Im deutschen November Dies ist der Herbst: der bricht dir noch das Herz! Fliege fort! fliege fort! Die Sonne schleicht zum Berg Und steigt und steigt und ruht bei jedem Schritt. Was ward die Welt so welk! Auf müd gespannten Fäden spielt Der Wind sein Lied. Die Hoffnung floh Er klagt ihr nach. Dies ist der Herbst: der bricht dir noch das Herz. Fliege fort! fliege fort! Oh Frucht des Baums, Du zitterst, fällst? Welch ein Geheimnis lehrte dich Die Nacht, Daß eis'ger Schauder deine Wange, Die purpur-Wange deckt? Du schweigst, antwortest nicht? Wer redet noch? Dies ist der Herbst: der bricht dir noch das Herz. Fliege fort! fliege fort! "Ich bin nicht schön" - so spricht die Sternenblume "Doch Menschen lieb' ich Und Menschen tröst' ich sie sollen jetzt noch Blumen sehn, nach mir sich bücken ach! und mich brechen - in ihrem Auge glänzet dann Erinnerung auf, Erinnerung an Schöneres als ich: - ich seh's, ich seh's - und sterbe so". Dies ist der Herbst: der bricht dir noch das Herz! Fliege fort! fliege fort! Nietzsche, Friedrich (1844-1900
Fürchte dich nicht Fürchte dich nicht, sind die Astern auch alt, streut der Sturm auch den welkenden Wald in den Gleichmut des Sees, - die Schönheit wächst aus der engen Gestalt; sie wurde reif, und mit milder Gewalt zerbricht sie das alte Gefäß. Sie kommt aus den Bäumen in mich und in dich, nicht um zu ruhn; der Sommer ward ihr zu feierlich. Aus vollen Früchten flüchtet sie sich und steigt aus betäubenden Träumen arm ins tägliche Tun. Rainer Maria Rilke
Herbstgefühl Müder Glanz der Sonne! Blasses Himmelblau! Von verklungner Wonne Träumet still die Au. An der letzten Rose Löset lebenssatt Sich der letzte lose, Bleiche Blumenblatt! Goldenes Entfärben Schleicht sich durch den Hain! Auch Vergehn'n und Sterben Däucht mir süß zu sein. Karl von Gerok
Das Bienlein fliegt immer fleißig hin und her, als ob es niemals müde wär' und trägt, und trägt, und trägt den Honig ein. Wer hat's ihm denn gesagt, wo's überall ihn finden kann, für sich und dich und jedermann, daß es, daß es, daß es gar niemals fragt. Das hat ja Gott allein; der legt ihn in die Blumen hin, da findet ihn das Bienchen drin und trägt, und trägt, und trägt ihn fröhlich ein. Johann Wilhelm Hey (1789-1854)
Der Traum vom Fliegen An einem Baum in dem Park der großen Stadt hing unter tausenden Blättern ein Blatt. Sang der Nachtwind in den Bäumen, wiegte sich das Blatt in Träumen von der weiten herrlichen Welt. Könnt ich nur einmal wie der Wind Fliegen, fliegen, mit den Wolken übers Meer ach mein Leben gäb´ ich her, Könnt ich Fliegen, könnt ich fliegen. Bald kam der Herbst gab dem Blatt sein schönstes Kleid doch es klagte den Wolken sein Leid, bleiben muß ich und verblühen könnt ich mit den Schwänen ziehen, dorthin wo der Sommer nie vergeht. Da rief der Herbstwind, Du sollst Fliegen, fliegen und er riß vom Baum das Blatt, trieb es in die große Stadt, ließ es Fliegen, ließ es fliegen. Kurz war das Glück, müde sank das Blatt hinab auf die Straße, sein regennasses Grab. Schon am Ende seines Lebens rief das kleine Blatt vergebens, zu den stummen Häusern hinauf. Könnt ich nur einmal noch im Wind Fliegen, fliegen, flög´ ich hin zu meinem Baum und vergessen wär´ der Traum vom Fliegen, vom fliegen..." ein Lied von Alexandra
Wasldlied Die Vögel fliehn geschwind Zum Nest im Wetterhauche, Doch schleudert sie der Wind Weitab von ihrem Strauche. Das Wild mit banger Hast Ist ins Gebüsch verkrochen; Manch grüner frischer Ast Stürzt nieder, sturmgebrochen. Das Heer der Wolken schweift Mit roten Blitzesfahnen, Aufspielend wirbelt, pfeift Die Bande von Orkanen. Das Bächlein, sonst so milde, Ist ausser sich geraten, Springt auf an Bäumen wild, Verwüstend in die Saaten. Der Donner bricht herein, Es kracht die Welt in Wettern, Als wollt' am Felsgestein Der Himmel sich zerschmettern. Der Regen braust; nun schwand Das Tal in seiner Dichte; Verpfählt hat er das Land Vor meinem Augenlichte. Doch mir im Herzensgrund Ist Heiterkeit und Stille; Mir wächst in solcher Stund Und härtet sich der Wille. Nikolaus Lenau (1802-1850)
