MTX und Humira als Langzeittherapie bei Jugendlichen - Meine Erfahrung

Dieses Thema im Forum "Kinder- und Jugendrheuma" wurde erstellt von maryl, 9. April 2018.

  1. maryl

    maryl Neues Mitglied

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    8. April 2018
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    1
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    Schleswig-Holstein
    Hallo erstmal!

    Kurz als Einstieg, damit ihr wisst, was ich mit meinem Beitrag bezwecken möchte:
    Ich sehe viele Eltern online, die sich viele Sorgen machen um ihre Kinder, welche mit Arthritis und Co. diagnostiziert wurden. Sie wissen nicht was die Medikamente machen und können nicht direkt mitfühlen oder abschätzen, was passieren wird, oder wie es ihrem Kind wirklich geht. Es gibt viele Sachen auf die man achten sollte und ich möchte hier ein bisschen helfen.

    Ich bin 17 Jahre alt, komme aus Schleswig-Holstein und bin alles in allem seit Januar 2014 "krank". Somit schon über vier Jahre. Dadurch weiß ich wie es sich im Jugendalter anfühlt mit Rheuma erkrankt zu sein und hoffe helfen zu können sowie Fragen beantworten zu können, besonders für Eltern.

    Geschichtsstunde zu Krankheitsverlauf:
    Ich hatte schon einige Monate Probleme mit meinem linken Auge und konnte nicht mehr so richtig sehen. Nach viel herumreisen und ner Menge Cortison usw kam 2015 die Diagnose: Iritis.
    Danach ging das Rätselraten erst richtig los, denn keiner wusste wie es dazu kam - Ich war eigentlich seit Jahren gesund und munter! Mein Auge wurde immer schlimmer (Teils Blind, sowie Einblutungen) und immer öfter kam das Thema Operation auf. Erst durch einen Flug nach Stuttgart in das Uveitis Zentrum (sehr zu empfehlen, aber super lange Wartezeiten) konnte mir gesagt werden, dass es eine Pan-Uveitis ist und sie höchstwahrscheinlich mit Rheuma zusammenhängt.
    Mit diesem neuem Wissen ging es wieder nachhause. Ich wurde getestet auf HLA-B27. Negativ!
    Also war für meine Ärzte erstmal Rheuma vom Tisch und es wurde ein anderer Grund gesucht. Irgendwann machte ich ein MRT mit Kontrastmittel und Tadaa! Seit Februar 2016 habe ich eine Spondylathritis...
    Meine Familie war mit der Info total überfordert - so wie ich auch. Ich biss jedoch die Zähne zusammen und nahm es als gegeben hin. Mir wurde gesagt meine Krankheit wird wahrscheinlich wieder weg gehen und ich müsse nur 2 Jahre Medikamente nehmen - also alles Prima??


    Zuerst wurde mir MTX (40 mg, subkutan, wtlg.), Pantoprazol (1x tägl.) und Folsäure (2x 5mg wtlg.) verschrieben. (WIE WAR DAS? PROBLEME? SCROLLT RUNTER BIS ZUM BLAUEN)

    Offensichtlich, da ich hier schreibe, ist die Medikation nicht beendet worden. MTX hatte allein keinen Erfolg und ich bekam dann auch noch Humira (SCROLLT ZUM GRÜNEN).
    Nach kurzer Zeit gab es Erfolge mit Humira und die Entzündungen hörten auf. Ich wurde jedoch nur noch krank und bekam eine Lungenentzündung, sowie Magen-Darm und reihenweise Erkältungen, die gar kein Ende nahmen. Also musste MTX sowie Humira abgesetzt werden, dass war im
    Mai 2017. Kurz nach dem Absetzen gab es jedoch ein Problem: Mein Magen. Ich konnte nichts mehr essen. Ich war nur noch auf Klo. Somit viel ich oft in der Schule aus und war um so öfter beim Arzt. Wir probierten viel: Heilpraktiker, "Normale" Medizin, Diäten usw. Am Ende stellte sich heraus, ich habe eine Magenschleimhautentzündung (Habe ich in letzter Zeit oft in Verbindung mit MTX gehört). Ich bekam Medikamente dafür und nahm zu jeder Mahlzeit Symbioflor 1. Ab da ging es wieder Berg auf. (Ich verlor in den ca 4-5 Monaten an die 6 kg)
    Direkt nach dem Absetzen ging es mir ansonsten super. Meine Fingernägel waren auf einmal vorhanden und wuchsen, mein Haarausfall ging zurück und ich war körperlich fit. Ohne Beschwerden und ohne Medikamente ist alles besser. Ich konnte also schonmal an der Ziellinie schnuppern-doch das ging nicht lang gut.
    Seit Herbst 2017 hat mein Auge sich wieder verschlechtert. Meine Gelenke sind jedoch seit der ersten Gabe von Humira immernoch ruhig und brav. Im
    März 2018 wurden Humira und MTX erneut angesetzt. (40 mg (schleichend von 1x wtlg. zu 1x alle vier Wochen) und 10 mg 1x wtlg). Seitdem ist mein Auge ein bisschen besser geworden, trotz der doch so kurzen Zeit. Mein Magen ist leider, trotz der ganzen Medikamente und dem Aufbau seit April 2018 wieder "kaputt". Ich habe wieder Durchfall und starke Krämpfe, oftmals direkt nach dem Essen.
    Ich werde wahrscheinlich Updates zu meiner Krankheit raushauen, falls es jemand wissen möchte.
    Mittlerweile hat meine Medikation kein bestimmtes "Ende" mehr. Dies macht die Zukunftsplanung leider sehr schwer. Ich möchte nächstes Jahr mein Abitur machen und Studieren. Aufgrund der Krankheit sind einige Berufswege leider nicht mehr möglich und mein Führerschein Sehtest ist aufgrund der Augenerkrankung derzeit nicht bestehbar. Bedenkt sowas und versucht es eurem Kind möglichst einfach zu machen.


