Das Leben ist schön Das Leben ist schön, Die Blumen sind schön, Der Garten ist schön... Doch am schönsten ist es, wenn man einem Menschen auf seinem Weg die Hand gibt. Corinna
Schlittenfahrt Ein feiner Dunst liegt in der Luft, Der Wald steht tief in Träumen, Nur manchmal löst im Abendwind Ein zitternd Flöckchen sich und rinnt Schlaftrunken von den Bäumen ... Die Peitsche knallt, der Schlitten saust, Die Silberschellen klingen, Wir sitzen, Arm an Arm geschmiegt, Ein blaßes Winterseelchen fliegt Um uns mit weißen Schwingen Und spricht: Wie heiß euer Atem weht! Mein kaltes Kleidchen zergeht Vor seinem Hauch; Es schlagen Flammen Aus euren Augen, Und eure Hände Und eure Seelen Die glühen auch. - Wir sind so kühl ... Schnee unser Pfühl, Schnee unsre Speise; Und unser Herzchen schlägt Unter dem weißen Kleid Ganz leise. - Wenn die Sonne scheint, Ziehn wir erschrocken Die Mützchen über das Ohr, Faßen uns an und hocken Unter den Zweigen. - Aber der Vater weint ... Der Vater ist alt Und die Mutter jung, Und die Sonne weckt Die Erinnerung An das lachende Leben! Dann liegt sie unter den weißen Decken So traumhaft schön, Kleine, kichernde Seufzer wehn Um ihrem Mund, die Hände recken Sich sehnsüchtig aus, Und über der Brust, der große Strauß Eisiger Blüten nickt dazu: »Schlafe, liebe Königin du ...!« Aber der Vater weint! »Wir fürchten uns, Wenn die Sonne scheint ...« Die Peitsche knallt, der Schlitten saust, Das Seelchen ist zerstoben, Unmerklich hat die Winternacht Die ganze, weiße Märchenpracht Mit Dunkelheit umwoben. Zu Tale gehts, es stäubt der Schnee, Die Silberschellen klingen, Am Wege blitzen Lichter auf, Der Lärm der Stadt wacht brausend auf, Und kleine Buben singen: »Morgen kommt der Weihnachtsmann ...« Anna Richter
das Christkind Das Christkind ging durch den Winterwald, es war schon dunkel und ihm war's kalt. Es trug verschnürt im großen Sack, die schönsten Geschenke huckepack. Zu den braven Kindern auf den Weg lief es über Hügel, Tal und Steg. Was im Sack war, darf ich nicht sagen, ihr werdet es sehen in ein paar Tagen. Annegret Kronenberg
Advent Es treibt der Wind im Winterwalde die Flockenherde wie ein Hirt und manche Tanne ahnt, wie balde sie fromm und lichterheilig wird, und lauscht hinaus; den weißen Wegen streckt sie die Zweige hin, bereit und wehrt dem Wind und wächst engegen der einen Nacht der Herrlichkeit. Rainer Maria Rilke (1875-1926)
Tannengeflüster Wenn die ersten Fröste knistern, In dem Wald bei Bayrisch-Moos, Geht ein Wispern und ein Flüstern In den Tannenbäumen los, Ein Gekicher und Gesumm Ringsherum. Eine Tanne lernt Gedichte, Eine Lärche hört ihr zu. Eine dicke, alte Fichte Sagt verdrießlich: "Gebt doch Ruh! Kerzenlicht und Weihnachtszeit Sind noch weit!" Vierundzwanzig lange Tage Wird gekräuselt und gestutzt Und das Wäldchen ohne Frage Wunderhübsch herausgeputzt. Wer noch fragt: "Wieso? Warum?! Der ist dumm. Was das Flüstern hier bedeutet, Weiß man selbst im Spatzennest: Jeder Tannenbaum bereitet Sich nun vor aufs Weihnachtsfest, Denn ein Weihnachtsbaum zu sein: Das ist fein! (James Krüss)
So ruhig geh' ich meinen Pfad, So still ist mir zu Mut; Es dünkt mir jeder Weg gerad' Und jedes Wetter gut. Wohin mein Weg mich führen mag, Der Himmel ist mein Dach, Die Sonne kommt mit jedem Tag, Die Sterne halten Wach'. Und komm' ich spät und komm' ich früh Ans Ziel, das mir gestellt: Verlieren kann ich mich doch nie, O Gott, aus Deiner Welt! Josef von Eichendorff
