Flut und Land. Ja kurz, wenn wir die Welt aufmerksam sehn, Ist sie zu allen Zeit schön. Barthold Heinrich Brockes
Jeden Morgen in meinem Garten öffnen neue Blüten sich dem Tag. Überall ein heimliches Erwarten, das nun länger nicht mehr zögern mag. Die Lenzgestalt der Natur ist doch wunderschön, wenn der Dornbusch blüht und die Erde mit Gras und Blumen prangert.