    Doch wie erging es mir unter meinen Medikamenten:

    Fürs Auge (Seit 2014):

    Augentropfen (Prednisolon Forte):
    Keine Beschwerden, jedoch nervig zu nehmen.

    Langzeitwissen-Tipp:
    Es bilden sich Ablagerungen auf der Linse bei einer Langzeittherapie (Bei mir jetzt 4 Jahre). Diese sind nicht zu verhindern, sorgen aber dafür, dass eine Linsen-OP nötig wird (Bei mir voraussichtlich 2019).

    Cortison:
    Sorgt für extreme Wassereinlagerungen und empfindliche Haut (Blaue Flecken und schnelle Verletzungen). Dies kann ganz schön am Selbstbewusstsein nagen!!

    Für die Spondylathritis (seit 2016):


    MTX subkutan (!):
    Es war hart. Ich will nicht lügen, ich hätte gern und oft einfach nur weinen können, aber ich wusste es sollte ja nur begrenzt sein.
    Bei dem Spritzen von MTX hatte ich direkt schlimme Nebenwirkungen; Ausschläge, Übelkeit, Durchfall, Haarausfall, Schwindel und generelle Kreislaufprobleme. Lösung dafür: Cetirizin und Tabletten, welche die Übelkeit verdrängen. (Durch den Durchfall verlor ich in der Kurzen Zeit (ca 3 Monate 2 kg.)
    Dazu ging meine Immunstabilität in den Keller. Ich war nur noch krank.
    MTX spritzte ich zuerst in Bein. Da Schmerz und Schwellung dort jedoch unangenehm und störend waren im normalen Schulalltag, wechselte ich auf dem Bauch. Es wurde jedoch nicht besser.

    MTX (Tabletten):
    MTX wurde seit der Gabe von Humira in Tablettenform genommen, aufgrund der Nebenwirkungen, und stückweise auf 15 mg reduziert.
    Mit dem MTX Tabletten gingen die Nebenwirkungen zurück, mir blieben nur noch die Magenprobleme, der Haarausfall und die allergischen Reaktionen.
    Mittlerweile nehme ich 10 mg.

    Humira (subkutan, Pen, 40 mg):
    Meine Entzündung wurden nur unter MTX nicht besser und somit musste ein Biologica her. Wir nahmen Humira, da es uns als "beste Option" von einigen Ärzten ans Herz gelegt wurde und es ja schon 15 Jahre bekannt war (40 mg, alle 2 Wochen).
    Meine Humira Erfahrungen:
    Ich hatte keine wirklichen langzeit Beschwerden, abgesehen von wenig Ausdauer und Schwächegefühl. Die Spritzstelle war direkt nach der Injektion rot und geschwollen, dies dauerte immer 1-2 Tage an.
    Langzeitwissen-Tipp:
    Humira verschlechtert die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Bei laufender Medikation ist in jedem Schulfach mit ca 1 Schulnote schlechter zu rechnen. (Dies lässt nach dem Absetzten relativ schnell nach)



    Mein "Humira-Spritz-Guide" für Kinder und Jugendliche: (So ist es am angenehmsten für mich)
    Sucht einen Tag in der Woche aus, an dem euer Kind wenig vor hat. So kann es entspannen. Spritzt das Humira möglichst kurz vor dem zu Bett gehen, dann hat der Körper viel Zeit zu verarbeiten und eurer Kind wenig Stress. Nehmt den Humira Pen ca eine halbe Stunde bis Stunde vor der Injektion aus dem Kühlschrank. Der stechende Schmerz bei der Injektion geht dadurch zurück. Bei der Injektion redet ihr am Besten über irgendwas abgesehen von den Medikamenten, so wird euer Kind abgelenkt.
    Ganz Wichtig: Lasst euer Kind so früh wie möglich selbst spritzen. So verlieren sie die Angst und können falls die Krankheit doch länger anhält selbst damit um. Lasst die jedoch nie allein bei der Injektion. Ihr gebt ihnen Sicherheit und Geborgenheit. Lasst den Anrufer auf den AB quatschen und verlegt zu not euer Geschäftsessen. Das ist wirklich wichtig. Unterschätzt dies bitte nicht!