Gestillte Sehnsucht In gold'nen Abendschein getauchet, Wie feierlich die Wälder stehn! In leise Stimmen der Vöglein hauchet Des Abendwindes leises Weh'n. Was lispeln die Winde, die Vögelein? Sie lispeln die Welt in Schlummer ein. Ihr Wünsche, die ihr stets euch reget Im Herzen sonder Rast und Ruh! Du Sehnen, das die Brust beweget, Wann ruhest du, wann schlummerst du? Beim Lispeln der Winde, der Vögelein, Ihr sehnenden Wünsche, wann schlaft ihr ein? Was kommt gezogen auf Traumesflügeln? Was weht mich an so bang, so hold? Es kommt gezogen von fernen Hügeln, Es kommt auf bebendem Sonnengold. Wohl lispeln die Winde, die Vögelein, Das Sehnen, das Sehnen, es schläft nicht ein. Ach, wenn nicht mehr in gold'ne Fernen Mein Geist auf Traumgefieder eilt, Nicht mehr an ewig fernen Sternen Mit sehnendem Blick mein Auge weilt; Dann lispeln die Winde, die Vögelein Mit meinem Sehnen mein Leben ein. Friedrich Rückert
Meinem Kinde Du schläfst und sachte neig' ich mich Über dein Bettchen und segne dich. Jeder behutsame Atemzug Ist ein schweifender Himmelsflug, Ist ein Suchen weit umher, Ob nicht doch ein Sternlein wär' Wo aus eitel Glanz und Licht Liebe sich ein Glückskraut bricht, Das sie geflügelt herniederträgt Und dir auf's weiße Deckchen legt. Du schläfst und sachte neig' ich mich Über dein Bettchen und segne dich. Gustav Falke (1853-1916)
an die Bäume im Winter Gute Bäume, die ihr die starr entblätterten Arme Reckt zum Himmel und fleht wieder den Frühling herab! Ach, ihr müßt noch harren, ihr armen Söhne der Erde, Manche stürmische Nacht, manchen erstarrenden Tag! Aber dann kommt wieder die Sonne mit dem grünenden Frühling Euch; nur kehret auch mir Frühling und Sonne zurück? Harr geduldig, Herz, und bringt in die Wurzel den Saft dir! Unvermutet vielleicht treibt ihn das Schicksal empor. J.Gottfried v.Herder
Verschwiegene Liebe Über Wipfel und Saaten In den Glanz hinein - Wer mag sie erraten, Wer holte sie ein? Gedanken sich wiegen, Die Nacht ist verschwiegen, Gedanken sind frei. Errät es nur eine, Wer an sie gedacht Beim Rauschen der Haine, Wenn niemand mehr wacht Als die Wolken, die fliegen - Mein Lieb ist verschwiegen Und schön wie die Nacht. Joseph von Eichendorff
Winterlüfte wehen durch des Äthers Raum, halb entblättert stehen Strauch und Kraut und Baum, Tot sind Floras Kinder, hin ihr Wohlgeruch, starr deckt sie der Winter mit dem Leichentuch. Welk ist, was mit Prangen feil sich bot zur Schau, selbst des Himmels Wangen Franz Grillparzer
Der Weg an unserm Zaun entlang, wie wunderschön war das! War morgens früh mein erster Gang, bis an das Knie im Gras, da spielt' ich bis zum Dämmerschein mit Steinen und mit Sand; Großvater holt' mich abends rein und nahm mich bei der Hand. Dann wünschte ich mir, groß zu sein und übern Zaun zu sehn. Großvater meinte: Laß das sein! Wird früh genug geschehn! Es kam so weit; ich hab' besehn die Welt da draußen mir, es war darin nicht halb so schön als damals an der Tür. Klaus Groth (1819-1899)