Herbstgefühl Mürrisch braust der Eichenwald, Aller Himmel ist umzogen, Und dem Wandrer, rauh und kalt, Kommt der Herbstwind nachgeflogen. Wie der Wind zu Herbsteszeit Mordend hinsaust in den Wäldern, Weht mir die Vergangenheit Von des Glückes Stoppelfeldern. An den Bäumen, welk und matt, Schwebt des Laubes letzte Neige, Niedertaumelt Blatt auf Blatt Und verhüllt die Waldessteige; Immer dichter fällt es, will mir den Reisepfad verderben, Daß ich lieber halte still, Gleich am Orte hier zu sterben. Nikolaus Lenau (1802-1850)
Im Herbst Im Herbst Die Sonnenblumen leuchten am Zaun, Still sitzen Kranke im Sonnenschein. Im Acker müh'n sich singend die Frau'n, Die Klosterglocken läuten darein. Die Vögel sagen dir ferne Mär, Die Klosterglocken läuten darein. Vom Hof tönt sanft die Geige her. Heut keltern sie den braunen Wein. Da zeigt der Mensch sich froh und lind. Heut keltern sie den braunen Wein. Weit offen die Totenkammern sind Und schön bemalt vom Sonnenschein. Georg Trakl (1887 - 1914)
Der Herbst der Einsamen Der Herbst des Einsamen Der dunkle Herbst kehrt ein voll Frucht und Fülle, Vergilbter Glanz von schönen Sommertagen. Ein reines Blau tritt aus verfallner Hülle; Der Flug der Vögel tönt von alten Sagen. Gekeltert ist der Wein, die milde Stille Erfüllt von leiser Antwort dunkler Fragen. Und hier und dort ein Kreuz auf ödem Hügel; Im roten Wald verliert sich eine Herde. Die Wolke wandert übern Weiherspiegel; Es ruht des Landmanns ruhige Gebärde. Sehr leise rührt des Abends blauer Flügel Ein Dach von dürrem Stroh, die schwarze Erde. Bald nisten Sterne in des Müden Brauen: In kühle Stuben kehrt ein still Bescheiden, Und Engel treten leise aus den blauen Augen der Liebenden, die sanfter leiden. Es rauscht das Rohr; anfällt ein knöchern Grauen, Wenn schwarz der Tau tropft von den kahlen Weiden. Georg Trakl (1887 - 1914)
Noch ein bischen Herbst Frühherbst Die Stirn bekränzt mit roten Berberitzen steht nun der Herbst am Stoppelfeld, in klarer Luft die weißen Fäden blitzen, in Gold und Purpur glüht die Welt. Ich seh hinaus und hör den Herbstwind sausen, vor meinem Fenster nickt der wilde Wein, von fernen Ostseewellen kommt ein Brausen und singt die letzten Rosen ein. Ein reifer roter Apfel fällt zur Erde, ein später Falter sich darüber wiegt - ich fühle, wie ich still und ruhig werde, und dieses Jahres Gram verfliegt. Agnes Miegel (1879 - 1964)
Beim Winde Es träumen die Wolken, die Sterne, der Mond, Die Bäume, die Vögel, die Blumen, der Strom, Sie wiegen und schmiegen sich tiefer zurück, Zur ruhigen Stätte, zum tauigen Bette, zum heimlischen Glück. Doch Blättergesäusel Und Wellengekräusel Verkünden Erwachen; Denn ewig geschwinde, Unruhige Winde, Sie stöhnen, sie fachen Erst schmeichelnde Regung, Dann wilde Bewegung; Und dehnende Räume Verschlingen die Träume. Im Busen, im reinen, Bewahre die Deinen; Es ströme dein Blut, Vor rasenden Stürmen Besonnen zu schirmen Die heilige Glut. Johann Baptist Mayrhofer (1787-1836)
Herbst in Laubenheim Die Weinberge in Laubenheim laden im Herbst zum Wandern ein, und des Herbstes Sonnenschein weckt Vorfreude auf guten Wein. Die Weinlese hat schon begonnen, letzte Trauben tanken Sonne, und ein Winzer macht uns klar, der neue Wein wird wunderbar. Hinterm Rücken ganz verschmitzt, wird eine reife Rebe rasch stibitzt, und der Winzer, ein junger Mann, er schaut hinüber zum anderen Hang. Damit es Platz gibt für den neuen Wein, kehren wir in die Straußwirtschaft ein. Ein Schluck Wein und Handkäs mit Musik bringen die Lebensgeister zurück. Elise Hennek
Der Meeresflut mit Purpurglut entsteigt der Sonne Strahl; der Nebel sinkt, und silbern blinkt im Perlenschmuck das Tal. Den Fittig hebt die Lerch' und schwebt hinauf zum Wolkensaum; des Schöpfers Dank, ihr Lobgesang erfüllt des Himmels Raum. Mit frommem Sinn, o Sängerin, wallst du im Himmelsglanz! O trag' mein Lied, von Dank erglüht, empor zum Sternenkranz! Verfasser unbekannt
Zu Golde ward die Welt; Zu lange traf Der Sonne süßer Strahl Das Blatt, den Zweig. Nun neig Dich, Welt hinab In Winterschlaf. Bald sinkt's von droben dir In flockigen Geweben Verschleiernd zu - Und bringt dir Ruh, O Welt, O dir, zu Gold geliebtes Leben, Ruh.
