Schmerzen zu haben ist eine beängstigende Vorstellung, für uns alle. Wahrscheinlich gibt es kaum etwas anderes, das so viel Angst macht. Wie man mit Schmerzen umgehen kann, hängt sehr stark von den Vorerfahrung und der Reaktion der Umwelt ab. Vor einem operativen Eingriff stellt man sich beispielsweiße darauf ein, das es hinterher einige Zeit weh tun wird. Freunde und Bekannte machen Mut: "Das hatte ich auch schon einmal. Alles halb so schlimm, nach ein paar tagen ist das kein Problem mehr. Nur Mut das schaffst Du!" Was aber, wenn der Schmerz nicht aufhört? Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen betreten Neuland, vor allem wenn sich die Schmerzen nicht organisch erklären lassen. Dieses Krankheitsbild ist relativ neu, vor 10-15 Jahren kannte man diese Schmerzsymtomatik bei jungen Patienten kaum. Inzwischen nimmt nicht nur ihre Zahl ständig zu, die Patienten werden auch immer jünger. Woran das liegt, weiß niemand. In der Rheumakinderklinik Garmisch-Partenkirchen die die weltweit größte Klinik für Kinder und Jugendliche mit rheumatischen Erkrankungen ist, beträgt der Anteil der Schmerzpatienten inzwischen fast 10%. Natürlich sind die Krankheitsverläufe und Beschwerdebilder vielfältig, manchmal sind es einzelne Gliedmaßen, die Schmerzen verursachen, häufig tut den Patienten aber alles weh. Trotz der Unterschiedlichkeit lässt sich die Welt dieser Kinder verallgemeinernd mit einem Begriff beschreiben: HILFLOSIGKEIT! Sie fühlen sich ihrem Schmerz hilflos ausgeliefert, denn sie verstehen nicht, woher er kommt und warum gerade sie darunter leiden müssen. Die eigene Verunsicherung wird verstärkt durch die Hilflosigkeit des Umfeldes: Weder die Eltern noch die Freunde haben eine Erklärung für die anhaltenden Schmerzen, sogar die Ärzte sind ratlos und können keine wirkliche Hilfe anbieten. Diese Situation macht Angst, denn normalerweise wachsen die Kinder und Jugendlichen in einer Welt auf, in der die Erwachsenen und älteren Geschwister Sicherheit geben können. Durch die anhaltenden, unerklärlichen Schmerzen werden die Patienten auf sich selbst zurückgeworfen. Außer Durchhalteparolen oder ratlosem Schulterzucken kommt irgendwann nicht mehr viel, Vorerfahrungen gibt es kaum. Hilflosigkeit der Eltern Die Eltern sind hilflos, häufig kommt es zwischen Ihnen zu Konflikten, weil ein Elternteil für eine harte Linie eintritt, während der Partner sehr verständnisvoll und nachsichtig agiert. Erschreckend ist die zunehmende soziale Isolierung der Betroffenen. Bei vielen Patienten sind die Schmerzen so ausgeprägt, dass sie sich nicht in der Lage fühlen, die Schule zu besuchen. Die daraus folgenden hohen Fehlzeiten führen nicht nur zu Wissenslücken, die auf die Dauer schwer auszugleichen sind, sondern auch zu einem verminderten Kontakt zu den Mitschülern. Gemeinsame Unternehmungen am Nachmittag werden ebenfalls seltener, denn entweder stehen die Schmerzen im Weg oder die Angst, dass zwischenzeitliche schmerzfreie Zeiten als beleg interpretiert werden, das das Leiden nur gespielt ist. Die Wechselhaftigkeit der beschwerden gehört zu den Belastensten Merkmalen der Krankheit, den die Patienten sitzen dadurch in einer Glaubwürdigkeitsfalle: Wenn sie in schmerzfreien Phasen endlich unbeschwert das Leben, was sie lange vermisst haben, wird das vom Umfeld nicht verstanden: "Schau wie die herumtanzen kann! Dann kann es ja nicht so schlimm sein...“ Um diesen sehr verletzenden Anschuldigungen zu entgehen, spielen manche Kinder und Jugendliche ihr Leiden auch in schmerzfreien Phasen Doch das gelingt nur selten, in aller Regel spürt das der Gegenüber und, dass das Verhalten in diesem Moment nicht echt ist und wieder wird diese Erfahrung verallgemeinert: "Die hat doch keine Schmerzen, die macht uns doch nur was vor!" Um diesem Dilemma zu entgehen, ziehen sich viele Betroffene mehr und mehr zurück. Rückzug, Isolation, Einsamkeit Für die psychosoziale Entwicklung der Kinder ist diese Rückzugstendenz natürlich fatal, denn es ist eines der zentralen Merkmale