Die Stille Zeit Laut Kalender kommt sie bald, laut Geschäftswelt ist sie schon längst da, lauter angepriesen noch als letztes Jahr. Die Menschen eilen, hetzen, hasten, um auch ein Stück davon zu ertasten. Voller Hetze geht der Tag herum, vor Müdigkeit ist jeder abends stumm. Nach außen hin ist alles froh, wie´s angepriesen wird, g´rade so. Ich lächle zu mir voll Zufriedenheit, genieß ich doch - die stille Zeit - wenn mir danach zumute ist. Ich freue mich über der Flocken Tanz, aus Blättern mach´ich mir ´nen Kranz, beruhigend ist der Kerze Schein, von alles Hetze kann ich mich befrei´n. Mit der Familie ein ruhiges Gespräch am Abend, ist nicht allein für mich so labend. Ein gutes Buch ist auch was wert, basteln mit den Kindern nicht verkehrt. Wenn sie also kommt zu mir - die stille Zeit- bin ich tief im Herzen dazu bereit. von Christine Wolter aus "Bayrische Weihnacht"
Wär ich ein Sonnenstrahl, fern am Himmelsbogen, käm ich heimlich zu dir herab gezogen, ließe die Täler, ließe die Auen, in dein Fensterlein zu schauen: wär ich ein Strahl am fernen Himmelsbogen, käm ich heimlich zu dir herabgezogen. Oder als Vöglein möcht auf leichten Schwingen dir am Morgen den ersten Gruß ich bringen, ließe die Täler, ließe die Auen, in dein Fensterlein zu schauen: wär ich ein Vöglein, möcht auf leichten Schwingen dir am Morgen den ersten Gruß ich bringen. Stefan Witwicki (1801-1847)
Durch den Wald mit raschen Schritten, Trage ich die Laute hin, Freude singt was Leid gelitten Schweres Herz hat leichten Sinn. Durch die Büsche muß ich dringen Nieder zu dem Felsen Born, Und es schlingen sich mit Klingen In die Saaten Ros' und Dorn. Clemens von Brentano (1778-1831)
Morgen-Hymne Bald ist der Nacht ein End' gemacht, Schon fühl' ich Morgenlüfte wehen. Der Herr, der spricht: »Es werde Licht!« Da muß, was dunkel ist, vergehen. Vom Himmelszelt durch alle Welt Die Engel freudejauchzend fliegen; Der Sonne Strahl durchflammt das All. Herr, laß uns kämpfen, laß uns siegen! Robert Reinick (1805-1852)
Noch ahnt man kaum der Sonne Licht, Noch sind die Morgenglocken nicht Im finstern Tal erklungen. Wie still des Waldes weiter Raum! Die Vöglein zwitschern nur im Traum, Kein Sang hat sich erschwungen. Ich hab' mich längst ins Feld gemacht, Und habe schon dies Lied erdacht, Und hab' es laut gesungen. Ludwig Uhland (1787-1862)
Winterabend Über den dämmernden, zärtlichen Schatten Des blauen und schneeigen Matten, Wirft die sinkende Sonne mit Mühen Rötliches Glühen. Über die schneeigen Fluren, die grenzlos weiten, Sich so kahl und öde breiten Die einsame Pfade und ein Weg Über des Flusses Steg, Wo bräunliche Bäume Nun sehen die Träume. Längs dem endlosen Wege glitten Und rollten Schlitten, Bei des blassen Mondes Funken sprühen In des Abends roten Glühen In die Ferne... (Aus dem Estnischen übersetzt von Paul Kuuse)
Hirtenlied O Winter, schlimmer Winter, wie ist die Welt so klein! Du drängst uns all' in die Täler, in die engen Hütten hinein. Und geh' ich auch vorüber an meiner Liebsten Haus, Kaum sieht sie mit dem Köpfchen zum kleinen Fenster heraus. O Sommer, schöner Sommer, wie wird die Welt so weit! Je höher man steigt auf die Berge, je weiter sie sich verbreit't. Und stehest du auf dem Felsen, traut' Liebchen, ich rufe dir zu. Die Halle sagen es weiter, doch Niemand hört es, als du. Und halt' ich dich in den Armen auf freien Bergeshöh'n: Wir seh'n in die weiten Lande, und werden doch nicht geseh'n. Ludwig Uhland
Es gibt so wunderweiße Nächte, drin alle Dinge Silber sind. Da schimmert mancher Stern so lind, als ob er fromme Hirten brächte zu einem neuen Jesuskind. Weit wie mit dichtem Demantstaube bestreut, erscheinen Flur und Flut, und in die Herzen, traumgemut, steigt ein kapellenloser Glaube, der leise seine Wunder tut. Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)