Gott hieß die Sonne glühen und leuchten durch alle Welt, er hieß die Rosen blühen auf duftigem Blumenfeld, er hieß die Berge sich türmen und über die Lande erheben, ließ Winde wehen und stürmen, schuf vielgestaltiges Leben. Er gab den Vögeln Gefieder, dem Meere sein ewiges Rauschen, mir gab er sinnige Lieder, euch Ohren, ihnen zu lauschen. Und was die Sonne glüh't, was Wind und Welle singt, und was die Rose blüh't, was auf zum Himmel klingt, und was vom Himmel nieder, das weht durch mein Gemüt, das klingt durch meine Lieder. Ihm färbt der Morgensonne Licht Den reinen Horizont mit Flammen, Und über seinem schuld'gen Haupte bricht Das schöne Bild der ganzen Welt zusammen Friedrich Martin von Bodenstedt (1819-1892)
Die Zeit geht schnell Lieb' Vöglein, vor Blüten Sieht man dich kaum, Im dämmernd beglühten Flüsternden Baum, Wann in Morgenfunken Sprüh'n Täler und Quell, Singst du frühlingstrunken - Aber die Zeit geht schnell. Wie balde muß lassen Seine Blätter der Wald, Die Blumen erblassen, Die Gegend wird alt, Erstarrt ist im Eise Der muntere Quell - Rüst' die Flügel zur Reise, Denn die Zeit geht schnell! Joseph von Eichendorff
Nachklang Lust'ge Vögel in dem Wald, Singt, solang es grün, Ach wer weiss, wie bald, wie bald Alles muss verblühn! Sah ich's doch vom Berge einst Glänzen überall, Wusste kaum, warum du weinst, Fromme Nachtigall. Und kaum ging ich über Land, Frisch durch Lust und Not, Wandelt' alles, und ich stand Müd im Abendrot. Und die Lüfte wehen kalt, fibers falbe Grün, Vöglein,euer Abschied hallt Könnt' ich mit euch ziehn! Joseph von Eichendorff
Dies ist ein Herbsttag, wie ich keinen sah! Die Luft ist still, als atmete man kaum, und dennoch fallen raschelnd, fern und nah, die schönsten Früchte ab von jedem Baum. O stört sie nicht, die Feier der Natur! Dies ist die Lese, die sie selber hält; denn heute löst sich von den Zweigen nur, was vor dem milden Strahl der Sonne fällt. Friedrich Hebbel
Verklärter Herbst Gewaltig endet so das Jahr Mit goldnem Wein und Frucht der Gärten. Rund schweigen Wälder wunderbar Und sind des Einsamen Gefährten. Da sagt der Landmann: Es ist gut. Ihr Abendglocken lang und leise Gebt noch zum Ende frohen Mut. Ein Vogelzug grüßt auf der Reise. Es ist der Liebe milde Zeit. Im Kahn den blauen Fluß hinunter Wie schön sich Bild an Bildchen reiht - Das geht in Ruh und Schweigen unter. Georg Trakl (1887-1914)
Herbstlich sonnige Tage Herbstlich sonnige Tage, mir beschieden zur Lust, euch mit leiserem Schlage grüßt die atmende Brust. O wie waltet die Stunde nun in seliger Ruh! Jede schmerzende Wunde schließet leise sich zu. Nur zu rasten, zu lieben, still an sich selber zu baun, fühlt sich die Seele getrieben und mit Liebe zu schaun. Jedem leisen verfärben lausch ich mit stillem Bemühn, jedem Wachsen und Sterben jedem Welken und Blühn. Was da webet im Ringe, was da blüht auf der Flur, Sinnbild ewiger Dinge ist's dem Schauenden nur. Jede sprossende Pflanze, die mit Düften sich füllt, trägt im Kelche das ganze Weltgeheimnis verhüllt. Emanuel Geibel