des Kinder- und Jugendalters, dass die Heranwachsenden ihr Umfeld erobern und mehr und mehr "in die Welt hinausziehen!" Aus Sicht der behandelnden Ärzte sind die Jugendlichen Schmerzpatienten sehr anstrengend, denn man kann ihnen kaum helfen. Regionale Schmerzsymtome, bei denen Schwellungen und Hautveränderungen auftreten sind wenigstens "vorzeigbar" Generalisierte Schmerzstörungen, die den gesamten Körper betreffen können, sind dagegen weder optisch noch labortechnisch nachweisbar. Selbst starke Schmerzmittel zeigen keine befriedigende Wirkung. Die eigene Hilflosigkeit macht viele Behandler aggressiv. Fast alle Patienten haben erlebt, dass zunächst rein organisch diagnostiziert und therapiert wurde. Wenn das zu keinem Ergebnis führte, schlug die somatische Sichtweiße abrupt um: "Da wir nichts finden muss es psychisch sein, gehen sie mit ihrem Kind doch mal zum Psychologen oder in die Kinder- und Jugendpsychatrie." Für die Betroffenen und deren Eltern bricht spätestens jetzt eine Welt zusammen, die schon lange keine unbeschwerte Kinderwelt mehr ist. Im Mittelpunkt ihrer Wünsche steht natürlich die Schmerzfreiheit. Nichts wird mehr herbeigesehnt als eine ganz normale Kindheit. Und wenn die Schmerzen schon sein müssen, dann soll man wenigstens wissen und erklären können, woher sie kommen und wie sie wieder weggehen. Nur wenige Menschen machen sich bewusst, dass ein Wesensmerkmal des Schmerzes ist, dass man ihn nicht beweisen kann. Glück im Unglück hat, wer eine sichtbare, möglichst spektakuläre Wunde oder wenigstens, einen Gips herzeigen kann, denn die Anteilnahme der Umwelt ist ihm sicher. Verständnis und Geborgenheit finden Die Patienten mit anhaltenden unklaren Schmerzen am Bewegungsapparat haben diese Möglichkeit nicht. Um ihnen besser gerecht werden zu können, hat die Kinderrheumaklinik Garmisch-Partenkirchen im Mai 2003 eine eigene Station für diesen Personenkreis eröffnet. Die Patienten, die aus dem gesamten Bundesgebiet stammen, atmen in aller Regel erst einmal auf, wenn sie andere Leidensgenossen kennen lernen und endlich wieder einmal „Gleiche unter Gleichen“ sind. Schmerzbewältigungstraining, Physiotherapie und aktivierenden Einheiten. Neben Ärzten, Schwestern, Physiotherapeuten und Mitarbeitern des Sozialdienstes gehören auch Psychologen zum Behandlungsteam, nicht weil die Schmerzen nur eingebildet wären, sondern weil Wochen- und Monate lange Schmerzen nicht spurlos an der Psyche vorübergehen. Die Gemeinschaft mit anderen Patienten und die spielerischen Therapieelemente bringen wieder etwas Leichtigkeit und Optimismus in die Welt der Kinder. Ein umstrittener Punkt ist die frage, ob die Ursache der Schmerzen gefunden und behoben werden muss. Die Suche nach dem Auslöser liegt uns allen im Blut, verbunden mit der Hoffnung, dass man ihn in irgendeiner Form beheben oder ungeschehen machen kann. Familie einbeziehen und respektieren Die häufigste Mutmaßung ist „da wird in der Familie etwas nicht stimmen“. Der Blick auf das Familiensystem und die familieninternen Interaktionsmuster ist natürlich ist natürlich ein Bestandteil der Therapie, die betroffenen verwahren sich aber zu Recht gegen meist recht windschiefe Theorien und Unterstellungen. Abgesehen von den wenigen Fällen in denen deutlich wird dass ein Patient misshandelt oder missbraucht wurde, muss die Familie mit all ihren Besonderheiten, Stärken und Schwächen respektiert und in geeigneter Weise in die Therapie eingezogen werden. Im Mittelpunkt der Therapie steht nicht die Ursachenforschung, sondern das Ernstnehmen der Patienten und ihrer Schmerzen. Die Kraft und die Aufmerksamkeit aller Beteiligten sollte primär in die Zukunft gerichtet werden: Was können wir miteinander tun um die Schmerzen zu minimieren? Wie kann wieder mehr Normalität und zur ersehnten, ganz normalen Kinderwelt zurückgefunden werden? Der Weg ist leider oft beschwerlich, es ist aber eine Freude, wenn wir gemeinsam erleben, dass der Schmerz Stück für Stück zurückweicht und den Zugang zu einem unbeschwerteren Leben frei gibt. So ihr lieben hier mal was für die Fibros und andere Schmerzpatienten Gruß Nicky