    Habt ihr Angst euer Kind könnte die Injektion nach den Schmerzen der ersten Spritze verweigern? Gebt im eine Kleinigkeit als Belohnung. Eventuell ein Ü-Ei? Sowas lässt ganz schnell vergessen und hat auf Dauer einen Lerneffekt. So wird die Humira-Erfahrung schnell und dauerhaft mit etwas positivem überspielt.


    Habt ihr noch Fragen? Fällt euch was bei eurem Kind auf?
    Vielleicht kenn ich die Situation und kann Helfen.

    Mit freundlichen Grüßen,

    Maryl
     
    Norchen gefällt das.
  2. Marly

    Marly Guest

    Hallo Maryl,
    mir gefällt dein Beitrag.

    Meine Tochter bekam im Alter von 11 Jahren Juvenile Psorias Arthritis mit Augenbeteiligung.
    Mittlerweile ist sie 22 Jahre alt.
    Sie hatte Glück oder die richtige Behandlung, ich weiß es nicht, jedenfalls ist sie 10 Jahre ohne
    Basismedikation ausgekommen.
    Sie bekam damals in den akuten Schüben NSAR und beim Augenarzt die Cortisontropfen und Salben.
    Ich habe unendlich viele Quarkwickel gezaubert.....

    Mit dem Spritzen von MTX und der Einnahme von Cortison hat sie dann vor knapp 2 Jahren angefangen und ist davon wieder weg und auf
    Leflunomid umgestiegen, wegen der Nebenwirkungen. Das verträgt sie gut.

    Ich als Mutter habe mir unentwegt Sorgen gemacht, um die Erkrankung, um die Nebenwirkungen, um die Zukunft.

    Ich habe mit der Zeit gelernt, dass sie das schon alles meistern wird. Als sie jünger war, war es vor allem das Anders sein, was ihr
    große Probleme bereitet hat. Sie war immer ein sehr sportbegeistertes Kind und für mich war es am Schwersten, ihr immer
    wieder Mut zu machen, wenn sie wochenlang nichts machen und an Veranstaltungen nicht teilnehmen konnte.
    Oder wenn ich gesehen habe, wie sie zur Schule gehumpelt ist. In der Klasse hat sie sich immer mehr zurückgezogen.

    Ich glaube das war schlimmer, als die Angst um die Nebenwirkungen.
     
  3. Finn89

    Finn89 Bekanntes Mitglied

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    Ein sehr guter und ausführlicher Beitrag, danke dir dafür. Es wird für dich einen guten Berufsweg geben, da bin ich mir sicher.
    Ich wünsche dir alles Gute und dass du dir deine Wünsche erfüllen kannst, so gut es eben geht.
    Was sagen denn die Ärzte zu den Nebenwirkungen bei dir und in welchem Intervall spritzt du Humira? Waren die Übelkeits, Infektnebenwirkungen vom MTX oder Humira?
    Eine Belohnung fürs Kind finde ich sehr wichtig, es muss nichts Süßes sein, es kann auch ein Mama-kind Tag sein, wo man was gemeinsam unternimmt oder ein Filmeabend etc. Ich finde es sehr wichtig als Ansprechpartner da zu sein, ich bin 28 und meine Mama ist die beste Zuhörerin für meine Sorgen.
     
  4. Silvia-67

    Silvia-67 Mitglied

    Registriert seit:
    24. Juli 2005
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    41
     
  5. Silvia-67

    Silvia-67 Mitglied

    Registriert seit:
    24. Juli 2005
    Beiträge:
    41
    Hallo Maryl

    vielen Dank für Deinen Bericht über Deine Erfahrungen. Es hat uns geholfen, bei meiner Tochter soll jetzt Humira gegeben werden und MTX Tbl.. Das Mtxs.c musste sie abrupt aufhören im Dezember , es ging einfach nicht mehr. Jetzt 3 Monate später der Schub wieder das Knie und wahrscheinlich Kiefergelenk. Ich als Mutter habe natürlich Bedenken mit dem neuen Medikament und weiss aber das es nicht anderes geht, es gibt keine andere Möglichkeit. Die Schmerzen und immer die Einschränkungen zb.Gehstützen usw. geht auch nicht mehr. Und das Gelenk leidet unter den Entzündungen. Aber in dem Alter, 14, hatte meine Tochter keine Lust mehr, zudem das MTX nicht mehr vetragen wurde. Also erst mal keine Medikamente für 3 Monate. und jetzt der heftige Rückfall.
    Sie sieht es glaube ich jetzt ein das ein neues Medikament gegeben werden muss, hat sich aber schon die Nebenwirkungen durchgelesen.
    Alles Gute für Dich, Maryl.
    Viele Grüße
    Silvia
     
  6. Tinchen1978

    Tinchen1978 Bekanntes Mitglied

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    Hallo Silvia,

    meine Tochter bekommt auch MTX und Humira. MTX musste auch mal zeitweise ausgesetzt werden, nun kommt sie aber mit der Kombination relativ gut zurecht. Von Humira merkt sie bis jetzt nichts bezüglich Nebenwirkungen. Und sie und auch ich waren auch ängstlich am Anfang... Ich besonders ;).
    Möge es deiner Tochter gut bekommen und helfen!

    LG Tina
     
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