hallo Nicky, vielen dank für diesen beitrag. ich finde es ist ein sehr differenzierter beitrag, der wirklich einen guten einblick in die situation von von fibro betroffenen kindern und jugendlichen gibt. wobei ich mich als erwachsene auch sehr gut darin wiederfinde. gut zu wissen, dass es eine klinik gibt, die sich diesem speziellen personenkreis annimmt. lg Towanda
Hallo Nicky In Deinem Beitrag kommt auch sehr klar zum Ausdruck daß bei der Diagnose Fibromyalgie der Weg zur Diagnose "somatoforme Störung" nicht sehr weit ist. Dabei ist die Diagnosestellung heute nicht mehr so problematisch: Fibro - als Bezeichnung für die Faserkomponente My - als Bezeichnung für die Muskelkomponente Algie - als Bezeichnung für den Schmerz also ein Faser/ Muskelschmerz eingedeutsch Fibro sagen eigentlich schon wie sich die Erkrankung darstellt. Jetzt muß man dem Patienten nur noch glauben....... Doch oft scheut man sich einzugestehen, daß konserative medizinische Behandlung nicht weiterführt...wobei hier der Hauptgrund die fehlende klinische Nachweismöglichkeit , wie bei "normalem Rheuma" ist. Wenn dann diese somatoforme Störung (oder psychosomatisch) als Diagnose "herhalten muß" steht man da wie ein Hypochonder - ein sich die "Krankheit Einbildender". Dabei hat dieser Begriff lange "Tradition". Schon die alten Griechen kannten das Krankheitsbild "bandförmig um den Brustkorb oder an den Rippenbogen auftretende starke Schmerzen" , sie bezeichneten es als "Hypochondrie". Weil sie aber auch nicht wußten woher diese Schmerzen kommen, weil sie nichts Krankhaftes fanden, wurde diese Bezeichnung als Synonym für den eingebildeten Kranken, dem Hypochonder (bis heute). Dem gleichen Fehlschluß unterliegen die modernen Ärzte, wenn sie in der Fibromyalgie eine somatoforme Störung sehen und damit die Ursache in der Psyche und auch dem Umfeld des Patienten suchen. Wie gesagt ein 2500 Jahre altes Problem. Immer wieder wird bei Fibro festgestellt: -Pathogenese unklar, Diagnose schwierig, Behandlung symptomatisch Bekannt ist die Diagnosestellung (hauptsächlich) betreffs der Tenderpoints. Da ich jetzt allerhand zum Thema Fibro gelesen habe gibt es daneben Methoden der Akupressurdiagnostik und Methoden mit Wärmebilddiagnostik. Dazu gibt es die verschiedensten Veröffentlichungen und genau so viele verschiedene Meinungen. Aber recht interessant und viele scheinen sich an diese Möglichkeiten zu klammern, wie auch immer ? Jetzt haben aber auch schon viele medizinische Einrichtung Fibromyalgie als Bahandlungsdiagnose aufgenommen und auch betreffs der REHA- Möglichkeiten gibt es Angebote. Leider sind große Bereiche der klinischen Forschung privat und durch Spenden (auch der Pharmaindustrie) finanziert und arbeiten örtlich sehr begrenzt und die Anerkennung neuer Methoden zur Behandlung von Fibro ist äußerst umstritten. Auch deshalb nutzen viele die Möglichkeit Angebote aus diesen Bereichen privat zu nutzen. Doch die Kosten können immens werden und man hat immer den Streit der Schulmedizin mit diesen privaten Anbietern. Es ist fast nicht möglich die unterschiedlichsten Angebote auf Erfolgschancen und Seriosität zu prüfen. Also bleiben uns die Probleme, die wir zur Genüge kennen und tauschen wir uns halt bei RO aus. Einen angenehmen Tag "merre"
Hi Nicky, danke für den sehr ausführlichen Bericht. Ich habe auch Fibro und finde mich in diesem Bricht wieder - auch wenn ich schon erwachsen bin. Dir wünsche ich einen schmerzfreien Tag. Winke aus Hessen cher
Super Ja Nicky, auch ich finde mich da wieder.Ja, es wurde viele Jahre in der Familie gekramt und gesucht. Eine der vielen Diagnosen ist noch in meinem Kopf: Hausfrauensyndrom. Was immer es ist, keiner konnte es mir erkären. So wollen wir hoffen, das es mit den Forschungen weiter geht und irgendwann etwas Einheitlichens dabei heraus kommt. Zur Zeit ist ja jede/r von uns so etwas wie :Einzelkämpfer. Liebe Grüße Glitzerchen